Hannover – Die Krawalle von Hannover vom vergangenen Samstag im Regionalligaspiel zwischen der U23 der Niedersachsen und dem VfB Lübeck (HL-SPORTS berichtete mit Video) werden weiterhin heftig diskutiert. Dafür sorgt auch ein neues Video. Nach dem 1:1 der Gäste versuchten 96-Fans, den Gäste-Block zu stürmen. Das Spiel wurde für zehn Minuten unterbrochen. Als Auslöser sollen nun rassistische Vorwürfe gegen die grünweißen Anhänger als Entschuldigung für das Ausrasten der Hannoveraner herhalten. Auf einem weiteren Video ist der Support beider Fan-Lager zu sehen. Hier kann man „Scharmützel“ von beiden Seiten hören, die jedoch mit rechtsradikalem Hintergrund nichts zu vernehmen ist. „Scheiß Hannover“ und „Lübecker Arschlöcher“ sind die einzigen Sachen, die dort eine Provokation ausmachen.

HL-SPORTS befragte August-Wilhelm Winsmann, der neben seiner Tätigkeit beim Norddeutschen Fußball-Verband als Vorsitzender der Sicherheitskommission, erster Polizeihauptkommissar ist. Er sagte nach den Vorfällen: „Der Spielbericht und der Polizeibericht liegen vor. Es gibt sieben Strafanzeigen wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetzes, Diebstahl, Beleidigung und Körperverletzung. Diese Personen machen den Fußball kaputt und die Ermittlungen werden hoffentlich dazu führen, dass bundesweite Stadionverbote ausgesprochen werden.“ Ein Polizeibeamter erlitt durch einen Böller-Wurf ein Knalltrauma, ist aber nach Aussage von Winsmann dienstfähig. Alle diese Anzeigen sind gegen Lübecker Fans gestellt worden, die vor und nach der Partie auffielen. Das spricht nicht für die Grünweißen, dennoch sind die Krawalle im Stadion und die dadurch ergangene Spielunterbrechung auf das Konto der Hannover-Fans zu schreiben.

Die Niedersachsen behaupten nun, dass es rassistische Provokationen aus dem Lübecker Block gab und sie deswegen in „Selbstjustiz“ handelten. Polizei-, Ordnungskräfte und Schiedsrichter Eric Müller konnten keine dieser Vorwürfe der Hannover-Fans untermauern, wie Winsmann zu berichten wusste. Fraglich ist allerdings vor allem, wieso es erst nach dem Lübecker Ausgleich zu der „Wehrsetzung“ der 96er kam und nicht schon viel früher? Wird hier vielleicht nur nach einer Ausrede für eigene Fehlleistung gesucht?

Winsmann weiter: „Uns war vor dem Spiel nicht klar, dass es in irgendeiner Weise zu Komplikationen kommen würde. Die Hannover-Fans der U23 sind bisher nicht großartig in Erscheinung getroffen. Lediglich beim Derby gegen Eintracht Braunschweig II gab es Vorkommnisse.“ Zumindest muss sich Hannover 96 jetzt die Frage gefallen lassen, ob der Verein seine Fans im Griff hat und das Mini-Sicherheitskonzept im Beekestadion für die Regionalliga ausreicht. Am Samstag hat dieses offensichtlich kläglich versagt. Auf einem Video ist zu sehen, wie die Randale anfing. Hannovers Pressesprecher Alex Jacob hatte am Montagabend jedoch keine Kenntnis von diesem Video, dass auf einer Fan-Seite der eigenen U23-Mannschaft online gestellt wurde. Zu den Vorfällen wollte er sich wiederholt nicht äußern, bevor die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen würden.

Zum Vorwurf, dass es rechtsradikale Tendenzen in der Lübecker Fan-Szene gibt, schüttelt man in der Hansestadt nur mit dem Kopf. In der gesamtdeutschen Ultra-Szene ist man ebenfalls erstaunt über diese Vorwürfe, so heißt es in einem bekannten Forum: „Hatte im Kopf, dass Lübeck eher links eingestellt ist.“ VfB-Vorstandsmitglied Andreas Popien, der selbst im Stadion war und unter den Fans stand, kann das alles nicht glauben und meint: „Die Gewalt ging eindeutig von Hannover-Fans aus. Rechtsradikale Sprechchöre habe ich aus unserem Block nicht wahrgenommen. Was die Hannoveraner sangen, habe ich auch nicht mitbekommen, da diese sehr laut waren und auch auf der gleichen Seite wie wir standen.“

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Lächerlich erscheinen die Anschuldigungen gegen die VfB-Fans zusätzlich, nachdem die Lübecker im Oktober eine Strafe in Höhe von 750 Euro an den Verband zahlen mussten. Auslöser dafür war, dass sich Werders U23-Spieler Maik Lukowicz nach einem Bremer Treffer vor der Lübecker Fankurve mit einem vermeintlichen „Hitlergruß“ präsentierte. Danach flogen Becher als Protest gegen diese rechtsradikale Geste auf den Rasen. Zahlen musste nur der VfB. Gegen den 20-jährigen Bremer wurde von Verbandsseite nicht ermittelt, dafür aber von der Staatsanwaltschaft gegen den angehenden Profi. Vor ein paar Wochen noch „gegen rechts“ eingestellt und in Hannover voll auf dem rechten Trip – Passt das zusammen?

Das Sportgericht wird nun von beiden Clubs eine Stellungnahme anfordern und danach ein Urteil fällen. Popien kündigte bereits jetzt an, dass man sich bei einer Bestrafung des VfB zur Wehr setzen werde.

Hier das zweite Video.

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