Lübeck – Statistiken lügen nicht. Und Tabellen auch nicht. So ähnlich hat es ein bekannter Sportmoderator schon vor Jahrzehnten gesagt. Und so sieht es aktuell auch beim VfL Lübeck-Schwartau aus. Mit dem Ziel gestartet, eine gute Rolle um die Top-Plätze zu spielen, muss der Blick nach unten gehen. Der VfL steckt mitten im Abstiegskampf, auch wenn das noch nicht jeder wahrhaben will. Dabei sind die Probleme teilweise nicht neu – und dazu oft noch hausgemacht. Daher steckt Schwartau in der schlimmsten Krise seit dem Wiederaufstieg 2008.
Der Stand der Dinge
Nach 13 Spielen steht der VfL im Keller. In den letzten zehn Partien gab es ganze drei Siege – auswärts ist sogar komplett der Wurm drin. Dort gab es nur an den Spieltagen eins und drei insgesamt drei Zähler, danach hagelte es fünf Pleiten in Serie. Mit 10:16 Punkten rangiert man gerade einmal zwei Pünktchen vor der „Todeszone“. Sollte Emsdetten heute Abend in Eisenach überraschen, dann ist es sogar nur ein Zähler bis zum Relegationsplatz. Und die vier Spiele bis Weihnachten haben es in sich. Man fährt ins unangenehme Rimpar und zum Mitkonkurrenten Ferndorf, empfängt zu Hause den Zweiten aus Coburg und spielt gegen Dormagen – beides keine Selbstläufer. Es drohen also unruhige Weihnachten. Doch woran liegt es, dass eine Mannschaft, die in den letzten Jahren oben mitspielte, so gar nicht in die Hufe kommt?
Verletzungen und fehlende Tiefe
Natürlich muss man da die Verletzten nennen. Markus Hansen fehlte wochenlang, ebenso wie Fynn Ranke. Neuzugang Nikola Potic ist gefühlt noch nie richtig fit gewesen und hat auch erst fünf (Teilzeit-) Einsätze hinter sich. Pawel Gendas erneut gerissenes Kreuzband bedeutet das Saison-Aus für den Polen. Hinzu kommen kleinere Wehwehchen, die u.a. Thees Glabisch und Martin Waschul zu kurzen Pausen zwangen. Und im Vergleich zu anderen Teams fehlt dem VfL dann doch die Tiefe im Kader, gerade was den Rückraum angeht. Dabei müssen nun Spieler Verantwortung übernehmen, die dieser noch nicht (Raguse) oder nicht mehr (Schult) gewachsen sind.
Keine offensive Entwicklung
Apropos Rückraum: richtig erschreckend ist, was die Rückraum-Schützen machen. Gerade einmal 49% aller Würfe finden den Weg aus dem Rückraum ins Ziel, lediglich Markus Hansen hat eine Wurfquote von über 60% vorzuweisen. Es fehlt ein Shooter wie Antonio Metzner, aber auch der 2018 abgewanderte Oliver Milde hätte die Statistik durchaus schönen können. Natürlich ist die schwache Quote nicht nur auf eine schlechte Wurfauswahl und fehlende Wurfkraft zurückzuführen. Auch spielerisch hat man sich kaum weiterentwickelt, aus dem Positionsangriff fehlen erschreckend oft Ideen. Jetzt war der Angriff natürlich nie das Prunkstück des VfL-Spiels, aber Platz 14 von 18 in Sachen Tore sollte ein Alarmzeichen sein. Und die Abwehr, immer konstant Top drei in den letzten Jahren, hat immer noch ein hohes Niveau, kann aber die Mannschaft nicht so tragen, wie man sich das beim VfL gerne wünscht, genauer: wie man es braucht.
Trainer ohne Plan?
Das mag in Teilen auch an der Taktik liegen. Unter Thorge Greve war der VfL für seine knallharte 6:0-Verteidigung bekannt, welche die Gegner auch in einer offensiveren Variante zur Verzweiflung brachte. Eine Umstellung auf ein anderes System nahm Greve nur in absoluten Ausnahmefällen vor. Das ist bei Piotr Przybecki anders und nicht immer wirkt das durchdacht. So hat die Umstellung in Hamburg beispielsweise gar nicht gefruchtet und die Partie ging gegen einen, mit Verlaub, maximal durchschnittlichen Gegner vollends in die Hose. Und wo man beim Trainer ist: nicht immer sind seine personellen Entscheidungen verständlich. Natürlich fehlen Przybecki gerade im Rückraum die Alternativen, aber die Verteilung der Spielanteile sorgt bei vielen Fans für Kopfschütteln. Das bringt in der Abwehr keine Stabilität. Und offensiv fehlen dem VfL Lübeck-Schwartau die Ideen. Dass sich Przybecki auf Pressekonferenzen und in Pressemitteilungen nur mit Phrasen und Durchhalteparolen zu helfen weiß, sorgt auch beim treuesten VfL-Anhänger für Stirnrunzeln. Und in den sozialen Medien ist der Trainer nicht nur einmal angezählt worden.
Durchhalteparolen helfen niemandem
Apropos Durchhalteparolen: erstaunlich ist auch, dass man sich nach der Pleitenserie im Oktober unmittelbar nach dem Heimsieg gegen Emsdetten wieder im Aufwind wähnte – und vollmundig vom oberen Tabellen-Mittelfeld gesprochen wurde. Dabei hätte ein Sieg in Nettelstedt gerade einmal dafür gesorgt, dass der Rückstand auf Platz acht ähnlich groß gewesen wäre wie der Vorsprung auf Platz 16.
Unruhe im Umfeld
Natürlich tut auch die Unruhe im Umfeld ihr Übriges zur Sache. Ob die Zusammenarbeit mit Geschäftsführer Michael Friedrichs nun gut oder schlecht war, muss jeder beim VfL für sich beantworten. Fakt ist aber, dass er mit seiner Arbeit den Handball in Lübeck wirtschaftlich und sportlich voran gebracht hat. Ob es dann so ratsam war, über Wochen so an seinem Stuhl zu sägen, dass ausgerechnet diese Person dann frühzeitig in der Saison hinwirft, bleibt zumindest offen. Dass hinter dem Rücken von Friedrichs mit Daniel Pankofer gesprochen wird (anders lassen sich manche Äußerungen des neuen Geschäftsführers nicht deuten), ist mindestens unglücklich. Von Vertrauen kann da wohl kaum die Rede sein und das färbt natürlich auch auf die Mannschaft ab. Diese hat Friedrichs schließlich maßgeblich zusammengestellt.
VfL muss Abstiegskampf endlich annehmen
Apropos Daniel Pankofer: für den neuen starken Mann wird es unabhängig vom Tabellenstand eine schwierige Aufgabe werden und er wird auch die eine oder andere herausfordernde Entscheidung treffen müssen. Ob das den Trainer betrifft oder einzelne Spieler: der 38-Jährige wird mehrfach auch über seinen eigenen Schatten springen müssen. Allerdings ist auch klar: vor dem Saisonende wird Pankofer kaum Gestaltungsmöglichkeiten haben. Bis dahin ist es aber noch Zukunftsmusik! Und noch ist für den VfL Lübeck-Schwartau nichts verloren. Man rangiert auf Rang 13 und hat alles in der eigenen Hand, um frühzeitig in ruhige Fahrwasser zu kommen. Aber wenn man sich das Spiel auf der Platte anschaut, dann wird man wohl bis zum Ende zittern müssen – geschweige, dass man die selbst gesteckten Ziele um Lichtjahre verfehlt hat. Nur sollten das endlich alle realisieren, sonst droht der Absturz!