Norderstedt – Am Rande von Hamburg sieht man aktuell nur glückliche Fans von Eintracht Norderstedt. Platz vier, 38 Punkte und seit sechs Spielen ungeschlagen. Jens Martens kam im April und hat den Club in einer schweren Phase übernommen. Der Klassenerhalt wurde gerade so eben gepackt und einem Relegationsspiel ist man mit einem Punkt Vorsprung entgangen. Der 64-Jährige hat im Edmund-Plambeck-Stadion für frischen Wind gesorgt. Das schreit nach Erklärungen. HL-SPORTS traf den Mann der direkten Worte zum Interview.
HL-SPORTS: Hallo Jens, wie geht es dir?
Jens Martens: Danke, wenn man so steht wie wir und solch eine Halbsaison spielt, dann geht es einem einfach gut. In den kühnsten Träumen habe ich nicht an so eine tolle Serie geglaubt. Wir haben eine komplett neue Mannschaft und das bei einem Durchschnittsalter, den wir von 26 auf 23 Jahre gesenkt haben und sind damit hinter den Nachwuchsmannschaften der Bundesligisten die jüngste Truppe der Liga. Und dann stehen wir so da wie jetzt – das ist einfach nur der Hammer.
HL-SPORTS: Ihr macht gute Arbeit. Wie kommt das?
Jens Martens: Das ist eine sehr gute Teamarbeit und damit meine ich nicht nur das Team untereinander, sondern auch das Trainerteam und wir beziehen alle, die um das Team herum sind, mit ein.
HL-SPORTS: Ist das frei nach dem Motto: Elf Freunde müsst ihr sein?
Jens Martens: Ich würde das sogar erweitern, denn bei uns sind das 30 Freunde und noch mehr. 25 Kaderspieler, Physio, Zeugwart, Platzwart, Trainerteam… da kommen wir sogar auf mehr als 30.
HL-SPORTS: Das klingt nach einer richtigen „Eintracht-Familie“?
Jens Martens: So bezeichnet man sich auch selbst, denn was beispielsweise während der Busfahrt von Kiel zurück nach Hause abging, war schon stark. Musik, Discolicht und eine richtig gute Stimmung… die Leute, die bei uns vorbeigefahren sind, haben wohl gedacht, was da los ist… Das haben sich die Jungs wirklich verdient, denn sie sind einsatzbereit, lernwillig und bei zwölf Neuzugängen ist das nicht selbstverständlich. Wir haben keine „Drecksäcke“, in der Mannschaft, die man lieber schnell wieder loswerden müsste. Die haben wir nicht.
HL-SPORTS: Dann kann man davon ausgehen, dass sich im Winter nichts im Kader verändern wird?
Jens Martens: Nein, ganz klar nicht. Klar, muss man bei den Langzeitverletzten schauen, aber es ist nicht geplant, neue Spieler zu holen. Wir müssen natürlich schauen, in welche Richtung das Ganze geht, denn so einen guten Lauf gab es in Norderstedt schon lange nicht mehr. Das kann auch ganz schnell wieder in die andere Richtung gehen. So berechenbar ist der Sport ja nicht.
HL-SPORTS: Jetzt geht es noch einmal im Pokal nach Meiendorf – das wird doch bestimmt ein Selbstgänger, oder?
Jens Martens: Schönen Dank für genau so eine gestellte Frage. Das haben wir unserer Mannschaft gleich ausgetrieben und es war schon eine schwierige Situation vor dem Holstein-Spiel. Da wurden wir für 35 Punkte schon so gelobt. Wir wollten den Lauf fortsetzen und das haben wir geschafft. Genauso soll es im Pokal gehen. Bei uns wird weitergearbeitet und es wird auch noch am Freitag trainiert. Wir wollen dieses Spiel in Meiendorf gewinnen und müssen den Spannungsborgen hochhalten. Das wird sicherlich kein Selbstgänger, obwohl die Tabellensituation von Meiendorf das vermuten lassen könnte.
HL-SPORTS: Habt ihr den Gegner beobachtet?
Jens Martens: Selbstverständlich kennen wir die Auftritte des Gegners. In der heutigen Zeit, wo es TV-Streams gibt, ist das für uns klar, dass wir uns die Spiele angeschaut haben.
HL-SPORTS: Du hast eine Lübecker Vergangenheit. Da könnte man sich vorstellen, auch wenn du zwei Plätze hinter deinem Ex-Club stehst, dass du sagst, dass du den Grün-Weißen gerne alle Spiele gewinnen können, außer gegen uns. Wie siehst du die Situation beim VfB und dem Aufstieg?
Jens Martens: Das ist auf den Punkt genau getroffen. Ich möchte, dass mein alter Verein aufsteigt. Lübeck gehört einfach mindestens eine Klasse höher und das habe ich meinen ehemaligen Weggefährten bei uns im Hinspiel genauso gesagt. Da haben sie noch vor ihrer schlechten Phase knapp mit 2:1 gewonnen. Sie haben eine gute Mannschaft und ich drücke meinem Ex-Verein alle Daumen, dass sie es hoffentlich schaffen, in dieser Saison aufzusteigen.
HL-SPORTS: Wie siehst du da die Problematik mit zweiten Mannschaften von Bundesligisten? Ihr hattet ja gerade erst so ein Erlebnis in Kiel. Hat das auch etwas mit Wettbewerbsverzerrung zu tun?
Jens Martens: Das ist schon schwer. Wir haben gleitende Systeme und ich gebe auch Spieler an unserer Reserve ab. Das schmeckt den Gegnern dann sicherlich auch nicht. Generell ist das ein diskussionswürdiges Thema, aber nicht erst seit heute. Wenn ich an meine aktive Zeit zurückdenke, gab es da sogenannte Nachwuchsrunden. Das hat alles Vor- und Nachteile. Wenn du die Nachwuchsmannschaften zu Gast hast, dann hast du auch kaum Zuschauer. Egal ob dort oder hier. Bei 120 Zuschauern in Kiel ist das nicht schön. Die Hälfte kam dann aus Norderstedt. Diese Thematik ist sehr komplex und es gibt sicher eine ganze Menge Pro und Contra. Ich spiele natürlich viel lieber gegen Altona und Lübeck, als in einem supertollen Stadion in Wolfsburg, wo vielleicht 120 Zuschauer sind. Ich tu mich da schwer. Wenn ich da an Spiele gegen Oldenburg, Emden oder Meppen zurückdenke, wo mindestens 2000 oder 3000 Fans dabei waren, war das einfach geil. Jetzt ist das etwas anderes. Ich habe aber auch selbst keine bessere Lösung parat. Ich finde es wirklich schwierig. Ich kann meinen Kommentar dazu abgeben, aber entschieden wird es auf anderer Ebene. Wir müssen es nehmen, wie es ist, aber manchmal ist es schon ärgerlich.
HL-SPORTS: Dankschön für das Interview und weiterhin viel Erfolg.
Bildquellen
- lobeca_29280_ralf_homburg_20191027: Lobeca/Homburg