Hamburg – Totgesagte leben länger. So hofft man beim Hamburger SV auf das Wunder, das Kopfballungeheuer Horst Hrubesch in 21 Tagen schaffen soll. Der 70-Jährige übernahm den Trainerposten am vergangenen Montag nach der Entlassung von Daniel Thioune (HL-SPORTS berichtete). Zumindest weht jetzt ein anderer Wind im Volkspark, denn die HSV-Legende hat ein ganz besonderes Standing im Verein, der Mannschaft und den Fans.
Legende im Volkspark
In 211 Einsätzen für die Rothosen in der Zeit von 1978 bis 1983 traf er satte 132 Mal. Das bescherte ihm den Bronze-Platz in der ewigen Torschützenliste des ehemaligen Erstliga-Dinos. Vor ihm stehen nur noch Uwe Seeler, der in 548 Spielen 461 Treffer erzielte und Gert Dörfel mit 141 Toren in 261 Begegnungen der Hamburger.
Holstein Kiel hat „…keine Zeit“
Neun Punkte kann der HSV noch holen, fünf Zähler beträgt der Rückstand auf den Zweitplatzierten Greuther Fürth und zwei Zähler haben die Hamburger Vorsprung auf Holstein Kiel, die allerdings noch drei Nachholspiele haben. Hinzu kommt, dass Fortuna Düsseldorf am Montagabend in der Nachspielzeit mit 3:2 gegen Karlsruhe gewann und nun punktgleich mit den Hamburgern ist. Ein Himmelfahrtskommando? Wohl nicht, denn Hrubesch hat nichts zu verlieren, kann lediglich nur gewinnen. Seine Ernennung zum Interimstrainer an der Elbe hat bundesweit für ein Gewitter gesorgt. Nur in Kiel scheint man das gelassen zu sehen. Ole Werner: „Das sind Dinge, die in Hamburg entschieden werden. Wir können und wollen das nicht beeinflussen. Uns bleibt auch nicht die Zeit, nach links und rechts zu schauen.“ Der Respekt ist ihm sonst aus allen Bereichen sicher. Insbesondere weil der dreifache Deutsche Meister als Trainer ebenfalls Erfolge vorzuweisen hat – interessanterweise auch als Feuerwehrmann.
Erfolg ist kein Fremdwort
So wurde er 2008 mit der U19-Nationalmannschaft Europameister und ein Jahr später sogar mit dem U21-Team nochmal, dieses Mal als Interimscoach. Als Spieler holte er sich mit der A-Nationalmannschaft den Titel in Italien. Im Finale erzielte Hrubesch beide Treffer beim 2:1-Sieg gegen Belgien. Es waren seine ersten Tore für das Team mit dem Adler auf der Brust. Zwei Jahre später wurde er Vize-Weltmeister. Mit dem HSV holte er zudem 1983 den Cup der Landesmeister.
Rückkehr nach 37 Jahren
1986 beendete er seine Kariere im Profibereich und wurde Trainer bei Rot-Weiß Essen. Unter anderem hatte er als Übungsleiter unter anderem Stationen in Rostock, Dresden und Wolfsburg und kam vor 21 Jahren zum DFB, wo er als Co-Trainer und im Jugendbereich arbeitete. Zur Saison 2020/2021 kehrte Hrubesch nach 37 Jahren zum Hamburger SV zurück und wurde unter dem Sportvorstand Jonas Boldt Nachwuchsdirektor im Nachwuchsleistungszentrum.
Erste Trainingseinheit
Am Montagnachmittag leitete Hrubesch das Training beim HSV. 75 Minuten dauerte es und es gab viele Lautstärke von ihm zu hören. Motivierende Worte gehörten selbstverständlich dazu. „Ich kenne viele der Spieler und habe in dieser Saison neben einigen Trainingseinheiten mehrere Spiele als Teil der HSV-Delegation gesehen. Zunächst einmal geht es darum, die Köpfe der Spieler freizubekommen. Zuletzt hat die Mannschaft leider oft unter Wert gespielt. Sie verfügt über eine andere Qualität, die wir jetzt in den verbleibenden Spielen auf den Platz bringen müssen. Ich werde viele Gespräche führen, reinhören und versuchen, ein paar Akzente zu setzen“, sagte der 70-Jährige davor.
Nur für drei Spiele
Hrubesch hilft seinem HSV gerne, doch nach der Saison ist Schluss. „Wir hatten am Wochenende viele interne Gespräche. Und irgendwann haben wir dann auch über Traineralternativen gesprochen. Bei nur drei oder maximal fünf verbleibenden Spielen machen andere Lösungen nicht viel Sinn. Ich brauche keine Kennenlernphase. Und – bevor Sie nachfragen oder Gerüchte die Runde machen – ich bin nur für die letzten Spiele in dieser Saison Trainer. Danach kehre ich auf meinen Posten im Nachwuchsleistungszentrum zurück“, sagt er.
Boldt hat noch nicht aufgegeben
Jonas Boldt gibt nicht auf. „Es geht jetzt darum, voll anzugreifen. Wir sind zwar realistisch, unser Ehrgeiz und sportliches Naturell verbieten es allerdings, irgendetwas abzuschenken. Genau das verkörpert auch Horst Hrubesch, daher wollen wir das nun auch in die Mannschaft reinbringen“, sagt er Sportvorstand.
Thiounes Ende, Hrubeschs Feuer
Der „Genickbruch“ bei Thioune war dessen Haltung nach dem Unentschieden gegen den Karlsruher SC am vergangenen Donnerstag. Auf der Pressekonferenz ließ er zu sehr den Menschen durchblicken und der wirkte am Boden zerstört. Es war von „Scheißegal-Mentalität“ die Rede und nicht von kämpferischer Natur. Sein 35 Jahre älterer Nachfolger versprüht dagegen Feuer und Flamme… für seinen HSV.