Lübeck – Wenn man den Frauenfußball in Lübeck betrachtet, dann ist der erste Blick gar nicht so verkehrt. Mit dem Eichholzer SV, dem nahen ostholsteiner Nachbarn SG Ratekau-Strand, dem ATSV Stockelsdorf und der SG Siems-Dänischburg spielen vier Teams zumeist gute Rollen in den beiden höchsten Landesklassen. Weitere neun Teams in Kreisliga und Kreisklasse zeugen davon, dass der Frauenfußball auch in Lübeck seinen Platz hat. Ein genauerer Blick offenbart aber, dass es Probleme mit Mannschaftsmeldungen und vor allem mit dem Nachwuchs gibt. Und die Absage der Hallenkreismeisterschaft passt dann auch noch ins Bild. Doch zumindest im Lübecker Norden könnte etwas Neues entstehen.

Mit dem Eichholzer SV und der SG Ratekau-Strand hat man aus Lübeck und direkter Nachbarschaft zwei absolute Aushängeschilder des schleswig-holsteinischen Frauenfußballs, aber der Blick auf die SH-Liga wie auch auf die Verbandsliga verschleiert oftmals das eine oder andere Problem. Wobei diese auch in den höheren Klassen schon beginnen: Kleine Kader, kurzfristig abgesagte Spiele oder gar ein Nichtantritt sind mehr die Regel als die Ausnahme. Ein Problem, dass sich in der Kreisliga und in der Kreisklasse durchaus potenziert. Und beim weiblichen Nachwuchs sieht es nicht anders aus: Bei den U17-Juniorinnen gibt es keine Mannschaft, die überkreislich spielt, in der Kreisliga sind drei von fünf Teams Sechser-Mannschaften und damit per se schon mal nicht aufstiegsberechtigt. Bei der U15 sieht es nur marginal besser, dort spielt lediglich Viktoria 08 überkreislich, besitzt dafür derzeit keine U17. Lediglich der TSV Ratekau und Rot-Weiß Moisling verfügen derzeit über Frauenmannschaften (als Spielgemeinschaften) sowie U17- und U15-Nachwuchsmannschaften, die auch am Spielbetrieb teilnehmen.

Es ist noch gar nicht so lange her, da waren Lübecker Mannschaften im Frauenfußball im Lande führend, vor allem was den Nachwuchsbereich anging. Vor allem TSV Dänischburg und TSV Kücknitz, aber auch der TSV Siems spielten eine gute Rolle, die Derbys waren in ihrer Intensität durchaus mit den Männerderbys vergleichbar. Übrig geblieben ist davon praktisch nichts, die Nachwuchsmannschaften sind nicht vorhanden, Siems und Dänischburg spielen in einer SG und in Kücknitz hat man einen rasanten Absturz hinter sich, der wahrscheinlich in der Kreisklasse enden wird.

Klarer Fall, wie auch im männlichen Nachwuchsbereich gibt es Probleme, die das Jahr 2016 mit sich bringt. Ganztagsschulen und ein verändertes Freizeitverhalten gibt es auch bei Mädchen und jungen Frauen. Und der große Boom ist nach der sehr enttäuschenden Heim-WM 2011 etwas abgeflaut. Dann sind da noch die hausgemachten Probleme. Es gibt zu viele Mannschaften für zu wenig Nachwuchs, aber auch im Frauenbereich tummeln sich zu viele Teams. Und dabei ist einfach das Leistungsgefälle riesig, stellenweise sogar innerhalb einzelner Mannschaften. Das dies oft zu zusätzlicher Frustration führt, ist verständlich. Auch die fehlenden Helfer, sei es als Trainer und Betreuer oder nebenher, sind ein Phänomen. 

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Es bleibt die Frage, ob Vereine und speziell Verbände alles dafür tun, um den Frauenfußball zu fördern. Zuletzt hatte der hiesige Kreisfußballverband mit der Absage der Kreismeisterschaft für Unmut gesorgt und sich keinen großen Gefallen getan. Auch wenn der KFV Lübeck für die technischen Probleme in der Halle nicht verantwortlich ist, hinterließ es einen faden Beigeschmack bei vielen Mannschaften, dass er sich nicht in der Lage sieht, binnen 24 Stunden für Ersatz zu sorgen.

Baustellen sind also genügend da; und zumindest an der Trave will man nun die Probleme gemeinsam angehen. Trainer und Abteilungsleiter aus Siems, Dänischburg, Kücknitz und Travemünde haben sich bereits besprochen und den Handlungsbedarf erkannt. Der Wille, gemeinsam etwas anzupacken, ist da, nun soll bis Ende Februar eine Entscheidung getroffen werden. Dabei sollen alle Vereine, alle Abteilungsleiter und vor allem die Mannschaften in einem Boot sitzen. „Wir wollen es schaffen, dass die Frauen und Mädchen komplett frei entscheiden können, ob sie leistungsbezogen (SH-/Verbandsliga) oder freizeitbezogen Fußball spielen wollen“, sagte Kambiz Tafazoli, Trainer der SG Siems-Dänischburg zu HL-SPORTS. Damit wollen die Vereine dem Frauenfußball im Lübecker Norden ein neues Zuhause bieten und den interessierten beziehungsweise aktiven Frauen und Mädchen die Möglichkeit geben, ihrem Hobby nachzukommen, „ohne Weltreisen zu absolvieren“ (Tafazoli).

Das Potential sei auf jeden Fall da, gemeinsam etwas anzupacken, zumal es weitere Vorteile birgt, so Tafazoli: „Im Moment kümmern sich in jedem Verein zwei, vielleicht mal drei Leute um praktisch alles, was Organisation betrifft. Und das geht auf Dauer nicht gut, von daher wäre eine Zusammenarbeit bei den Frauen vielleicht ein erster Schritt, um die Kräfte im Norden vor allem im Jugendbereich zu bündeln.“  Ein erster Schritt wäre die Zusammenarbeit im Frauen und Juniorinnen-Bereich. Allein die Bereitschaft aller Vereine ist ein erstes gutes Zeichen.

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