Hamburg – Zweite Heimniederlage für den Hamburger SV am Freitagabend in der 2. Bundesliga, dieses Mal gegen Darmstadt 98. 1:2 (0:2) unterlagen die Rothosen vor 43.943 Zuschauern im Volksparkstadion. Dabei verteilte Schiedsrichter Robert Schröder insgesamt vier Platzverweise, einen gegen Ex-HSVer Klaus Gjasula und gleich drei für die Gastgeber, darunter sogar Sportvorstand Jonas Boldt.
Die 1. Halbzeit: Nach sieben Minuten war schon fast alles vorbei
Den ersten Schock für die Rothosen gab es schon nach vier Minuten. Die Entstehung war fast schon typisch für Hamburg: Heyer brachte seinen Torwart Heuer Fernandes mit einem Rückpass in Bedrängnis, der wiederum passte zu Vuskovic, der die Kugel wieder zurück Richtung eigenen Strafraum köpfte. Doch da stand Manu und der hatte freie Bahn zum Tor. Heuer Fernandes parierte den Schuss zur Ecke und damit nahm das Schicksal seinen Lauf. Ausgerechnet Patric Pfeiffer (4.) – der die gesamte Jugend beim HSV durchlief, es allerdings nie in den Profikader schaffte und vor drei Jahren zu den Lilien wechselte – köpfte von Rohr und Heyer unbedrängt ins lange Eck zur Gästeführung. Nur zwei Minuten später wurde ein Hamburger Eckball zum Boomerang für diese. Darmstadt wehrte ab, konterte und Mehlem setzte sich gegen Reis durch, brachte den quirligen Manu auf der rechten Seite ins Spiel und dessen verunglückte Flanke landete auf der anderen Seite kurz vor der Eckfahne. Holland erlief die Kugel und legte ab auf Kempe. Dessen Schuss fälschte Philipp Tietz (7.) per Kopf zum 2:0 für die Hessen ab. Und wenn Hamburgs Kapitän Schonlau nicht einen Spreizsachritt gemacht hätte, dann wäre der 98-Stürmer im Abseits gewesen. Die Fußspitze war ausschlaggebend. Der Video-Schiedsrichter schaute nochmal drauf, doch der hatte nichts zu beanstanden. Die HSV-Hypothek nach sieben Minuten mit zwei Treffern zurückzuliegen wog schwer. Die Rothosen brauchten etwas, um sich wieder zu finden – man war bemüht. Glatzel und Kittel (18.) per Doppelchance hatten Möglichkeiten zum Anschluss, doch es war nichts bis zur Pause. Dafür hatten die Hessen noch einen Tietz-Kopfball (20.) zu bieten, der allerdings aus Nahdistanz nur platziert auf Heuer Fernandes flog. Darmstadt war die gesamte Zeit immer gefährlich, hatte alles unter Kontrolle und startete stets und ständig Überfälle auf die Rothosen-Defensive. Die Gastgeber hatten viele Probleme das in den Griff zubekommen und versuchten es im eigenen Stadion noch vor der Pause mit Kontern. Bezeichnend für die schwache Walter-Elf waren beispielsweise zwei Szenen: Muheim schlug einen Pass von der linken Seitenlinie ins rechts Seitenaus, wo niemand war. Kollege Heyer stand dem in nichts nach. Sein Pass in der eigenen Hälfte von der rechten Seite ins linke Seitenaus glich einer Komödie. Und noch eines: Kittel zeigte Anflüge von Kreativität, indem er sich die Bälle selbst von hinten holte. Das war gut. Pech nur, dass er im Mittelfeld keine Anspielstationen fand. Ein gellendes Pfeifkonzert der eigenen Fans war die Quittung für hilflose Hamburger.
Nach der Pause: „farbenfroh“ durch Schiri-Gespann
Zum Start der zweiten Hälfte brachte HSV-Coach Walter Neuzugang Dompe, der einige gute Ansätze zeigte, doch meist auf sich alleingestellt war. Hamburgs Kapitän Schonlau erwischte ebenfalls nicht seinen besten Tag, war oft zu langsam gegen seine Gegenspieler. Das 0:3 verhinderte Heuer Fernandes gegen einen Tietz-Kopfball (50.) aus vier Metern. Pfeiffer (54.) versuchte es danach aus spitzem Winkel und schoss knapp über die Latte. Walter reagierte und wechselte den enttäuschenden Heyer gegen Opoku (56.) aus. Es wurde ein kurzer Auftritt des 23-Jährigen, der in dieser Saison zum ersten Mal vermutlich nicht verliehen werden sollte. Doch zuerst disqualifizierte sich Klaus Gjasula nach wiederholtem Foulspiel an Glatzel in der 59. Minute mit Gelb-Rot. Daran gab es nichts zu mäkeln. Eine Minute später kassierte Opoku den gelben Karton, weil er sich mit einem „Trick 17“ selbst in Bedrängnis brachte und Mehlem nur mit einem Foul stoppte. Gelbe Karten gegen Tietz (61.) und Glatzel (62.) folgten von Schiri Schröder, der in der 64. Minute keine andere Wahl hatte und zum zweiten Mal einen Platzverweis aussprechen musste. Opoku ließ Holland stehen und leitete eine gute Möglichkeit für den HSV ein. Holland zog noch am Trikot des Hamburgers und dann passierte das Unfassbare: Aaron Opoku drehte sich um und trat den Darmstädter in die Seite – was kommen musste, war klar: Rote Karte und Schluss nach 450 Sekunden für den Norddeutschen „Leihvogel“. Übrigens sah Holland für seine Aktion noch gelb. Danach verlor der Unparteiische seine Souveränität rasant, denn er verließ sich auf eine angezeigte Abseitsposition Glatzels seines Assistenten, die es gar nicht gab. Der Hamburger stand klar hinter dem letzten Darmstädter. Der Video-Schiri durfte nicht eingreifen, weil die Entscheidung zu schnell auf dem Feld fiel. Glatzel war übrigens durch und wurde im Strafraum noch von Mehlem gefoult und es hätte Strafstoß für die Hausherren geben müssen, doch der „falsche“ Pfiff Schröders war davor und somit die Szene abgebrochen. Wieder Pech für den HSV und Walter regte sich nachvollziehbar auf, kassierte dafür die Gelbe Karte. Fußball wurde zwischendurch auch noch gespielt: Vilhelmsson (73.) verpasste die Vorentscheidung, Glatzel (77.) scheiterte an Schuhen und eine Minute später brachte der HSV-Stürmer das Leder noch einmal nicht im Netz unter. Bilbija (83.) scheiterte an Schuhens Fuß und Warming (86.) verzog nur minimal auf der anderen Seite. Es war hektisch und die Rothosen wollten sich nicht kampflos ergeben. Die Zeit wurde knapp, doch Ransford Königsdörffer (87.) schaffte nach einem Eckball per Kopf am zweiten Pfosten den 1:2-Anschlusstreffer. Zwei Minuten später flog allerdings auch er vom Platz – glatt rot für den Ex-Dresdner. Er traf abseits des Balles Gegenspieler Ronstadt mit der Hand am Kopf, der hinter ihm stand. Nach Absicht sah das nicht aus und das brachte Jonas Boldt wortwörtlich auf den Platz. Der HSV-Sportvorstand protestierte wild auf dem Spielfeld und wurde erst mit gelb verwarnt und kassierte danach die Ampelkarte. Schröder verbuchte seinen vierten Platzverweis in nur einer halben Stunde. Der Volkspark kochte, die Hamburger warfen in den sechs Minuten Nachspielzeit noch einmal alles nach vorne und doch es blieb beim 2:1 für Darmstadt 98.
Das Fazit: Es ist kompliziert!
Diese Partie ist schlecht in Worte zu fassen, denn zu viele Dinge liefen zumindest auf zwei Seiten schlecht. Einzig der SV Darmstadt 98 machte alles richtig und ging am Ende als verdienter Sieger vom Platz. Hätte, wenn und aber kann man sich sparen, denn davon gäbe es genug. Versuchen wir es trotzdem kurz mit so etwas wie einer Analyse: Zuallererst der HSV, der mit Moritz Heyer und Miro Muheim zwei Spieler in den Reihen hatte, die sich als die Unsicherheitsfaktoren demnächst einen Tribünenplatz verdienten. Von mir gibt es für die „Leistungen“ zwei glatte Sechsen als Schulnote. Stellungsspiel schlecht, die entscheidenden Zweikämpfe als Verlierer abgeschlossen und mit unfassbaren Fehlpässen. Alternativen gab und gibt es allerdings nicht auf ihren Positionen. Sie werden wohl nur mit Kritik davonkommen, statt einer Denkpause. Im Grunde genommen war allerdings die ganze Mannschaft nicht in der Lage gegen bissige und leidenschaftliche Darmstädter etwas ideen- und am Ende ertragsreiches auf den Platz zu bringen. Vorne ist es schon länger so, dass zu wenig Effizienz an den Tag gelegt wird. Zu viele Möglichkeiten, zu wenig Tore. Beim 0:1 ging wiederholt das „Fifty-Fifty-Gezocke“ im Spielaufbau daneben. Dazu bedarf es keiner weiteren Worte, denn das darf man inzwischen fast in jedem Spiel einkalkulieren. Ändern wird sich daran nichts mehr, das sollte klar sein. Die Hoffnung kann man also getrost ad acta legen. Sorry, ist so! Die Platzverweise waren schon kurios. Die von Klaus Gjasula und Aaron Opoku klar und richtige Entscheidungen von Schiedsrichter Robert Schröder. Der Fehler beim angeblichen Glatzel-Abseits war dagegen ein dickes Minus für den Referee und seinen Assistenten, der den Chef auf dem Rasen nicht selten alt aussehen ließ. Zur Roten Karte für Ransford-Yeboah Königsdörffer ist es etwas kompliziert. Es gab diesen „Armwischer“ im Gesicht seines Gegenspielers – ja, doch dafür eine Rote Karte zu geben war dann doch eine Nuance zu doll. Königsdörffer fiel zuvor in dieser Partie nicht negativ auf. Bitter! Am Ende war der Lilien-Sieg allerdings verdient, das hatte mit den seltsamen Irrungen der Unparteiischen nichts zu tun. Innerhalb der ersten sieben Minuten war Hamburgs Niederlage schon fast besiegelt. Was passiert aber nun Aaron Opoku? Es war sein erster Platzverweis in 183 Einsätzen seit der U17-Bundesliga 2014, nicht einmal eine Gelb-Rote Karte hat er in dieser Zeit kassiert. Allerdings war es ein ganz krasser Blackout, mit der er am Freitag seiner Mannschaft den Überzahl-Vorteil nahm. Nach einer spannenden Woche zwischen Kühne und Dompe und am Freitagmittag der Wüstenfeld-Story, wird es in den kommenden Tagen wieder viel Gesprächsstoff rund um den Volkspark geben. Das ist sicher.
Die Stimmen nach der Partie
Torsten Lieberknecht (Darmstadt): „Jeder hat gesehen, dass es ein hochintensives Spiel war. Mit dem Wissen, wie das Rückspiel der letzten Saison in Darmstadt ausgegangen ist, wollten wir uns so nicht noch einmal präsentieren, heißt: Wir haben schon zurückgeblickt und wollten uns besser dagegenstellen. Wir sind super in die Partie gekommen, haben viele Sachen in der Verteidigung gut gemacht. Alles kannst du nicht verteidigen, weil der HSV in Ballbesitz eine zu große Qualität hat. Wir haben bis zum Schluss die berühmte Leidenschaft reingeworfen. Wir hatten insgesamt die besseren Möglichkeiten und deshalb denke ich, dass wir auch verdient gewonnen haben.“
Tim Walter (Hamburg): „Wir sind denkbar schlecht in die Partie gekommen, waren da anscheinend noch in der Kabine. Danach haben wir es ganz ordentlich gemacht, waren aber besonders im letzten Drittel sehr ungenau, sind oft durchgekommen, aber der der letzte Ball war oft nicht gut. Das haben wir in der zweiten Halbzeit besser gemacht. Dann haben wir uns aber selber geschlagen, indem wir unvorsichtig in Situationen waren, wo wir eigentlich in Konter kommen und Chancen haben, uns dann aber selber aus dem Spiel genommen und dezimiert haben. Wobei man bei Aaron auch sagen muss, dass er nicht von alleine nachtritt, sondern vorher auch provoziert und gehalten wird. Das muss ich den Jungs dennoch ankreiden. In der zweiten Halbzeit haben wir dennoch extrem viel investiert und unser wahres Gesicht gezeigt. Wir haben heute ein Spiel verloren, aber am Ende gewinnen wir.“
Der 5. Spieltag (19. – 21.8.)
Hamburg – Darmstadt 1:2
Magdeburg – Hannover 0:4
Paderborn – Kiel (Sa., 13 Uhr)
Sandhausen – Nürnberg
Regensburg – Karlsruhe
Braunschweig – Düsseldorf (20.30 Uhr)
Fürth – Kaiserslautern (So., 13.30 Uhr)
Heidenheim – Bielefeld
Rostock – St. Pauli
Bildquellen
- Königsdörffer, Schröder: Lobeca/Norbert Gettschat