Lübeck – Die brutalen Szenen bei einem Amateurspiel am vergangenen Sonntag schockierten viele. Fünf Minuten waren in der Partie zwischen SC Rapid Lübeck III und SV Schackendorf II noch zu spielen, die Gastgeber führten klar mit 6:0 und hatten den Sieg in der Kreisklasse C vor Augen, doch aus Freude wurde Angst. Lübecker Spieler, Fans und Ordner wurden gejagt – auf ihrem eigenen Sportplatz. Anscheinend von „Gästen“ aus dem Kreis Segeberg (HL-SPORTS berichtete).
Videobeweise für Polizei und Verband
SCR-Jugendleiter Bernd Armbruster sagte schon direkt nach dem Spiel: „Ich habe ja schon viel gesehen, aber so eine Hetzjagd noch nicht.“ Nur durch die Polizei wurden die Streithähne gestoppt, gaben sich nach Augenzeugen nicht reuevoll. Ein vermeintlicher Angreifer wurde dabei gefilmt. Als dieser die Handykamera entdeckte, schlug er der jungen Frau, die die brutalen Attacken aufnahm und später der Polizei und dem Kreisfußballverband Segeberg (KFV) zur Verfügung stellte, das Smartphone aus der Hand. Sie hatte ebenfalls Angst.
Kleinkind weinte: Angst um Papa
Eine Lübecker Mutter beruhigte ihr weinendes Kleinkind, das Papa beim Fußballspielen zuschaute. Es wollte sich danach mit ihm freuen, auf dem Arm in Siegerpose über den Platz getragen werden. Statt Jubel gab es Schreie vor Angst. Angst vor den mutmaßlichen Gewalttätern, die in Lübeck anscheinend ihren Frust über die drohende Niederlage selbst nicht ertrugen, stattdessen zuschlugen, wie Augenzeugen berichteten.
Gastverein schwieg und kündigte stattdessen rechtliche Schritte an
Der SV Schackendorf gab sich am Sonntagabend noch wortkarg. Der Vereinsvorsitzende Stefan Christensen reagierte nicht auf mehrere Anfragen von HL-SPORTS, in der er zeitgenau informiert wurde, dass noch am selben Abend darüber berichtet werden würde – keine Antwort. Die kam nach der Veröffentlichung des Artikels, in dem der gastgebende Verein SC Rapid Lübeck, Augenzeugen und die Polizei zuvor zu den Geschehnissen befragt worden waren. Vom SVS-„Boss“ wurde um 22 Uhr gegenüber der Redaktion per Kurznachricht mitgeteilt, dass der Gastverein eine rechtliche Prüfung der Berichterstattung in Betracht ziehe. Danach wieder Funkstille. Auch der SC Rapid Lübeck suchte den Kontakt zum Vorstand des Sportvereins aus dem Kreis Segeberg. Ohne Erfolg.
Stellungnahme des SV Schackendorf: „Wir tun gut daran, nicht vorschnell zu urteilen“
Am Dienstag dann eine öffentliche Stellungnahme des SV Schackendorf auf der Vereinshomepage, in der man die Vorfälle vom Sonntag in Lübeck „bedauerte“ und mitteilte, in der „Aufarbeitung“ zu sein. Auch „Videomaterial“ wurde gesichtet. Dazu die Aussage: „Wir sprechen hier über ein Fehlverhalten von Menschen! Wir tun gut daran, nicht vorschnell zu urteilen!“ Und, dass die Berichterstattung von HL-SPORTS „in keiner Art und Weise gerechtfertigt und verfälscht nachweislich durch die einseitige Berichterstattung einiger Tatsachen“ sei. Zum Abschluss der möglicherweise „verdrehten Wahrnehmung“ sieht sich der SV Schackendorf anscheinend sogar in einer vermutbaren „Opferrolle“. Dazu heißt es: „Die durch diesen Pressebericht erzeugten Beleidigungen gegenüber unserem Verein, der Mannschaft und einzelnen Personen sind weit über das Maß des Erträglichen hinaus gegangen.“ HL-SPORTS suchte nach der Stellungnahme erneut den Dialog mit dem Schackendorfer Vereinsvorsitzenden, wieder ohne Erfolg.
Keine öffentliche Empathie, kein Erkundigen zum Zustand der Verletzten…?
Noch vier Tage später kann man es am Kasernenbrink nicht fassen. Armbruster war am Sonntag selbst vor Ort. Am Donnerstag sprach er ausführlich über die Vorfälle mit HL-SPORTS. Dabei ist ihm als erstes aufgefallen, dass in der Stellungnahme des SV Schackendorf kein Wort zu den Verletzten zu finden war. Der SCR-Jugendleiter sagt: „Das ist sehr traurig und hat mich schwer enttäuscht. Ein kleines bisschen Empathie hätte ich gut gefunden, stattdessen wollte man vermutlich schnell etwas veröffentlichen, um den Schaden vom eigenen Verein fernzuhalten. Das ist in meinen Augen voll danebengegangen. Wir haben drei Verletzte, darunter ein Spieler mit Gesichtsverletzungen. Er war am Sonntag stundenlang im Krankenhaus. Wir hoffen, dass er dieses Erlebnis schnell verdaut und gesund wird, wünschen von der gesamten “Rapid-Familie“ gute Besserung. Die anderen beiden Verletzten hat es zum Glück nicht ganz so schwer erwischt. Sie waren allerdings ebenfalls für einige Stunden im Krankenhaus. So eine Brutalität und Intensität habe ich noch nie gesehen und ich bin dem Fußball schon lange verbunden.“ Doch eines stieß ihm besonders bitter auf. „Die ganzen Kinder, die bei dem Spiel mit ihren Müttern als Zuschauer dabei waren, sind so verschreckt gewesen. Aber was soll ein kleines Mädchen denken, wenn der eigene Vater von einem fremden Mann regelrecht über den Platz gehetzt wird. Die aufgerissenen Augen dieses Mädchens habe ich gesehen und es waren nicht die einzigen verstörten und angstvollen Blicke, die es gab. Das müssen sich die Täter selbst vorstellen, wenn es ihre Kinder wären“, fuhr er fort.
Mutter sagte zu ihrem Kind: „Guck weg, guck weg“
In einem Video, das HL-SPORTS am Montag veröffentlichte, ist eine Mutter zu hören, wie sie ihrem Kind immer wieder sagte: „Guck weg, guck weg“, um den möglichen seelischen Schaden in Grenzen zu halten. Die Szenen vom vergangenen Sonntag werden vielen in schlechter Erinnerung bleiben. In Lübeck hofft man auf gerechte Strafen für die mutmaßlichen Täter.
Aufschrei in Sozialen Medien groß
Natürlich wurde nach so einem unfassbaren und abscheulichen Ereignis in den Sozialen Medien diskutiert. Die Kommentare waren: „einfach nur unglaublich… Ich würde einfach nicht mehr gegen sie antreten. Als gesamte Liga würde ich nicht mehr gegen sie spielen.“ „Sofort die Truppe abmelden! Gute Besserung an die Verletzten! Und jetzt an SV Schackendorf: Ihr wart immer ein sympathischer Verein und wir haben letztes Jahr gegen eure Zweite gespielt. Es war ein super faires Spiel und wir haben euch viel Erfolg in der Kreisklasse C gewünscht. Bitte reagiert dementsprechend! Ansonsten könnt ihr euren Ruf in die Tonne treten.“ „Ich habe sowas echt nur im Fernsehen gesehen. Dass Spieler und Spielerfrauen auf dem Platz gejagt werden, Kinder weinen, weil ihr Papa im Tumult steckt. Dass der Schiedsrichter vom Trainer und Spielern beleidigt und bedroht wird. Dass Ordner, die versucht haben, dazwischen zu gehen, mit Fäusten geschlagen werden, wobei ihm die Brille kaputtgeschlagen wird und er eine Platzwunde erleidet. Respekt an den Schiedsrichter, der seine klare Linie durchzog und gute Besserung an die verletzten Spieler.“ „Es war einfach die Hölle, sehen zu müssen, wie ein an sich gut gespieltes Fußballspiel ruiniert wurde! Spieler flohen, Fäuste flogen und sie haben selbst vor unserer Spielerfrau nicht haltgemacht!!!! Eine Schande für den Fußball-Sonntag, der immer auch ein regelrechter „Familien-Ausflug“ ist! Ich bin geschockt, wie sich „erwachsene“ Menschen so verhalten können.“ „Es wird wahrscheinlich wieder gar nichts passieren. Der Verband wird nie bei sowas durchgreifen.“…
Bildquellen
- Kinder: Lobeca
Gefällt Dir unsere journalistische Arbeit?
Dann unterstütze uns hier mit einem kleinen Beitrag. Danke.