Das Fallbeil der politischen Korrektheit

WM-Kolumne „Mein Ka-Tag“ von Wolfgang Stephan

Wow, mal wieder ein richtiger Skandal. Die deutschen Moralwächter sind empört, dabei geht es diesmal gar nicht um den angeblichen Schurkenstaat Katar. 30 Millionen Tonnen Flüssiggas aus Katar werden schon gern genommen. Da redet in Berlin erstmal niemand mehr über Menschenrechte. Aber jetzt geht es sogar ums Gegenteil. Das Fallbeil der politischen Korrektheit ist gnadenlos.
Eigentlich wird Ex-Fußballer Sandro Wagner als ZDF-Experte wegen seiner lockeren Sprüche und direkten Art geschätzt. Aber nicht, wenn er die Linie der deutschen Moralisten auf entsetzliche Weise verlässt:
„Vorhin habe ich gedacht, die ganze Kurve ist voller Deutschland-Fans. Dann habe ich erst gemerkt, das sind die katarischen
Bademäntel.”
Auf der nach oben offenen Richterskala der Gutmenschen ist das ein mittelschwerer Tornado, den Wagner beim Spanien-Spiel im Repertoire hatte. Oje.
„Rassistisch und ekelhaft.“ Die Empörung in den Online-Medien ist auch vier Tage danach immer noch groß. Das ZDF reagierte umgehend: „Sandro Wagners Aussage über den Thawb ist leider in einer emotionalen Phase des Spiels passiert. Das darf es nicht”, schrieb der Sender, und: „Wir werden das besprechen.“ Klingt nicht gut für Sandro.
„Rassistisch, große Güte“, sagt mein Freund Hasnain Kazim, der SPIEGEL-Erfolgs-Autor, der indisch-pakistanische Eltern hat und als Mahner gegen jede Art von Diskriminierung kämpft. „Vielleicht war das abfällig, respektlos, aber gewiss ist es nicht rassistisch, denn wer permanent mit diesem Begriff kommt, entwertet ihn und macht Kampf gegen Rassismus, wo er nötig ist, unnötig schwer.“
Und dann klärt Hasnain Kazim auf seine Art auf: „Und ja, natürlich sieht diese Kleidung aus wie das, was andere als Bademantel kennen.“ Er selbst trage gerne die Standardkleidung „Shalwar Kameez“ aus Südasien, ein weites, bis zum Knie reichendes Hemd und eine lockere Pluderhose.
Den Spruch, „na bist du in deinem Pyjama unterwegs“, höre er gelegentlich. Das sei je nach Kontext lustig, ironisch, zeuge auch von Ahnungslosigkeit, aber eines sei es nicht: „rassistisch.“ Sein Rat: „Der Welt, also uns allen, wäre sehr geholfen, wenn wir nicht in jedem Wort immer das Schlimmste annähmen und anderen Menschen immer die übelsten Gedanken unterstellen.“
Also, Sandro, bleib locker. Und ertrage es, wenn sich die Araber mal über deine Kleidung despektierlich zeigen: Du hast schließlich bei einem Klub gespielt hat, bei dem sie komische kurze Lederhosentragen.

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