Sind wir doch ehrlich. Die Europameisterschaft in Frankreich ist im Großen und Ganzen eine Enttäuschung. Selbst St. Pauli-Coach Ewald Lienen reißen die Spiele nicht vom Hocker. Zitat: „Die Vorrunde war langweilig…“ Ich schließe mich dieser Meinung an. Wenn man dann auch noch Portugal sieht, kann man fast nur zu dem Entschluss kommen, wer mit dem Minimalprinzip ins Halbfinale kommt, der holt den Titel. Vier Remis und ein Sieg reichten dazu. Unglaublich. Bitte nicht!
Aber das war ja noch das kleine Belgien, das einfach Spaß machte. Um den Geheimfavoriten hatte ich noch in der ersten Partie etwas Sorge – sollte ich mich doch getäuscht haben? Doch es war wohl nur die Taktik der „Roten Teufel“, denn sie begeistern die Fans (wie mich) und spielten einfach attraktiven Fußball. Ungarn hatte das Nachsehen und gestern Abend ging es wieder los, wie die Feuerwehr. Doch es kam dann doch alles ganz anders…
Keine Viertelstunde gespielt – zack, da haut Nainggolan die Pille in den Winkel. Taktisch einfach klasse, ließ das Team von Belgien-Coach Marc Wilmots danach erstmal nichts mehr anbrennen. Wales quasi ohne Chance, wie schon die Ungarn im Achtelfinale. Nach einer knappen halben Stunde war ich dann auf dem walisischen Auge wieder wach. Kurz danach eine seltsame Situation bei einer Wales-Ecke. Wie in der Schlange an der Supermarktkasse versammelten sich Kapitän Williams und zwei andere Insel-Kicker vor dem belgischen Kasten. Komisch sah es aus und dann der Schock – ich war entsetzt! Williams erzielt den Ausgleich per Kopfball. Sollte ich mich doch so irren?
Wir erinnern uns: Bisher hat mich das Turnier nicht von der Couch gerissen. Eine leichte Nervosität war in mir zu spüren. Noch zehn Minuten bis zur Pause. Meine Sympathie für Belgien stieg weiter an; hatte ich sogar auf unseren Landesnachbarn im EM-Tippspiel der "MeinLÜBECK"-App getippt. Ok, Halbzeit 1:1 – es sind ja noch mindestens 45 Minuten Zeit. Kurze Pause.
Belgien nach dem Seitenwechsel wieder spielbestimmend. „Das sieht gut aus“, dachte ich und dann aus dem nichts das 2:1 durch Robson-Kanu mit dem Führungstreffer des Außenseiters. Danach wieder Spiel auf ein Tor und was passierte fünf Minuten vor dem Ende? Der Abpfiff für die Belgier, als Vokes meinen Traum platzen ließ.
36 Jahre nach dem 2. Platz von Rom ist die Nummer wieder durch. Wales feiert und freut sich nun auf Portugal. Wer den Geheimfavoriten mit 3:1 ausschaltet, hat es sich verdient. Natürlich etwas ungewöhnlich, dass Wales nun zu den großen Fußball-Nationen des Kontinents gehört, aber nun sei es drum. Was das wird…? Und wir dann im Finale?
Bevor es soweit ist, muss Deutschland aber heute Abend um 21 Uhr gegen die anderen Minimalisten bestehen. Italien, immer frei nach dem Motto „hinten dicht gemacht und vorne hilft der Papst…“, ist zu packen, doch wird es der bisher größte Brocken für Löw & Co. Die Anspannung steigt schon wieder!