ELF: Tanz auf dem Drahtseil – Hamburg Sea Devils mit finanziellen Problemen?

Katastrophale Ergebnisse, Gerichtsverfahren und keine Angabe zu Stadionmieten

Blick aus der nordwestlichen Ecke des Volksparkstadion auf die Südtribüne. Bedeckter Himmel beim Spiel der Sea Devils. Foto; Lobeca/Roberto Seidel

Hamburg – Die European League of Football (ELF) beendet in rund einem Monat ihre vierte Saison auf Schalke. In der Arena des Fußball-Zweitligisten läuft es auf ein Championship Game zwischen Rhein Fire und den bisher ungeschlagenen Vienna Vikings hinaus. Die Österreicher scheiterten im vergangenen Jahr im Halbfinale am späteren Endspielverlierer Stuttgart Surge. Die Schwaben sind in diesem Sommer allerdings erneut gut drauf und haben ebenfalls gute Chancen auf das große Finale. Im vergangenen Februar waren bereits für das Saison-Highlight 40 Prozent der Tickets (zwischen 40 Euro und 299 Euro) verkauft. Dabei war die erste Partie noch gar nicht gespielt. Gelsenkirchen kann sich also auf die “Football-Family“ freuen, wie die Fans der amerikanischen Sportart oft von Liga-Commissioner Patrick Esume betitelt werden.

Franchise sind keine Sportvereine

Der 50-Jährige “Coach“ hat sich allerdings gerade in der vergangenen Woche Luft verschafft. Der Druck auf den “Nachbau“ der NFL wird nicht kleiner, denn die Qualität entspricht teilweise dem Niveau von Amateuren. Profi-Liga? Nicht wirklich. Die Spieler haben meist Mini-Jobs, denn ein Team ist kein Sportverein, sondern ein Franchise, also ein Unternehmen. Wie sich das widerspiegelt, zeigten viele Ergebnisse in der aktuellen Saison. Dabei war alles ganz anders geplant.

Der “Coach“ spricht

63:7, 62:9. 37:0 oder und andere hohe Ergebnisse sind keine Seltenheit. Der Unterschied bei den Teams ist teilweise exorbitant. Ein Abbruch-Spiel, weil die Barcelona Dragons nach einem Rückstand von 0:54 gegen die Munich Ravens den Platz verließen, gab es ebenso. Kein gutes Zeichen für eine Sport-Liga. „Das darf nicht passieren, dafür gibt es auch keine Entschuldigung“, so Esume in einem Interview mit “sid“. In der vergangenen Woche dann wieder die Spanier, die sich im Rückspiel bei den Bayern 0:90 abschlachten ließen. Esume danach: „Das läuft massiv schief, wenn du so eine Diskrepanz hast innerhalb einer Liga. Das hat damit zu tun, dass wir versuchen, im American Football den Transfer vom Amateurwesen zum Profitum hinzubekommen.” Für ein Fernsehprodukt ist das allerdings vermutlich zu wenig. ProSiebenMaxx überträgt die Spiele im Free-TV seit dem Start 2021.

Patrick Esume begrüßt die Fans in Lübeck. Foto Lobeca/Roberto Seidel

Trotz Problemen Zuschauerrekord

Für die gesamte Liga ist das eine Katastrophe, denn von der versprochenen Ausgeglichenheit und kontinentalem Spitzensport ist die European League of Football weit entfernt. In diesem Jahr probierte man es in großen Stadien. Mehr Fans, mehr Aufmerksamkeit. Geklappt hat das nur sekundär. Ein neuer Zuschauerrekord ist dennoch zu erwarten. 2023 Jahr wurden insgesamt knapp 430.000 Tickets verkauft. Zwei Runden sind in der regulären Saison noch zu spielen, dann noch die Wildcard-Spiele sowie die beiden Halbfinals und das Endspiel. Man dürfte zum ersten Mal die halbe Million-Marke überschreiten.

Flopp-Tour

Besonders am Standort des ELF-Hauptquartiers an der Elbe zelebrierte man die “Nord-Tour“ über Bremen, Lübeck, Hamburg nach Hannover. Der Zuschauerzuspruch hielt sich hier allerdings Grenzen. Die großen Arenen waren meist leer (im Schnitt 12.663 Fans pro Spiel), die Ausgaben dagegen üppig (geschätzte Kosten insgesamt für Stadionmieten über 400.000 Euro). Die sportlichen Erfolge luden zudem nicht dazu ein, sich den zweimaligen Vizemeister anzuschauen. Nur im Volksparkstadion sollen es 25.366 Zuschauer gewesen sein. Besucher schätzten die Zahl dagegen eher auf rund 18.000. Wenigstens der Hamburger SV bestätigte sein Geld bekommen zu Haben. Das scheint anderswo nicht ganz so klar.

Finanzielle Schwierigkeiten und offene Rechnungen?

Die finanziellen Herausforderungen der Hamburg Sea Devils scheinen inzwischen unübersehbar. Auf dieser besagten Nord-Tour spielten die “Seeteufel“ in verschiedenen norddeutschen Städten, doch die Mietzahlungen für das eine oder andere Stadion scheinen nicht immer fristgerecht erfolgt zu sein.

FC St. Pauli und Holstein Kiel in der Bundesliga: Wie beenden die beiden Nordclubs die Saison?

  • Beide Teams steigen ab (35%, 385 Votes)
  • Nur St. Pauli entgeht dem Abstieg (28%, 300 Votes)
  • Beide schaffen den Klassenerhalt (14%, 156 Votes)
  • Nur Holstein bleibt drinnen (9%, 102 Votes)
  • Ist mir egal (5%, 53 Votes)
  • Holstein Kiel wird Meister (3%, 29 Votes)
  • FC St. Pauli holt den Titel (3%, 28 Votes)
  • Nur St. Pauli schafft es in die europäischen Wettbewerbe (1%, 13 Votes)
  • Ich habe keine Ahnung (1%, 11 Votes)
  • Beide kommen ins Internationale Geschäft (0%, 4 Votes)
  • Nur Holstein bleibt qualifizierst sich für den Europapokal (0%, 4 Votes)

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Keine klaren Antworten

Weder aus Hannover noch aus Bremen gab es dazu eine offizielle Stellungnahme zu den finanziellen Details der Abwicklung auf Anfrage von HL-SPORTS. Der VfB Lübeck antwortete wie folgt zum Thema bezahlte oder unbezahlte Stadionmiete: „Wir möchten uns aktuell zu der Thematik öffentlich nicht äußern.“ Eine klare Antwort, ob die Sea Devils ihre Mietzahlungen pünktlich geleistet haben, sieht möglicherweise anders aus. Das wirft Fragen auf.

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Gerichtsverfahren in Hamburg?

Besonders brisant war wohl die Situation im Stadion Hoheluft des SC Victoria Hamburg. Dort trugen die Footballer in den Vorjahren ihre Heimspiele aus – dabei kam es laut Informationen von HL-SPORTS zu einem Gerichtsverfahren, um die ausstehenden Beträge einzutreiben – allerdings mit einer erheblichen Verzögerung von fünf Monaten. Der Verlierer zahlte zudem die kompletten Gerichtskosten. Auf Anfrage von HL-SPORTS, ob in der Vergangenheit alle Stadionmieten rechtzeitig beglichen wurden oder ob es bereits Mahnungen oder gerichtliche Auseinandersetzungen gab, antwortete Mark Weitz als General Manager der Sea Devils: „Sicher haben Sie Verständnis dafür, dass wir zu Vertragsinhalten grundsätzlich keine Auskunft erteilen.“

Umzug nach Rasen-Zoff

Die nächste Baustelle ist Hannover, wo die Verlegung des Spiels am kommenden Sonntag um 16.25 Uhr gegen die Cologne Centurions von der Heinz von Heiden Arena in das kleinere Amateurstadion (2.500 Zuschauer) vermeldet wurde. Der Grund für die Verlegung war der katastrophal hinterlassene Rasen im Stadion von Hannover 96 nach dem ersten Gameday der “Seeteufel“. Die Zweitliga-Fußballer waren entsetzt, da der Rasen danach nicht mehr zu gebrauchen war. Wie viele Tickets für die Begegnung am Sonntag bereits abgesetzt wurden, war am Freitag nicht bekannt.

Hannover 96 „bat“ um Spielortwechsel

„Die Entscheidung wurde nach vertrauensvollen und partnerschaftlichen Gesprächen auf Bitte von Hannover 96 getroffen, die aufgrund der hohen Beanspruchung des Rasens in der Heinz von Heiden Arena nach Spielen ihrer Profis, der U23 und des geplanten Spiels der Sea Devils eine weitere Verschlechterung der Platzverhältnisse vor dem wichtigen Nordderby gegen den HSV befürchteten. Dafür haben wir Verständnis und dem Vorschlag zugestimmt, ins Eilenriedestadion umzuziehen. Wir freuen uns auf ein tolles Event mit unseren Fans in einem traditionsreichen Stadion und bieten Football zum Anfassen“, begründete Hamburgs General Manager Weitz den Umzug.

„Das Thema ist durch“

Ganz freiwillig war dieser jedoch anscheinend nicht, doch dem Tabellenschlusslicht in der “Western Conference“ blieb wohl nichts anderes übrig. Andere Töne gab es nämlich aus Niedersachsen: „Das Thema ist durch, die Zusammenarbeit mit dem Spiel beendet“, so Martin Kind, Geschäftsführer der Arena GmbH in Hannover gegenüber der “Neuen Presse“.

Es gibt Redebedarf bei den Hamburg Sea Devils. Foto: Lobeca/Andreas Hannig

Kurze Wege

In der kommenden Woche ist dann das letzte Spiel in diesem Jahr für die Sea Devils, dann im kroatischen Sibenik. Dort dürfte es übrigens keine Probleme mit Stadion oder Rasen geben. Vermieter ist der Erstliga-Fußballclub HNK Sibenik und der gehört der SEH Sports & Entertainment Holding GmbH. Geschäftsführer ist Zeljko Karajica, der gleichzeitig der Boss der European League of Football und der Hamburg Sea Devils ist. Kurze Wege…

Auswirkungen auf kleinere Vereine und die Zukunft der ELF

Besonders prekär sind solch Situationen für kleinere Vereine wie den SC Victoria Hamburg oder den VfB Lübeck, die stark auf pünktliche Zahlungen angewiesen sind. Eine Verzögerung oder gar ein Ausbleiben dieser Zahlungen könnte deren Existenz gefährden. So wirft das Ganze nicht nur Fragen über deren Zukunft der Hamburg Sea Devils auf, sondern auch über die Stabilität und Nachhaltigkeit der gesamten European League of Football.

Long-Covid-Verdacht

Während Corona startete die Liga neu. Mit Masken, mit Begrenzungen und mit viel Elan. Die Hamburger wurden zweimal Vizemeister. Jetzt der Absturz? Es wäre nicht der erste, denn schon die Istanbul Rams, Leipzig Kings, Helvetic Guards aus Zürich zogen ihr Team zurück – die Sachsen sogar mitten in der Saison. Wohin geht es mit der European Football-Family? Im kommenden Jahr wollte man 24 Teams an den Start bringen. Davon ist man weit entfernt. Ein Long-Covid-Verdacht liegt nahe.  

Weitz verspricht Analyse

In Hamburg versucht Weitz nach vorne zu schauen und meint: „Unser Fokus liegt auf dem Heimspiel gegen die Cologne Centurions, danach konzentrieren wir uns auf das abschließende Spiel der Saison 2024 gegen Madrid Bravos. Wir empfinden es als große Ehre, am ersten International Game in der Geschichte der ELF teilnehmen und unseren Sport und die Liga im kroatischen Sibenik vertreten zu dürfen. In der Offseason werden wir in verschiedenen Konstellationen die dann abgelaufene Saison analysieren, um unsere Lehren und Schlüsse daraus zu ziehen.“

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