Rostock – Die Nummer mit dem Sonderzug am vergangenen Sonnabend war beim F.C. Hansa Rostock anscheinend der Tropfen auf dem heißen Stein. Zumindest für fünf Aufsichtsräte des Drittligisten. Sie traten am Montag von ihren Ämtern zurück. Rainer Lemmer, Christian Stapel, Henryk Bogdanow, Frank Schollenberger und Immanuel Fuhrmann stehen dem Verein nicht mehr zur Verfügung. Das gab der Club bekannt.
Aufsichtsräte geben Erklärung ab
Das Pulverfass Ostseestadion steht kurz vor der Explosion. Lemmer, Stapel (beide neun Jahre im Aufsichtstrat), Bogdanow (acht Jahre), Schollenberger (vier) und Fuhrmann (drei) gaben eine Erklärung ab. In dieser heißt es wie folgt:
Hier wurde für uns eine rote Linie überschritten!
Wir sind ein ehrenamtlich tätiger Aufsichtsrat und verbinden mit unserem Engagement für den F.C. Hansa Werte wie Zusammenhalt, Fairness, Tradition, Weltoffenheit und Respekt gegenüber Menschen sowie sportlichen Gegnern.
Seit einiger Zeit beobachten wir eine Entwicklung, die uns mit Sorge erfüllt, die unsere Werte zunehmend in Frage stellt und unseren Grundkonsens eines gemeinschaftlichen Zusammenwirkens in solchen Strukturen unmöglich macht. Beispielhaft sind Ereignisse aus jüngster Vergangenheit wie eine Attacke auf einen Personenzug mit anreisenden Gästefans, rassistische Entgleisungen, Diskriminierungen und schlussendlich die gezielte Diffamierung eines Aufsichtsratsmitgliedes im Stadion.
Hier wurde für uns eine rote Linie überschritten! Wir wollen uns nicht schweigend mit dieser Entwicklung gemein machen, bitten alle Mitglieder, Fans und für den Verein tätige Personen einige Sekunden innezuhalten und das Geschehene zu reflektieren.
Wir danken unseren Kollegen im Aufsichtsrat, die die Entscheidung inhaltlich absolut mittragen und allen Mitarbeitern für ihr tägliches Engagement. Ebenso allen Mitgliedern und Sympathisanten, ehrenamtlichen Helfern und Unterstützern rund um den Verein.
Wir danken dem Vorstand für seine Arbeit für den F.C. Hansa einhergehend mit der Erwartung, den von uns initiierten Strukturveränderungsprozess abzuschließen.
Drei blieben übrig
Prof. Dr. Horts Klinkmann (Ehrenvorsitzender), Sebastian Eggert (2. Stellvertreter) und Martin Ohde bleiben in dem Gremium übrig, müssen nun neue Mitstreiter finden, die den Aufsichtsrat wieder auffüllen.
Videos verraten Täter
Zum Überfall auf den Sonderzug mit Fans von Rot-Weiss Essen gab es zum Wochenanfang weitere Erkenntnisse. Die Bundespolizei Rostock ist sich nach einem NDR-Bericht inzwischen sicher, dass es sich bei den Angreifern sehr sicher um Anhänger des F.C. Hansa handelte. Auffällige Kleidungsstücke und blau-weiß-rote Sturmhauben will man bei der Auswertung der vorliegenende Videos erkannt haben. Außerdem heißt es, dass erst die Steine flogen und dann erst die Notbremse im Zug betätigt wurde. Die “Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ)“ hatte zuerst vermutet, dass es sich bei dem Vorfall möglicherweise um ein “abgesprochenes Aufeinandertreffen“ gehandelt haben soll (HL-SPORTS berichtete). Die Ermittlungen laufen.
Polizei durchsucht Wohnung
Noch am Abend des Überfalls gab es eine Wohnungsdurchsuchung bei einem 20-jährigen Tatverdächtigen aus Nordwestmecklenburg, der bei dem Angriff auf den Essener Zug dabei gewesen sein soll. Laut Polizei wurde bei ihm Beweismaterial sichergestellt.
Stellungnahme des Vereins sehr dünn
Der Verein gab am Sonntag eine Stellungnahme ab, in der man darauf verwies, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar gewesen sei, „ob es sich bei den Angreifern um Fans des F.C. Hansa Rostock handelt“. Man verurteilte die Tat und distanzierte sich davon. So heißt es weiter: „Die Vereinsführung des FCH betont: Wer die Gefährdung anderer Personen billigend in Kauf nimmt, überschreitet ganz klar und deutlich Grenzen. Ein solches Verhalten muss und wird entsprechende Konsequenzen für die identifizierten Täter haben.“
Verein hat Gewalttäter nicht unter Kontrolle
In den Sozialen Medien sah man diese Stellungnahme teilweise als sehr dünn an. Viele Hansa-Fans fordern mehr Konsequenzen durch den Verein. Dabei waren die Rostocker Hooligans nicht zum ersten Mal negativ aufgefallen. Im Dezember des vergangenen Jahres randalierten sie in Paderborn. Im März davor überfielen sie eine Tankstelle auf der Rückreise aus Hannover. Im Vormonat zu dieser Tat verwüsteten Rostocker Fans die Toiletten beim FC St. Pauli. Beim Relegationsspiel zwischen Hertha BSC und dem Hamburger SV im Berliner Olympiastadion im Mai 2022 starb ein 55-jähriger Familienvater durch einen Rostocker (24). Dieser wurde der FCH-Szene zugeordnet und von einem Gericht zu dreieinhalb Jahren Haftstrafe verurteilt. Die Liste der Gewaltexzesse lässt sich mit weiteren Fällen fortsetzen.
Bildquellen
- Ostseestadion: Lobeca/Marcus Kaben
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