Dienstagabend, alles ist entspannt in der Redaktion – alle Zuhause. Dann gibt es die Nachricht: Der VfB Lübeck hat ein dickes Problem. Eine Million Euro innerhalb von 48 Stunden, sonst geht es in die dritte Insolvenz. Boah Leute, das musst du erst einmal einige Sekunden sacken lassen. Ich nehme euch einmal in meine vergangene Woche als Chefredakteur von HL-SPORTS mit und sage an dieser Stelle vorab ein riesiges „DANKE“ an mein Team. Ohne euch wäre das hier alles nicht möglich.
An die Arbeit
Sofort war klar: Lübeck ohne den VfB? Nee, das geht nicht. Das wäre für uns als Sportportal ungefähr so, als wenn in der Hansestadt nur noch sechs Türme sind, statt sieben. Was tun? Es war uns sofort klar. Wir wollen den VfB unterstützen! Dazu berichten wir fair und transparent über die Lage, heben uns die unangenehmen Fragen für danach auf. Volle Kraft voraus, eine Million zusammenzukratzen. Geschichte herauskramen, Pressemitteilungen verarbeiten, recherchieren und in die Zukunft blicken.
Bauchgefühl: Der VfB Lübeck bekommt das hin
Am Mittwoch eine spontane Redaktionskonferenz abgehalten, für und wider besprochen. Wie ist der aktuelle Stand? Geteilte Meinung zu Erfolg oder Misserfolg dieser Sammelaktion besprochen und ein Bauchgefühl meldet sich: Der VfB Lübeck bekommt das hin. Ein Testspiel besucht und Stimmung aufgenommen, einen extrem kurzfristig einberufenen Sponsorenabend der “Club der Hanseaten“ aufgearbeitet und vermeldet, dass zwei Stunden über 100.000 Euro eingebracht haben. Wow! Gespräche geführt und Meinungen eingeholt.
Die Kritiker
Donnerstag. Läuft! Die Grün-Weißen sind auf Kurs, es kommt Geld zusammen und die Frage: Geht es heute zum Amtsgericht und muss die Lohmühle verkauft werden? Antwort vom Verein: „Nein, wir schieben das“, weil es anscheinend funktioniert. Und immer wieder die Kritiker, die den Tod des Traditionsvereins wünschen. Spornt das noch mehr an? Ich denke ja.
Es geht um Menschen, um Familien
Am Freitag das große Bangen, denn es fehlen noch 155.000 Euro. Was ist mit dem Gehalt der Mitarbeiter, das am 1. Dezember auf dem Konto sein müsste. Solche Gespräche mit den Menschen, die Familie haben, stelle ich mir schwierig vor. An dieser Stelle einen ganz großen Respekt dem Einsatz der VfB-Familie. Gegen Mittag der nächste Zwischenstand: Nur noch etwas über 100.000 Euro und abends sogar nur noch knapp 70.000 Euro, die fehlen. Gute Nacht „Black Friday“, auch ohne schwarze Null – aber es wird klappen.
Alleine? Nein, gemeinsam, aber eben mit einigen Anderen
Der Start in mein freies Wochenende. Frei? Nix da, man muss am Ball bleiben und irgendwie medial unterstützen, weil man ja ein gemeinsames Ziel hat. Was mir ein bisschen fehlt, ist der Support, der von den anderen – oder hat man sich dort schon die Tapeten für das Stadion ausgesucht? Egal. Die Tradition ist groß und hat viele Anhänger. Jetzt braucht man Geld, denn sonst ist die Tradition ja weg. Sollte für jeden logisch sein. Traumtänzer sind jetzt nicht das, was man braucht. Man darf einfach nicht vergessen, dass der VfB Lübeck schon ein Leuchtturm des Fußballs für die Hansestadt ist. Das kann man gut finden oder nicht. In der Redaktion ist man im Helfermodus. Abends kurz vor dem Top-Spiel der 2. Bundesliga dann die Info: Jetzt fehlen nur noch 52.000 Euro, um eine dritte Insolvenz abzuwenden. Sonntag ist das Adventssingen: Es wird funktionieren.
Advent, Advent!
Der 1. Advent. Der Tag des Jahres für alle Grün-Weißen. Vom Aufsichtsrat bis zur E-Jugend und nicht zu vergessen: Handball-, und Tischtennis-Abteilung sowie Damengymnastik – die gehören auch zum VfB Lübeck. Singt sich der Club am späten Nachmittag zu einer Million Euro? Alle sind sich sicher, dass das passieren wird. Im Stadion herrscht gute Stimmung, es wird gesungen und gespendet und dann der Moment: „Wir haben es geschafft!“ Der Verein vermeldet, dass er die Millionen-Marke geknackt hat. Herzlichen Glückwunsch, eine tolle Leistung der Personen, die den Mist ausbaden mussten, den andere verzapft haben.
Das Gute wird siegen
Die Lohmühle bleibt grün-weiß. Doch jetzt wird umgeschaltet und die schon angesprochenen unangenehmen Fragen müssen kommen. Sehr gute Erklärungen sind nötig, transparent und ehrlich. Und dann? Stehen wir in einem Jahr wieder an der gleichen Stelle oder ist man nun geheilt von möglichen tiefen Gräben, Machtbesessenheit, Arroganz, Beleidigungen, Drohungen, Klüngelei und vor allem von Misswirtschaft? Diese Aufklärung muss kommen, denn sonst hat das Inferno der Angst und die Auf- und Ab-Gefühle in der vergangenen Woche nichts Gutes hinterlassen.
Wer die Suppe nochmal versalzen will, kann sie selbst auslöffeln
Am kommenden Sonnabend ist eine außerordentliche Mitgliederversammlung. Ursprünglich will man dort den restlichen Aufsichtsrat wählen. Der Vorstand sowie der neue Aufsichtsrat werden eine gute Agenda benötigen, um nach dem ganzen Stress für eine klare Linie zu sorgen. Ich persönlich glaube, dass er es schafft, alle auf den nun neu folgenden grün-weißen Kurs mitzunehmen. Und wer meint, dass er sein heimliches Süppchen schon wieder anfängt zu kochen, der sollte doch gleich aus dem Verein austreten und seinen eigenen Bums gründen.
„In der Krise beweist sich der Charakter“
Und eines noch: Ja, wir würden auch andere Vereine mit unserer Reichweite unterstützen und das haben wir in unseren inzwischen fast zwölf Jahren auch getan. Sei es, wenn es um Familien in Not oder Pachtverträge geht. Der inzwischen verstorbene Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte einst: „In der Krise beweist sich der Charakter.“
In diesem Sinne wünsche ich euch eine besinnliche Weihnachtszeit.
Euer Roland Kenzo
Bildquellen
- Lohmühle: Lobeca/Wolf Gebhardt
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