Malente – Mit dem deutschen Meistertitel bescherte sich Michael Schröder (Foto) einen weiteren Traum. Der Nationaltorhüter der Deutschen Mannschaft für Spieler mit einem geistigen Handicap (ID) gehörte in Malente zur Landesauswahl Schleswig-Holsteins. Diese holte am Ende den Titel nach einem 2:0-Erfolg gegen Sachsen-Anhalt.
Schröder sagte zu HL-SPORTS: „Ich war überwältigt, die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. Es ist schon was großes, den Großen Pot zu gewinnen. Schon im Halbfinale gegen den Rekordmeister NRW zu gewinnen, war schon eine Glanzleistung. Nach dem Abpfiff wusste ich schon, wenn wir die großen schlagen, dann dürften wir auch keine Probleme haben im Finale zu gewinnen. Ich habe an jedem Abend mit meiner Tochter Leonie-Sofi telefoniert und ihr erzählt, wie das Turnier lief. Als ich ihr sagte, dass Papa nun im Finale steht, hat sie sich sehr gefreut und wir haben zusammen am Telefon „Finale oho, Finale oho“ gesungen. Sie drückte mir dir die Daumen und sagte „Du packst das schon. Ich glaube an dich und hab dich lieb, Papa“. Mir kamen die Tränen vor Freude und sagte ihr, dass ich sie auch ganz doll Lieb habe. Nach dem Titelgewinn haben wir wieder telefoniert und uns sehr gefreut. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die an mich geglaubt haben, wie meine Familie und die Fans 1000 Mal Danke und die mich unterstützt haben.“
Zum Turnier:
Dass das Schleswig-Holstein-Team, trainiert von Sebastian Grätsch, soweit kommt und sich zu Hause den Titel sichert, damit hat kaum einer gerechnet. Auch die Einschätzung des Landesauswahltrainers zu einem möglichen Abschneiden seines Teams vor dem Turnier war eher zurückhaltend, zu stark waren in den Jahren davor die Teams aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen. „Wenn wir das Halbfinale erreichen, dann wäre es schon mal gut“, sagte Grätsch im Gespräch mit Tobias Kruse, dem kaufmännischen Leiter des Uwe Seeler Fußball Parks nach dem dritten Trainingslager in Malente. Das Team hat sich dort in den Monaten davor auf dieses große Turnier akribisch vorbereitet. Begleitet vom „Geist aus Malente“ reisten die Spieler einen Tag vor dem Turnierauftakt nach Schleswig ab, um an der offiziellen Begrüßung und der Gruppenauslosung teilzunehmen.
Die Grußworte an die angereisten Teams richteten der Bürgermeister von Schleswig, Herr Dr. Arthur Christiansen, der Präsident des RBSV, Herr Wolfgang Tenhagen, der Präsident des SHFV, Herr Hans-Ludwig Meyer, der Verantwortliche für den Leistungsfußball beim Deutschen Behindertensportverband (DBS), Herr Dennis Grädtke und der Leiter der Schleswiger Werkstätten, Herr Jan-Hendrik Schmidt. Die anschließende Gruppenauslosung brachte den Gastgeber, das Team aus S-H, als Gruppenkopf in die Gruppe A, den Rekordmeister und den „Angstgegner“ aus Nordrhein-Westfalen als Gruppenkopf in die Gruppe B. Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bayern gesellten sich zum Team S-H, Saarland, Hessen und Sachsen-Anhalt wurden in die Gruppe B zugelost. „Alle Gruppengegner waren mit uns auf der Augenhöhe“, resümierte Grätsch nach der Auslosung. „Derby gegen Mecklenburg-Vorpommern und Bayern zu Beginn… Wenn wir schlecht ins Turnier starten, dann kann es schnell einen negativen Lauf nehmen“, sagte Wolfgang Ehm, der das Team jahrelang betreut.
Der VfR Schleswig mit dem 2. Vereinsvorsitzenden und Fußballobmann Frank Plieckert begrüßte die Teams auf den zwei perfekt vorbereiteten Rasenplätzen des Vereins. Der SHFV organisierte das DFB-Fußballabzeichen für die kleinen und die großen Zuschauer. Im Rahmen einer Projektwoche halfen die Schülerinnen und Schüler der Lornsenschule aus Schleswig bei der Durchführung des Turniers mit. Um 10 Uhr wurden die ersten zwei Spiele durch die Schiedsrichter von Kreisfußballverbänden Schleswig-Flensburg (Olaf Sulimma, Janik Schneider und Peter Hansen) und Kiel (Schmill Helmut, Crone Janik und Möller Patrick) angepfiffen. Mit dem Sieg Schleswig-Holsteins gegen die Auswahl aus Mecklenburg-Vorpommern (6:1) startete die Grätsch-Elf ins Turnier. Im zweiten Gruppenspiel folgte die Ernüchterung: mit 0:3 verlor das Team S-H gegen die Auswahl aus Bayern. „Wir hatten viel zu viel Respekt vor den Bayern. Dazu noch zwei relativ frühe Gegentore bekommen und eigene 100%-Torchance zum Anschluss vergeben. Nach der Pause ein schnelles 3-0, danach war es nur wichtig nicht unterzugehen“, sagte Grätsch nach dem Spiel. Gegen Baden-Württemberg gelang die Wiedergutmachung: nach einem Rückstand drehte „die Horde“, wie das Team von Sebastian Grätsch angelehnt an die deutsche Nationalmannschaft liebevoll genannt wird, das Spiel und gewann dieses durch eine geschlossene Teamleistung mit 3:1. „Danach war uns klar, dass es schwer wird uns zu schlagen“, so Grätsch nach dem Spiel. Eine schöne Schiffstour auf der Schlei rundete den ersten Spieltag der Vorrunde.
Am dritten Tag wurden die letzten Spiele der Gruppenphase ausgetragen. Gegen Niedersachsen war „die Horde“ von Beginn an die spielbestimmende Mannschaft. Dem Gegner läuferisch und spielerisch überlegen, stand es am Ende 6:2 für Schleswig-Holstein.
Im Halbfinale traf man als Zweitplatzierter der Gruppe A auf den Angstgegner, das Team aus Nordrhein-Westfalen. Der Rekordmeister, gespickt mit den Nationalspielern, hat ebenso seine Hausaufgaben gemacht und den ersten Platz in der Gruppe B gegen alle Gegner behauptet. Vor dem Spiel gegen den haushohen Favoriten war die Ansage von Grätsch an seine Schützlinge klar: „Wir wollen uns nach dem Spiel alle in die Augen gucken und behaupten können, jeder hat alles gegeben!“ Von Anfang an war Nordrhein-Westfalen spielbestimmende Mannschaft aber Schleswig-Holstein verteidigte klug und konnte alle Angriffe abwehren. In der 15. Minute schlug die Stunde des gefährlichsten Torjägers des Turniers, Andreas Schneekloth: Der Spieler des VfR Minerva Kiel vollstreckte mit seinem unhaltbaren Torschuss, nach einer perfekten Flanke von Sultan Guschani von JSG Sandesneben, zum 1:0 für die Gastgeber. Der Rekordmeister um Trainer Uli Ollesch warf bis zur Pause nochmal alles nach vorne. In der zweiten Halbzeit rettete der Nationaltorwart, Michael Schröder, im "Kasten" der schleswig-holsteinischen Landesauswahl mit seinen großartigen Paraden den knappen Vorsprung über die Nachspielzeit. Damit war die Sensation perfekt: Schleswig-Holstein stand im Finale!
Das zweite Halbfinale gewann das Team aus Sachsen-Anhalt gegen Bayern in einem packenden Fußballkrimi mit 5:4 nach Elfmeterschießen. In den anderen Platzierungsspielen setzten sich die Landesauswahlmannschaften aus Mecklenburg-Vorpommern (Platz 7) gegen das Saarland (Platz 8) mit 14:0, Hessen (Platz 5) gegen Baden-Württemberg (Platz 6) mit 5:0 und Niedersachsen belegte den 9. Platz.
Am finalen Spieltag im Allee-Stadion in Schleswig ging es im Spiel um Platz drei als auch im Endspiel ums Ganze. Die Partien wurden dabei per Livestream übertragen und konnten von vielen Zuschauern im Internet mitverfolgt werden. Nachdem das Spiel um den dritten Platz mit einem Sieg der Auswahl aus Nordrhein-Westfalen gegen das Team aus Bayern mit 4:1 endete, kam es um am späten Vormittag zum Finale, welches vor rund 100 begeisterten Zuschauern vom Schiedsrichtergespann um Olaf Sulimma geleitet wurde. In der ersten Halbzeit war die Elf aus Sachsen-Anhalt um Trainer Steffen Winkelmann spielerisch leicht überlegen und erspielte sich einige Tormöglichkeiten. Mit 0:0 ging es in die Pause. In der zweiten Halbzeit kam es aufgrund eines Gewitters zu einer kurzen Spielunterbrechung. Nach etwa zehn Minuten wurde das Spiel wieder angepfiffen. Diese Spielunterbrechung nutzten die Schleswig-Holsteiner, um sich zu sammeln und gegenseitig zu motivieren. Mitten in der zweiten Halbzeit setzte sich Dennis Gollan aus Rendsburg auf der rechten Seite gegen zwei Gegenspieler durch und schoss das wichtige 1:0 für Schleswig-Holstein. Kurze Zeit später füllte Andreas Schneekloth sein Torkonto auf zehn Tore auf: Nach einer kurzen Hereingabe in den Strafraum zeigte er sein komplettes Fußballkönnen und schoss das entscheidende 2:0. Kurze Zeit später wurde das Spiel abgepfiffen. Der Jubel auf den Zuschauerrängen und auf dem Platz fand anschließend kein Ende: Schleswig-Holstein hat das Unmögliche möglich gemacht! „Wir wollten soweit wie möglich kommen, dass es dann am Ende der Titel wird, macht uns umso glücklicher!“, sagte der Co-Trainer der Landesauswahl-ID, Jan Müller. „Letztlich war der Teamgeist ausschlaggebend. Die Jungs konnten sich auf uns verlassen und dementsprechend haben sie alles gegeben was sie hatten“, lautete das Fazit von Sebastian Grätsch nach dem Turniersieg.
Die anschließende Siegerehrung mit der Übergabe von Medaillen, Urkunden und Pokalen wurde von RBSV-Präsident Wolfgang Tenhagen und SHFV-Geschäftsführer Jörn Felchner übernommen. Beide Verbände bedanken sich bei allen Unterstützern und Helfern für eine tolle Organisation und Zusammenarbeit.
Landesauswahl-ID 2016: Michael Schröder, Matthias Goldt, Sven Drömert, Andreas Säumenicht, Heino Pufahl, Lukas Prahm, Dennis Gollan, Lasse Goldt, Andreas Schneekloth, Jamie Speth, Sultan Guschani, Sascha Fiedler, Tom Jürs, Dennis Juhnke, Marcel Brammen, Lulzim Rama, Marcel Woyast, Pierre Petersen.
Landesauswahltrainer: Sebastian Grätsch; Co-Trainer: Jan Müller; Betreuer: Wolfgang Ehm; Athletiktrainer: Jens-Oliver Mohr.