Lübeck – Noch Minuten nach dem Schlusspfiff saß Sebastian Wenchel einsam und auch eine Spur fassungslos auf der Trainerbank. Gerade erlebte der Coach mit, wie sein SC Rapid im einzigen Spiel des Ostersamstages (Rapid stimmte dem kurzfristigen Terminwunsch Groß Grönaus zu) eine fast schon peinliche 1:2 (1:0)-Niederlage gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten über sich ergehen lassen musste. Eigener Anspruch und Realität klafften beim SC zumindest in diesem Spiel weit auseinander. Peter Geese als 1. Vorsitzender des SC Rapid Lübeck hatte es schon vor dem Anpfiff gewusst: „Groß Grönau hat uns noch nie gelegen.“ Doch genau so wie Geese ging fast ausnahmslos jeder Zuschauer am Kasernenbrink von einem Pflichtsieg gegen die Eintracht aus, die es bis dahin auf erst einen Sieg überhaupt gebracht hatte. Auch Wenchel war sich zur Pause noch sicher, dass es reichen würde: „Das ist schwere Kost heute, aber ich rechne mit einem 2:0 oder 3:0.“

Ein Trugschluss, dem am Kasernenbrink nicht nur fast ausnahmslos jeder Zuschauer, sondern – noch viel gravierender – auch das komplette Rapid-Team aufgesessen war. Es sah fast 80 Minuten lang tatsächlich nach einem Erfolg des Tabellenachten aus. In einem Kreisligaspiel auf allenfalls mäßigem Niveau wirkte die Lübecker Spielanlage ein wenig gefälliger als die des in seinen Möglichkeiten beschränkten TSV.

In der ersten Halbzeit gab es vier Szenen, die für Aufsehen sorgten. Nach knapp 20 Minuten hätten die Gäste in Führung gehen können, wenn Niklas Prüß auf Grund einer vermeintlichen Abseitsposition nicht zurückgepfiffen worden wäre. Diese Entscheidung   war sehr umstritten und sorgte noch längere Zeit für Gesprächsstoff.

Der zweite Höhepunkt gehörte den Platzherren, die in der 29. Minute zum 1:0 kamen. Und das mit tatkräftiger Unterstützung der Eintracht-Abwehr, die sich von Rapids Patrick Krüger im eigenen Strafraum narren ließ.

Es hätte nur drei Minuten später zum Ausgleich kommen können. Nach Freistoß Luca Jaworski setzte Niklas Prüß seinen Kopfball nur knapp neben das Tor.

Die letzte Aktion der ersten Hälfte hätte bei einem späteren Rapid-Erfolg als Schlüsselszene dargestellt werden können: Nach einem Schubser an Patrick Krüger sah Paul Faasch die Rote Karte. Durch Krügers theatralisch anmutenden Sturz wirkte die Entscheidung hart, war aber vertretbar.

Mit der knappen Führung und in Überzahl lagen alle Vorteile für die zweite Halbzeit auf Seiten des SC Rapid. Und Sebastian Wenchel hätte mit seiner Halbzeiteinschätzung wahrscheinlich Recht gehabt, wenn wiederum Patrick Krüger gleich nach der Pause aus kürzester Distanz das Grönauer Tor getroffen hätte.

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So aber verfiel die Heimelf in den Trott der ersten Hälfte und passte sich zunehmend der Groß Grönauer Spielweise an. Nach spätestens drei Kontakten hatten die Mannschaften den Ball wieder an den jeweiligen Gegner verloren, so dass von beiden Seiten nicht mehr viel erwartet wurde.

Dann aber kam die 76. Minute: Der Pfostenschuss von Timo Langhans ließ einen Ruck durch die Eintracht gehen, von dem ausgerechnet der SC Rapid allerdings nichts mitbekam. Nur drei Minuten später leitete mit Niklas Prüß Grönaus agilster Spieler die Wende ein. Auch das 1:1 war ein Geschenk; der aus fast 30 Metern direkt verwandelte Freistoß war haltbar. Dieser Gegentreffer aus der 79. Minute hätte als Strafe für die fahrlässige Passivität eigentlich genügen müssen. Der TSV Eintracht setzte der Demütigung keine 120 Sekunden später allerdings noch einen drauf. Nach einem langen Ball in Richtung SC-Strafraum nahm keiner Notiz vom links heranstürmenden Christian Kloock. Mit einem Schlenzer ins lange Eck mischte Kloock die Karten endgültig neu. Es hätte für die Wenchel-Elf noch schlimmer kommen können. Der lange Abschlag Marcel Spachs hätte Rapid-Keeper Marian Draguhn fast überwunden. Draguhn konnte den Ball gerade noch über die Latte lenken.

Die auf ganzer Linie enttäuschenden Gastgeber versuchten mit der Brechstange, wenigstens die Niederlage abzuwenden. Doch auch gegen neun Grönauer (verletzungsbedingt, das Wechselkontingent war ausgeschöpft) blieb der SC Rapid alles schuldig.

Trotz Fassungslosigkeit ließ es sich Sebastian Wenchel nach der Niederlage nicht nehmen, den Groß Grönauern zum zweiten Saisonsieg zu gratulieren: „Das war heute eine Sache der Einstellung. Bei uns war nicht allzu viel davon zu sehen. Das sah bei der Eintracht ganz anders aus, von daher dürfen wir uns nicht beschweren. Ich habe meinen Spielern vorher gesagt, dass wir noch drei Punkte brauchen, um völlig sicher zu sein. Es hat scheinbar niemand zugehört.“

Groß Grönaus Torschütze Christian Kloock: „Über diesen Sieg können wir uns einfach nur freuen. Es sah lange nicht gut für uns aus, aber unser Einsatz wurde belohnt.“

Auch Moritz Kappis als offizieller Mannschaftsverantwortlicher des TSV freute sich über das unerwartete Ostergeschenk, bremste aber sogleich jede Euphorie: „Wir werden jetzt nicht die Taschenrechner herausholen. Wir wissen, wo wir stehen und wo unser Platz im nächsten Jahr sein wird. Trotzdem: Solche Erfolge tun einfach gut! Wir werden uns erhobenen Hauptes aus der Kreisliga verabschieden.“

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