Lübeck/Hamburg – Es ist gerade mal zwei Wochen her, da rief der Schleswig-Holsteinische Fußballverband eine Arbeitsgruppe ins Leben, die sich aktiv mit Sportwetten und Spielmanipulationen im Amateurfußball auseinander setzen soll und auch präventiv eingreifen soll. Auslöser für die Aktion des SHFV waren die (sehr konkreten) Verdachtsmomente bei Oberliga-Spielen in Hamburg und die dort eingeleiteten Ermittlungen des Fußballverbandes.
Bereits in der letzten Woche veröffentliche HL-SPORTS an dieser Stelle die Recherchen von Dirk Becker, Dennis Kormanjos und Christoph Holzenkamp, die aufzeigten, dass Spielmanipulationen kein explizit Hamburger Problem sind.
Vielfach wird sich nun die Frage gestellt, warum Leute überhaupt Sportwetten abschließen und warum Sportler geneigt sind, Spiele zu verschieben. Diese und weitere Frage stellten die drei Autoren einer Frau vom Fach. Diplom-Psychologin Sarah Giffhorn ist als Verhaltenstherapeutin in eigener Praxis und in einer Reha-Klinik für Suchtmittelabhängige tätig. Dort begegnet sie häufig Menschen mit pathologischem Spiel- und Wettverhalten.
Hallo Frau Giffhorn, warum wettet man auf Sportereignisse?
Die meisten Menschen ergreifen gerne Gelegenheiten, bei denen sie davon ausgehen, rasch und leicht Geld zu bekommen. Bei Sportwetten hat man durch subjektives Wissen schnell das Gefühl von Kontrolle – im Vergleich zu zum Beispiel Lotto spielen. (Kontrollbedürfnis ist Grundbedürfnis von Menschen). Daher glaubt man, gute Gewinnchancen zu haben. Diese Wahrnehmung führt zu leichtsinnigen Investitionen von Geld in Sportwetten. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erklärt das Verhalten wie folgt:
„Die Verbindung mit allgemein anerkannten Freizeitinteressen, insbesondere bei Sportwetten, kann schnell zu einer Verharmlosung des Glücksspiels führen. Gleichzeitig erhöhen die eigenen Interessen den Spielanreiz, wenn man zum Beispiel Sportereignissen schon immer nahe stand und meint, aufgrund von speziellem Insiderwissen besondere Gewinnchancen zu haben.“
Wann spricht man von Spielsucht?
Kurz gesagt – wenn sich der Großteil des Gedankeninhaltes nur um kommende und vergangene Wetten, Möglichkeiten zur Geldbeschaffung zum Spielen und die Vorstellung/Träumerei von Gewinnen dreht, man deswegen andere wichtige Lebensbereiche (Familie/Job/Freizeit) deutlich vernachlässigt und man es wiederholt nicht schafft, mit dem Spielen/Wetten aufzuhören – trotz des Wissens um die negativen Folgen.
Den Wettgewinn vor Augen versucht ein Spieler absichtlich, sein eigenes Spiel zu manipulieren. Was steckt psychologisch gesehen hinter so einem Verhalten?
Die Aussicht auf einen finanziellen Anreiz, eine Belohnung, verhindert die Auseinandersetzung mit langfristigen Folgen. Im Gehirn gibt es ein sogenanntes Motivations- und Belohnungszentrum, welches das Verhalten steuert und in welchem zum Beispiel auch Suchtmittel wirken. Positive Erlebnisse führen zur Ausschüttung bestimmter Glückshormone, es kann sich eine Art Gier danach entwickeln, dadurch wird die Kontrollfähigkeit des eigenen Verhaltens vermindert und demzufolge rückt auch die Bewertung einer solchen Manipulation als „moralisch unangemessen“ in den Hintergrund.
Ist eine spezielle Altersklasse besonders gefährdet?
Generell sind die Personen gefährdet, die ihr eigenes (Fußball-) Wissen als sehr hoch einschätzen, eher impulsiv handeln und denken, das heißt wenig langfristige Konsequenzen abschätzen können, sowie – platt gesagt – viel Zeit und wenig Geld haben. Männer sind deutlich gefährdeter als Frauen. Ich vermute, dass eher jüngere Männer gefährdet sind, da viele Wetten über Internet laufen und die jüngere Generation mehr mit diesem Medium vertraut ist.
Interview: Dirk Becker, Dennis Kormanjos, Christoph Holzenkamp