Lübeck – Noch vor gut einem Jahr schien die Welt beim Lübecker Traditionsvereins in Ordnung zu sein. Zwar schloss man die Saison mit einem ernüchternden elften Platz in der Regionalliga Nord ab, aber man ging vor allem aufgrund der erfolgreichen Qualifikation für den DFB Pokal guten Mutes in die jetzt gerade abgelaufene Saison. Die Mannschaftsverantwortlichen Ramazan Yildirim und Ingo Popp holten neue Spieler an die Lohmühle, unter anderem Oualid Mokhtari, Sebastian Hauck und Salih Altin. Der Saisonstart allerdings misslang: Im Pokalspiel gegen Eintracht Braunschweig präsentierte man sich saft-, kraft- und ideenlos, mit nur zwei Siegen aus zehn Spielen misslang auch der Ligastart. Die Grünweißen waren am Tabellenende angelangt und die Stimmung im und um den Verein war ebenfalls im Keller. „Befeuert“ wurde dies von der sportlichen Leitung durch einen „Maulkorb“ für die Spieler, die Nähe zu den Fans wurde unterbunden. Erschwerend kam hinzu, dass Yildirim die Hälfte der Trainingszeit aufgrund seines Fußball-Lehrer-Lehrgangs nicht anwesend war und die Verantwortung auf Co-Trainer Serkan Rinal lag.
Den sportlichen Niedergang der Lohmühlen-Kicker quittierten die Vereinsmitglieder Ende Oktober im Schuppen 6 mit der Abwahl des Aufsichtsrates. Und auch der damalige Vorstand bekleckerte sich nicht mit Ruhm. Man beteuerte, dass die Lage zwar ernst, jedoch nicht hoffnungslos sei. „Es ist sehr eng, aber bis Weihnachten wird es wohl gehen.“ Diese Worte richtete Uwe Walter, Vorstand Finanzen, an die Mitgliedern.
Es ging nicht. Nur wenige Tage später meldeten Walter und sein Kollege Holger Leu beim Amtsgericht Lübeck Insolvenz an. Der Hamburger Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus übernahm das Kommando in Lübeck, auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung Ende November wurde in der Hansehalle ein neuer Aufsichtsrat gewählt, Ex-Präsident Dietmar Scholze übernahm den Vorsitz, ehemalige Spieler wie Rolf Oberbeck und Timo Neumann gehörten diesem Gremium nun an. Gemeinsam entrümpelte man die Lohmühle: So trennte man sich von Trainer Yildirim und vom Sportmanager Popp und übertrug die Verantwortung für die Regionalligatruppe auf das bisherige U21-Trainerteam Denny Skwierczynski und Wolf Müller. Serkan Rinal (bis dato Co-Trainer) übernahm das Kommando des Nachwuchses bei der U21.
Am 1. Januar 2013 um 9.00 Uhr wurde dann das Insolvenzverfahren eröffnet und der VfB stand als erster Absteiger in die SH-Liga fest. Sogenannte „Leistungsträger“ wie Mokhtari und Altin verließen den Club , langsam kehrte wieder Ruhe ein. Spendenaktionen spülten gutes Geld in die leere Kasse, die Fans spendeten einen Lottogewinn.
Nach und nach erarbeitete der Traditionsverein sich die Sympathien zurück und eine neue Mannschaft um die Mannschaft wurde berufen. Florian Möller, Thomas Schikorra, Andreas Propien und Patrick Schymura wurden vom Aufsichtsrat in den Vorstand ernannt. Skwierczynski spielte mit seiner Elf in Pflicht-Freundschaftsspielen um das Ansehen des Vereins und das mit großem Erfolg.
In zehn Spielen gab es sechs Siege, zwei Unentschieden und zwei Niederlagen. Auch wenn der eine oder andere Verein nicht in Bestbesetzung antrat, tat das dem Team, dem Verein und auch den Fans gut.
Spieler wie Henrik Sirmais, Andre Senger, Dennis Voß, Sascha Steinfeldt, Sebastian Heidel, Jan-Philipp Kalus, Lennard Koth, Aleksandar Nogovic, Nils Lange, Arnold Suew, Briant Albert und Jonas Toboll verlängerten ihr Engagement für die kommende SH-Liga-Saison. Stefan Richter wird im Sommer an die Lohmühle zurückkehren, bei Dennis Wehrendt fehlt nur noch die Unterschrift unter dem Vertrag, dann wird auch er wieder im neuen Trikot zu sehen sein. Aus der Jugend gibt es auch positive Signale, denn von der erfolgreichen A-Jugend, die den Sprung in die Bundesliga schaffen kann, haben bereits Alessandro Gottschalk und Paul Roelfs für ihr erstes Herrenjahr bei den Grünweißen unterschrieben. Zu den 16 bereits bestehenden Akteuren sollen sich noch vier dazugesellen. Welche das sein werden, wird sich in den kommenden Tagen entscheiden. Der Verbleib von Moritz Marheineke könnte noch klappen, ob aber zum Beispiel Markus Steinwarth bleibt ist eher unwahrscheinlich. Nedim Hasanbegovic wechselt zum ETSV Weiche.
Im Umfeld des Vereins wurden neue Initiativen gestartet und viele alte „verschreckte“ Gesichter sah man wieder häufiger auf der Tribüne. So steht mit dem „Club der Hanseaten“ zum Beispiel für jeden Fan die Möglichkeit, sich in Zukunft zu engagieren und mit einem kleinen Beitrag bereits „Sponsor“ zu werden. Man merkt, es tut sich permanent etwas rund um die Lohmühle.
Jetzt ist die Saison beendet und der VfB Lübeck darf durch die Zustimmung der Gläubigerversammlung am vergangenen Montag vor dem Amtsgericht in Lübeck einen schuldenfreien Neuanfang in der 5. Liga starten. Ungefähr 90.000 Euro stehen den knapp 60 Gläubigern zur Verfügung, die nun unter ihnen aufgeteilt werden. Der Lübecker Traditionsverein kann dann mit einer schwarzen Null neu starten.
Der eingeschlagene Weg muss ruhig und bedacht weitergegangen werden, dann ist die Liquidität und auch der Spaß am Fußball auf der Lohmühle wieder gegeben. „Forza VfB“ wird es dann wieder aus der Pappelkurve hallen und wer weiß: Vielleicht gibt es in einem Jahr schon wieder etwas zu feiern an der altehrwürdigen Lohmühle.