Lübeck – Sportlich läuft es bei den Frauen des TSV Siems. Nach acht Spielen liegt das Team von Tobias Minge und Maurice Maletzki auf dem dritten Platz, hat nur vier Punkte Rückstand auf den Spitzenreiter SSC Hagen Ahrensburg. Dank zweier Spiele weniger hat man die erste „richtige“ Meisterschaft in der Oberliga Schleswig-Holstein voll im Blick. Doch damit stellt sich erneut die Frage: Regionalliga – ja oder nein?
Tiefer Winterschlaf
Minge, der schon zu Zeiten des ehemaligen Cheftrainers Kambiz Tafazoli an dessen Seite arbeitete, bekam mit Maletzki einen exzellenten Fußballer an die Seite gestellt. Beide hatten und haben ein schweres Erbe angetreten, denn die Trennung vom bisherigen „Erfolgsmacher“ (aus persönlichen Gründen) hinterließ Narben im Team. Tara Brozi verließ den Verein, genauso wie Nicole Polensky. Betreuerin Sandra Reinke ging im Winter. Ob Patrick Thoms als Teammanager und Torwarttrainer Dennis Mauter über die Saison hinaus bleiben ist derzeit noch fraglich. Gespräche sind hier angekündigt. Ein wenig scheint man aber die Winterpause, trotz Corona, verschlafen zu haben. Ergebnisse in diesem Sektor fehlen bisher.
Neues Paar funktioniert
Das neue Team an der Seitenlinie blickt nach vorne: „Natürlich war es nach dem Ausscheiden von Kambiz nicht ganz einfach, da er die Mannschaft jahrelang erfolgreich trainiert hat. Der Übergang klappte meiner Meinung nach aber trotzdem sehr gut. Das liegt vor allem an der guten Kommunikation innerhalb des Trainer- und Funktionsteams“, so Minge. „Wir besprechen innerhalb des Trainerteams jedes einzelne Training und teilen uns dann auf. Wir achten hierbei darauf, dass sich unsere Übungen immer gut ergänzen. Die Kommunikation zwischen uns beiden läuft sehr gut und es bringt Spaß mit Maurice zusammen zu arbeiten. Auch an den Spieltagen hat jeder seine Aufgaben, wodurch jeder Trainer aktiv beteiligt ist. Anzumerken ist selbstverständlich, dass wir diesen Job nicht alleine machen. Unser ganzes Funktionsteam arbeitet wunderbar zusammen und dafür sind wir beide wirklich dankbar.“
Kader bleibt zusammen
Trotz der beiden Abgänge hat der TSV Siems eine starke Mannschaft. Mehrere Spielerinnen können variabel eingesetzt werden. Dennoch will und muss man langfristig denken. „Über jede Probespielerin würden wir uns freuen, weil wir einen größeren Kader anstreben. Wir sind mit potentiellen Neuzugängen in Kontakt und versuchen, auf dem relativ kleinen Frauenfußballmarkt im Norden, die eine oder andere talentierte Spielerin für uns zu gewinnen. Ein wirklich positiver Aspekt ist dennoch, dass der Kader so zusammenbleibt. Alle Spielerinnen haben Bock und es ist zu spüren, dass wir auf und neben dem Platz ein Team geworden sind“, so die beiden Coaches bei HL-SPORTS. Es gibt sie, die guten Fußballerinnen in der Region, doch trauen sie sich vielleicht gar nicht in Siems vorzuspielen. Das muss sich ändern, denn der Krumme Weg gilt als sehr gute Adresse im schleswig-holsteinischen Frauenfußball – noch.
Wo bleibt der Nachwuchs?
Dazu kommen gute Nachrichten, denn mit Sara Batchadji, Lina Hopp und Kira Ebert sind drei junge talentierte Spielerinnen an Bord, die den Sprung von den Mädchen in den Frauenbereich geschafft haben. „Ziel ist es, langfristig mehrere junge Spielerinnen, die in der Kooperation ausgebildet werden, in den Frauenbereich einzugliedern“, wie es heißt. Es geht also, dass junge Nachwuchsspielerinnen in Lübeck nach oben streben. Doch davon gibt es immer weniger.
Durchschnittlich kennt man in Siems sonst nicht
Die Winter-Vorbereitung am Krummen Weg hatte Höhen und Tiefen. Das Trainerteam beschreibt die aktuelle Situation wie folgt: „Wir starteten Mitte Januar mit den ersten lockeren Trainingseinheiten, um zu sehen auf welchem Fitnessstand die einzelnen Spielerinnen sich befinden. Die Intensität hat sich dann Woche für Woche immer gesteigert. Die Trainingsbeteiligung war leider durchschnittlich. Und natürlich hätten wir uns immer die volle Mannschaftsstärke gewünscht. Wie bei anderen Mannschaften hat auch uns die Pandemie begleitet, was zu kurzfristigen und vor allem vorsorglichen Absagen einiger Spielerinnen führte. Nicht zu vergessen sind kurzfristige Einsätze unserer Polizistinnen.“
Erst 3:1-Sieg gegen Werder Bremen II…
Testspiele standen an und nur eines wurde absolviert, das allerdings mit Bravour. Gegen das Regionalliga-Team von Werder Bremen gab es einen 3:1-Erfolg. Maletzki sagt: „Das war ein absolutes Highlight in der Vorbereitung. Umso erfreulicher war natürlich dann noch das Ergebnis. Die Mädels gingen in diesem Spiel an ihre Grenzen und man konnte sehen, dass sie das Spiel unbedingt gewinnen wollten. Auf dieser Leistung wollen wir als Mannschaft in der Rückrunde natürlich aufbauen. Ein großes Dankeschön geht auch noch mal an den Ex-Lübecker Arne Schriefer, mit dem wir das Spiel organisiert haben. Er ist aktuell im Funktionsteam bei der Mannschaft von Bremen tätig.“
…und dann eine Absage
Ein kleiner Rückschlag dann in der vergangenen Woche. Erst die Absage des Regionalliga-Vorletzten TSC Wellingsbüttel und trotz schnellen Ersatzes mit FSC Kaltenkirchen fiel diese Begegnung aus. „In diesem Fall musste aufgrund von verschiedenen kurzfristigen Absagen unsererseits das Spiel abgesagt werden. Das muss natürlich negativ vermerkt werden und wurde auch so mit der Mannschaft kommuniziert“, erklärt das TSV-Trainerteam.
Finanzspritze „Zusatz-Cups“
Bevor es in der kommenden Woche gegen den direkten Tabellennachbarn TSV Klausdorf geht, steht am heutigen Sonntag (13.2.) um 14 Uhr erst das „Meister-der-Meister“-Spiel bei IF Stjernen Flensborg an. Siems möchte ins Halbfinale, auch weil mit einem Sieg der Finanzspielraum für die Zukunft wachsen könnte. „Wir erwarten, dass wir an die Leistungen aus dem Werder Bremen-Spiel und den in den vergangenen Wochen stetig steigenden Trainingsleistungen anknüpfen können. Es sind also alle heiß auf das Spiel und wollen gewinnen“, sagt Maletzki.
Für die Regionalliga braucht „frau“ Geld
Es dreht sich dennoch alles um die Regionalliga – das große Ziel von „Tafazolis Erben“. Die Mannschaft will es und das Trainerteam will es, doch es wird ein schwerer Akt bis zur Meldefrist. „Das Thema reißt natürlich bei uns nicht ab. Aktuell klären wir die Möglichkeiten, da gerade auch der finanzielle Bedarf hoch ist. Es werden zur Zeit noch sehr viele Gespräche geführt, um eine endgültige Entscheidung zu treffen“, ist sich das Trainerteam einig. „Finanziell können wir nur von unserer Mannschaft sprechen. Natürlich gibt es viele Kosten, allerdings haben wir tolle Sponsoren und Unterstützer, die uns finanziell helfen und treu bleiben. Hierüber sind wir sehr dankbar. Gewinnprämien wie beispielswiese aktuell aus dem Integrationscup kommen noch mit dazu, allerdings sind diese nicht planbar“, ist die Aussage zu einem möglichen Aufstieg.
Verein sieht alle gleich an
Es scheint dennoch in eigener Hand. Ein „Vollblutmacher“ fehlt noch, denn es kann nicht das „Magath-Prinzip“ für den Siemser Frauenfußball gelten – Trainer und Manager in einer Person. Nachgefragt bei dem TSV-Vereinsvorsitzenden und Fußballabteilungsleiter Arcangelo La Ferrera sagt dieser zur Entwicklung in seinem Club: „Bei uns läuft es gut. Wir haben es geschafft, langfristig drei Frauenmannschaften zu installieren. Den größten Anteil tragen meine sehr engagierten Trainer der drei Mannschaften zusammen. Ich denke unser Geheimnis ist, dass der Frauenfußball beim TSV Siems den gleichen Stellenwert, wie die der Herren hat. Uns ist das Geschlecht egal und wir handhaben es für alle gleich. Einige Spielerinnen engagieren sich in den Jugendmannschaften des Vereins oder wie die 2. Frauenmannschaft, die ein freundschaftliches Verhältnis zu unseren 1. Herren pflegt. Jeder unterstützt sich gegenseitig. Wir sind zurzeit dabei, zusammen mit SV Viktoria 08 als Mitglied der JFV Lübeck, den Mädchenfußball in Lübeck etwas anzukurbeln. Natürlich versuchen wir so auch Lübecks Talente in der der Region zu halten und vielleicht die eine oder andere junge Dame langfristig für unsere 1. Frauen zu gewinnen.“
Sportstadt Lübeck abgehängt
Es fehlt an nachwachsender Qualität, denn Hamburg und Kiel bieten eigene Optionen wie SV Henstedt-Ulzburg in der 2. Bundesliga, Hamburger SV (Tabellenführer in der Regionalliga) und dessen Verfolger Holstein Kiel. Lübeck wirkt abgehängt. Das will man in Siems ändern, zusammen mit Viktoria. Nach Informationen von HL-SPORTS sind hier für die kommende Woche weiterführende Gespräche vereinbart.
„Todesurteil für den Frauenfußball“
La Ferrera weiß allerdings, woran es hapert: „Die Entwicklung im Frauenfußball in Lübeck sehe ich im Allgemeinen als eher schlecht an. Damit meine ich gar nicht den Frauenfußball als solches, die Entwicklung dort ist positiv. Sondern ich meine die Entwicklung im Mädchenbereich, da sind einfach zu wenige Mannschaften in unserer Region. Mit den Mädchenmannschaften des JFV Lübeck und Fortuna St. Jürgen sind nur fünf Mannschaften in Lübeck vertreten. Diesen Ansatz haben wir bereits vor über zwei Jahren in einer großen Runde angesprochen. Das kann und wird langfristig das Todesurteil für den Frauenfußball in Lübeck sein. Hier ist zwingend Handlungsbedarf. Da beziehe ich nicht nur den TSV Siems und die anderen Vereine aus Lübeck und Umgebung ein, sondern auch den Verband. Hier müssen neue Wege und Konzepte erstellt werden.“
Klare Aussage: „Der TSV Siems ist und bleibt ein Breitensportverein“
Nur, wenn hier an einem Strang gezogen wird, ist auch Frauen-Regionalliga-Fußball möglich. In Siems ist man Vorreiter. Noch am Anfang der Saison war zu hören, dass man dort jetzt hinmöchte. Das klingt nun etwas abgeschwächter. „Das ausgegebene Ziel war und ist erstmal die Meisterschaft in der Oberliga. Die Regularien sind eine Baustelle, auch nicht zu vergessen sind die Aufstiegsspiele, die dann gewonnen werden müssen. An den Hürden der Regularien für die Regionalliga arbeiten wir. Durch die Pandemie hat sich das alles etwas verändert, es gibt zur letzten Saison Änderungen, die noch mit den NFV und SHFV besprochen werden müssen“, so La Ferrera und weiter: „Geld ist immer ein heikles Thema. Der TSV Siems ist und bleibt ein Breitensportverein, mit einer eigenen Sportanlage und einer recht alten Bausubstanz, die ständig renoviert werden muss. Wir zahlen sämtliche Energiekosten, von dem Lichtschalter bis zum Platzwart selber, da bleibt am Monatsende nicht viel übrig. Für den Verein ist es nicht realisierbar 12.000 Euro bis 15.000 Euro für eine Mannschaft in der Regionalliga zu investieren. Wer sich zurückerinnert, weiß vielleicht noch, dass wir dieses Szenario vor einigen Jahren im Jugendbereich hatten. Wir wollen und werden den Verein nicht wieder in alte Zeiten verfallen lassen. Die 1. Frauen hat einen gewissen Etat, der vom Verein getragen wird. Dieser wird für die Regionalliga natürlich angepasst. Aber schon in den letzten Jahren der Oberliga haben die Verantwortlichen der 1. Frauen den Etat der Oberliga zum größten Teil über Sponsoren finanziert. Das wird sich in der Regionalliga leider nicht ändern. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere angesprochen, etwas zu unterstützen.“
Zwischen Regionalliga-Traum und Abstiegskampf in der Kreisklasse
Der Traum also schon jetzt geplatzt? Vielleicht ist das Thema Aufstieg am Ende für einen Verein der Größe eines TSV Siems dann doch zu ambitioniert. Ehrenwert, dass man den Gesamtverein sieht, doch das wird auf Dauer nicht helfen, im Konzert der Großen mitzuspielen. Ein Frauen-Team, das zu den besten des Landes gehört auf der einen Seite und auf der anderen eine 1. Herren, die in der Kreisklasse A auf Rang zehn dümpelt. Die Frauen wollen, der Verein kann eventuell nicht. Wo soll das enden? „Unser Verein arbeitet mit sämtlichen Kräften, um die Strukturen stetig weiterzuentwickeln. Leider wird es in der heutigen Zeit immer schwieriger, Menschen für ein Ehrenamt zu gewinnen. Da die Strukturen in den Mannschaften recht gut sind, streben wir vor allem eine Verbesserung des Umfeldes wie Sponsoring, Umbauarbeiten usw. an“, lässt La Ferrera wenigstens ein wenig Hoffnung. Fraglich nur, wie schnell solche Strukturen aufgebaut werden können. Die Mannschaft wird indes nicht jünger und der Nachwuchs lässt auf sich warten.