Das Problem zwischen Ultras, Hooligans und Polizei – wie lange geht das so weiter?

Erinnerungen an Daniel Nivel, der von Hooligans ins Koma geprügelt wurde

Polizeieinsatz beim Fußball. Archivfoto: Lobeca

Hamburg – Derzeit ist die Anspannung rund um die Stadien in Deutschland sehr groß. Zwei Parteien stehen sich gegenüber. Auf der einen Seite die Ultras und auf der anderen die Polizei. Die Fronten sind verhärtet, doch warum ist das so?

Ausschreitungen in Köln

Jüngste Zwischenfälle gab es nicht nur in der Bundesliga im Derby zwischen dem 1. FC Köln und Bayer Leverkusen, wo ein Ordner von Chaoten schwer verletzt wurde. Die Auseinandersetzungen begannen im Stadion, wo die verfeindeten Gruppen aufeinander losgingen – und endeten nach dem Abpfiff der Partie außerhalb der Arena.

Der Ort ist egal

Solche Szenen und andere ähnliche gibt es wöchentlich zuhauf. Das zieht sich bis in die Regionalligen hinunter. Das Phänomen ist nicht neu, allerdings aktuell schon extremer als sonst. Die Polizei muss ihrer Aufgabe nachkommen und solche Ausschreitungen unterbinden und strafrechtlich verfolgen.

Randale in Mannheim

In Hamburg ist es inzwischen ein Katz‘-und-Maus-Spiel zwischen aktiver Fan-Szene und den Behörden. Seit einigen Wochen eskaliert das auch an der Elbe. Im September des vergangenen Jahres gab es eine Auseinandersetzung zwischen Anhängern von Borussia Dortmund und des Hamburger SV. In Mannheim trafen beide Gruppen zufällig aufeinander. Grund war die Bahn, die eine Verspätung hatte. So standen sich knapp 300 Fußball-Reisende gegenüber und gingen aufeinander los. Die Polizei musste mit Schlagstöcken und Pfefferspray dazwischen gehen.

Rostocker tötet Hertha-Fan

Im Dezember 2023 eine weitere Orgie der Gewalt. Tatort war das Stadion des SC Paderborn. Auswärtsfans des F.C. Hansa Rostock griffen die Polizei an. Ein 59-Jähriger neutraler Zuschauer wurde die Treppe hinuntergestoßen. Der mutmaßliche Täter, ein 39-Jähriger aus Wismar, wurde ermittelt. Die Polizei führte gerade erst vor kurzem mehrere Wohnungsdurchsuchungen bei Hansa-Anhängern durch. Nicht, das erste Mal, dass Rostocker Fans straffällig wurden. Im Mai 2022 wurde Michael R. (55) von einem Hansa-Fan am Olympiastadion in Gesicht geschlagen. Der Berliner knallte mit dem Hinterkopf auf die Straße und verstarb einen Monat später im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Der Täter flüchtete und wurde per Öffentlichkeitsfahndung gesucht. Rund drei Monate später saß der damals 24-Jährige in Untersuchungshaft. Vor fast einem Jahr das Urteil: dreieinhalb Jahre Haft für ihn. Seine Revision wurde verworfen. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Leipzig (BGH) bestätigte das Urteil gegen den Rostocker im vergangenen Dezember.

Polizei schlägt zurück

Im Februar dieses Jahres wurde ein Zug von HSV-Fans, die vom Auswärtsspiel bei Hansa Rostock kamen, über sechs Stunden festgesetzt. Betroffen waren über 800 Anhänger der Rothosen. 400 Beamte waren im Einsatz, der bis nach 2 Uhr nachts ging. Dabei wurden sogar Super-Recognizer eingesetzt, die Menschen wiedererkennen können. Dabei wurden Video- und Foto-Techniken eingesetzt. 31 Tatverdächtige wurden dabei ermittelt, ein Erfolg für die Polizei, die wegen Landfriedensbruchs und Körperverletzung ermittelt. War das unrechtmäßig? Einige Politiker und HSV-Fanvertreter meinen ja.

„ACAB“ und kein Ende

Die Antwort der Ultras gab es im Volksparkstadion zum Heimspiel gegen SV Elversberg. Dort wurden große Fan-Banner mit den Aufschriften „ACAB“ („All Cops are Bastards“) und „Ganz Hamburg hasst die Polizei“ ausgerollt. Dazu ein weiteres, wo ein beschädigter Polizeihelm, aus dem Blut lief, zu sehen war. Einige Tage später führte das Landeskriminalamt (LKA) Hamburg eine Razzia in den Stadionräumen der Ultras durch und beschlagnahmte das Banner. Nächstes Heimspiel des Hamburger SV und wieder ein Vorfall. Dieses Mal wurde eine Polizeiuniform auf der Nordtribüne verbrannt. Erneut ermittelt die Polizei.

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Wettlauf zwischen Polizei und Hooligans

Wie lange das so weitergehen soll, ist noch nicht abzusehen. Doch womit diese steigende Eskalation zu tun hat, liegt auf der Hand. Die Europameisterschaft wird diesen Sommer in Deutschland ausgetragen. Die Ultras und Hooligans machen sich dafür bereit, doch auch die Polizei ist im Training dafür, will die eigene Durchschlagskraft beweisen. Ein Wettlauf also.

„Weil die Dinge sich dann komplett verselbstständigen, sich in rasender Geschwindigkeit radikalisieren…“

HSV-Trainer Steffen Baumgart äußerte sich sogar vor dem Spiel bei Fortuna Düsseldorf dazu, hofft auf Kommunikation zwischen den Parteien. In die gleiche Kerbe schlägt Cornelius Göbel, im Verein als Direktor Fans, Kultur und Identität tätig. Er sagte nun in einem Interview: „Ganz grundsätzlich darf es niemals zu einem Beziehungsabbruch in die eine sowie die andere Richtung kommen. Der HSV hat in seiner Vergangenheit schon schmerzlich die Erfahrung gemacht, was es bedeutet, keinen Zugang zu Teilen der Anhängerschaft mehr zu haben. Warum? Weil die Dinge sich dann komplett verselbstständigen, sich in rasender Geschwindigkeit radikalisieren und wir dann schnell in eine Situation geraten, in der wir z.B. keinen Einfluss mehr auf das Spieltagsgeschehen haben. Zuschauerteilausschlüsse bzw. Blocksperren sind nur ein mögliches Szenario. Gleiches gilt auch für unser Verhältnis zur Polizei. Auch hier haben wir die Aufgabe, möglichst strapazierfähige Beziehungen mit vertrauensvollem Austausch zu haben. Wir setzen darauf, dass auch in der Fanszene nun die Erkenntnis einsetzt: Hier steht gerade viel auf dem Spiel. Ab einem gewissen Punkt können wir die Privilegien nicht mehr aufrechterhalten, dann entscheiden andere. Wir werden alles daransetzen, an die Eigenverantwortung zu appellieren und daran zu erinnern, wie schnell die schwer erarbeiteten Privilegien verloren gehen können. Das sollte niemand riskieren wollen.“

Vereine mit großem Fan-Potenzial anfälliger

Das ist allerdings kein alleiniges Hamburger Problem, wie schon in Köln gesehen. Rostock, Schalke, Frankfurt, Braunschweig, München, Mainz, Nürnberg, Lübeck, Essen, Berlin, Oldenburg und viele mehr gehören ebenfalls zu den Orten, wo Vereine mit großem Fan-Potenzial vorhanden sind – und das ist nur ein kleiner Auszug davon.

Leben eines französischen Polizisten zerstört  

Die Frage ist, ob Hooligans und Polizei es zur Euro2024 so weit kommen lassen, wie am 21. Juni 1998 in Paris. An diesem Tage wurde der französische Polizist Daniel Nivel von Hooligans so schwer verletzt, dass der heute 69-Jährige, für sechs Wochen im Koma lag. Der zum Tatzeitpunkt 43-jährige zweifache Vater und Ehemann ist seitdem halbseitig gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen, auf einem Auge blind und kann nicht mehr sprechen. Er kann zudem nichts mehr riechen und schmecken. Das Landgericht Essen verurteilte ein Jahr später mehrere Hooligans, die auf den am Boden liegenden Polizisten eintraten und schlugen, zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und zehn Jahren wegen gemeinschaftlich begangener schwerer Körperverletzung bzw. versuchten Mordes. Nivel war mit zwei anderen Polizisten für eine Straßensperrung abgestellt wurden. Die deutschen Gewalttäter kamen und überfielen die Beamten. Nivels Kollegen entkamen der Gewaltarie.

Hoffnungen, aber wohl keine Lösungen

Die Probleme sind also nicht neu. Eine Lösung scheint nicht in Sicht. Und nicht nur die Hooligans sind schuld an der Geschichte. Es ist ein Abbild und ein Durchschnitt der Gesellschaft und wer glaubt, dass die Ultras und Hooligans einfach arbeitslose Schläger mit einer schlechten Kindheit sind, hat vermutlich nichts verstanden. Es sind Subkulturen, die sich als Parallelgesellschaften bewegen und doch mittendrin sind. Man kann nur hoffen, dass kein weiterer Mensch sterben oder schwer verletzt wird.  

Steigt der FC Hansa Rostock in die 3. Liga ab?

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  • Nein, Rostock steigt nicht ab (24%, 439 Votes)
  • Es reicht zum Relegationsplatz (19%, 342 Votes)
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  • Ich weiß es nicht (2%, 38 Votes)

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