Deutschland war einmal eine große Fußball-Nation. Doch jetzt hat sich die Nationalmannschaft zum dritten Mal in Serie vorzeitig aus einem großen Turnier verabschiedet. 2016 wurde bei der EM in Frankreich noch das Halbfinale erreicht, danach scheiterte die deutsche Mannschaft vor allem an sich selbst. 2018 und im vergangenen Jahr war der Sündenbock in Joachim Löw schnell gefunden, jetzt ist die Analyse etwas komplizierter.
Fakt ist: Das blamable Ausscheiden passt in Deutschland zu dieser Weltmeisterschaft. Alles Schlechte diese Welt vereint sich in Katar. Gut, dass das jetzt vorbei ist.
Ist es aber nicht. Eine Weltmeisterschaft findet auch ohne die Deutschen statt. Daran muss sich Fußball-Deutschland gewöhnen.
Das ist das Problem: In eineinhalb Jahren soll im Land wieder ein Sommermärchen geschrieben werden. Die Euro 2024 steht vor der Tür und der DFB vor einem Scherbenhaufen.
Nächste Woche soll es eine Krisensitzung geben. Wie 2018 nach der Pleite in Kazan. Weiter so, war damals die Devise. Mit Joachim Löw. Der versuchte den Umbruch mit harten Entscheidungen, drei seiner Weltmeister wurden degradiert, nach öffentlichem Druck holte er Thomas Müller und Mats Hummels zurück. Half auch nichts.
Sein Nachfolger Hansi Flick startete mit acht Siegen in Serie überragend. Der Hoffnungsträger war gekürt. Doch als dann die richtigen Härteprüfungen gegen Italien, Niederlande, Ungarn und England kamen, fehlten die Siege – bis auf das 5:2 gegen Italien wurde nicht mehr gewonnen. Als Alarmzeichen wurde dies nicht gewertet, Hansi Flick hatte schließlich mit den Bayern sechs Titel in Serie gewonnen, er werde es schon richten.
Ein fataler Glaube. Der nette Herr Flick hat in Katar vieles in die falsche Richtung gerichtet.
Taktische Fehler im Spiel und bei den Aufstellungen, fehlender Mut im Umgang mit seinen Stars, eine unsinnige Wohlfühlatmosphäre mit Spielerfrauen im Luxus-Quartier und offenbar wenig Durchsetzungsvermögen gegenüber der DFB-Führung, als es galt der korrupten Fifa die Stirn zu zeigen. Weiter so?
Hansi Flick hat recht, wenn er mit Blick auf die Ausbildung beim DFB beklagt, dass er keinen Mittelstürmer von internationalem Format hat. Aber den einzigen Torjäger, den er in letzter Minute in Bremen fand, lässt er nicht spielen.
Hansi Flick hat auch recht, wenn er die Qualität seiner Kicker benennt, von denen viele in Top-Vereinen spielen und ein Talent wie Jamal Musiala preist, ein fußballerischer Schöngeist, der die Poesie auf den Platz bringen kann. Aber ist ein Trainer nicht dafür verantwortlich, wenn diese Ansammlung von Top-Stars nicht funktioniert?
Er ist es. 2018 gab es nach dem WM-Aus keine ernsthafte Alternative zu Joachim Löw. Jetzt gibt es eine: Thomas Tuchel, Fifa-Welttrainer das Jahres 2021. Ein Unbequemer. Wie einst Jürgen Klinsmann, der 2016 für das Sommermärchen verantwortlich war.