Hamburg – Vor knapp einem Jahr saß Merlin Polzin schon einmal als Vertretung von Cheftrainer Tim Walter auf der Bank des Hamburger SV und war zusammen mit den ebenfalls am vergangenen Montag entlassenen Filip Tapalovic und Julian Hübner für die Mannschaft an der Seitenlinie verantwortlich. Der geschasste Headcoach Walter schaute von der Tribüne im Volksparkstadion zu, als es gegen Holstein Kiel ging. Der 48-Jährige sah nach einem Ausraster am 24. Spieltag der Vorsaison in Karlsruhe die Rote Karte und wurde für ein Spiel gesperrt. Hübner war zwar offizieller Trainer für das Nordduell der Rothosen, doch Polzin war ein wichtiger Teil davon. Die Partie endete damals torlos.
Zum ersten Mal als Verantwortlicher auf der Bank
Nun ist der 33-Jährige der erste Mann beim HSV und es ist wieder ein Nordduell. Es geht allerdings nicht zuhause ran, sondern beim F.C. Hansa Rostock, am Sonnabend um 13 Uhr im Ostseestadion. Polzin ist der Chef, sein Co-Trainer ist Loic Fave.
Torwart-Frage bleibt ein Geheimnis
So gab es am Freitag, ungewöhnlich für die Hamburger, einen Tag vor dem Spiel, die Pressekonferenz. Polzin meisterte sie, kam sehr sympathisch rüber und verriet dabei allerdings auch nicht allzu viel. Beispielsweise ließ er die Torwart-Frage weiter offen und wollte das Abschlusstraining abwarten, dass am Nachmittag stattfand. „Mir ist es wichtig zu betonen, dass wir eine fantastische Torhüter-Gruppe haben, die mit Sven Höh einen super Torwart-Trainer haben und der jeden der Torhüter permanent besser macht. Für mich und uns ist es wichtig, dass die Wertschätzung, die beide innerhalb der Mannschaft und natürlich auch von mir erfahren, im Fokus stehen. Wir besprechen natürlich erstmal alles intern mit den Jungs und der Mannschaft, bevor es dann nach Außen geht“, sagte Polzin. Das bedeutet, dass man sich überraschen lassen darf, wer dann an der Ostsee zwischen den Pfosten steht. Zuletzt ersetzte Matheo Raab den formschwachen Daniel Heuer Fernandes.
Tim Walter raus - musste das sein?
Schonlau in Rostock wieder im Kader
Ebenfalls noch offen ist die Rolle von Sebastian Schonlau. Der Kapitän ist die ganze Woche wieder im Training. Es scheint, als ob er fit wäre. Polzin trat auf die Bremse und meinte: „“Bascho“ kann wieder mit voller Intensität Fußball spielen. Er hat in dieser Woche einen richtig guten Fortschritt gemacht. Er ist für die Mannschaft ein ganz wichtiger Baustein. Dennoch wollen wir nicht nur das Spiel in Rostock, sondern die ganze Saison im Blick haben. Wir mussten lange genug auf ihn verzichten. Es geht darum, dass er uns für unsere Ziele fortan möglichst lange zur Verfügung steht.“ Der Kapitän selbst schätzte unter der Woche seine Chancen auf einen Kaderplatz schon für gut ein.
„In der Kabine herrscht ein Wir-Gefühl für den HSV und die Raute“
Sportvorstand Jonas Boldt ließ durchblicken, dass es eine Verunsicherung im Team gab, doch die scheint seit Polzin als Chef vorbei. Der Interimstrainer meinte dazu: „Die Mannschaft ist extrem intakt, die Jungs arbeiten fantastisch zusammen. In der Kabine herrscht ein Wir-Gefühl für den HSV und die Raute. Die Jungs versuchen viel, der Club liegt ihnen absolut am Herzen. Wir haben eine Gruppe zusammen, die einander einsteht und alles füreinander gibt.“
Weiter so, aber anders… ohne Zaubertricks
Dass es keine überstürzten Änderungen geben wird, hatte Boldt bereits am Montag klargestellt. Polzin ist der gleichen Meinung, wird keine Zauberei anwenden und untermauerte: „Es ist mir wichtig zu betonen, dass wir in den letzten Jahren unter Tim extrem viel Positives bewegt haben. Daran wollen wir weiter festhalten. Wir wollen als HSV für mutigen und überzeugenden Fußball stehen und den Ball haben. Das bleibt immer das Ziel. Es ist wichtig, an gewissen Stellschrauben zu drehen, um den Jungs ein Gefühl von Zugriff und Selbstvertrauen zu geben – besonders in Momenten, wenn der Gegner den Ball hat. Daran haben wir unter der Woche im Training, in Gesprächen und in der Videoanalyse gearbeitet. Es ist das Ziel, die richtige Balance zu finden.“
„Es geht um Zugriff, Selbstvertrauen und defensive Lust“
Zum Spiel in Rostock sagte er: „Wir werden wie gesagt keine 180-Grad-Wende vornehmen. Es geht darum, mutig und dominant aufzutreten. Wir wollen die Stellschrauben, an denen wir unter der Woche gearbeitet haben, auf den Platz bekommen: Es geht um Zugriff, Selbstvertrauen und defensive Lust. Wir treffen auf eine Mannschaft, die mit Mersad Selimbegovic und dem Kader extrem erfahren ist. Sie bringen eine interessante Mischung und Qualität in den Mannschaftsteilen mit. Darauf haben wir uns vorbereitet und werden gleich in der Gegneranalyse noch einmal die Szenarien, Stärken des Gegners und unsere Möglichkeiten besprechen.“
Sieg oder neuer Trainer?
Es wird spannend zu sehen, wie sich der Hamburger SV auf dem Platz geben wird und natürlich auch Interimscoach Polzin. Bei einem Sieg dürfte er wahrscheinlich ein weiteres Spiel bekommen. Ein Dreier ist dabei schon Pflicht, denn für den HSV und damit vor allem für Boldt geht es um den Aufstieg. Klappt es nicht, wird die Diskussion um einen Nachfolger schon mit dem Abpfiff weitergehen.