HSV: Warum sollte Tim Walter weiterhin Kredit bekommen?

Cheftrainer des Hamburger SV steht noch mehr unter Druck als sonst

HSV-Trainer Tim Walter. Foto: Lobeca/Norbert Gettschat

Hamburg – Irgendwann musste es ja passieren. Der Hamburger SV verlor nach 17 ungeschlagenen Heimspielen am vergangenen Sonnabend gegen den SC Paderborn. Die Serie ist gerissen und damit bröckelt zusätzlich die Fassade, die bisher von den schlechten Auswärtsergebnissen ablenkte. Während der HSV in der Heimtabelle mit sieben Siegen aus acht Partien auf Rang eins steht und 21 Punkte in dieser Saison holte, ist das Team von Tim Walter auswärts ein gerngesehener Gast. In dieser Statistik sind die Rothosen auf Platz zwölf, punktgleich mit Hansa Rostock und Schalke 04. Mit gerade mal einem Sieg und drei Unentschieden brachten es die Rothosen auf schlappe sieben Zähler bei Fernreisen. Das ist kurz und knapp zu wenig.

Abwärtstrend beim HSV

Insgesamt steht der frühere Bundesliga-Dino auf dem Aufstiegsrelationsplatz, vier Punkte hinter Spitzenreiter FC St. Pauli und dem Zweitplatzierten Holstein Kiel. Greuther Fürth ist mit 28 Zählern auf Rang vier, allerdings nur durch eine zwei-Tore schlechtere Differenz getrennt. Bis Platz zehn hinab, wo der nächste Gegner 1. FC Nürnberg steht, sind es nur vier Punkte Vorsprung. Die Tendenz der vergangenen Wochen ist ganz klar: Sie zeigt einen Abwärtstrend an.

Hilft wieder ein Schönreden?

Zahlen lügen nicht und auch wenn viele Experten sich immer wieder einreden, dass die Tabelle erst am 34. Spieltag entscheidend ist, müsste es jetzt in den Ohren von Aufsichtsrat und Vorstand ganz laut klingeln. Sportvorstand Jonas Boldt erlebte es schon viermal mit, wie es ist knapp zu scheitern. Zweimal gab es für ihn Platz vier und die vergangenen beiden Saisons klappte es in der Relegation zur Bundesliga nicht.

Walters Aufholjagd

Nimmt man nur die Entwicklung in der Walter-Epoche, war es im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit noch Rang zwei und am 16. Spieltag 2021 gar Rang acht. Danach startete die große Aufholjagd, die mit einer Enttäuschung im Relegationsrückspiel gegen Hertha BSC endete. Von daher ist der HSV voll im Soll, nichts für panische Aktionen in diesem Moment.

„Der Trainer muss weg“

Doch die Fürsprecher Walters werden leiser und vor allem weniger. Und in diesem Jahr weht dem Cheftrainer mehr Gegenwind ins Gesicht als je zuvor. Die Fans, die sonst in einer Überzahl waren, am Coach festzuhalten, schwinden von Woche zu Woche. Vor allem ärgerlich ist die Art und Weise, wie man mit Niederlagen umgeht. Und die Vergangenheit holt den ganzen Club derzeit ein. Dabei wäre nichts losgewesen, wenn man gegen die Aufsteiger mehr als einen realen Zähler geholt hätte. Das Pokal-Aus in der Hauptstadt aus der Vorwoche ließ das Fass überlaufen, da steuerte die Heimniederlage vom vergangenen Sonnabend nicht entgegen. „Der Trainer muss weg“, ruft inzwischen die Mehrheit, doch was würde ein Wechsel an der Seitenlinie bringen?

Der HSV braucht eine Aufstiegsgarantie

Weitergedacht: Welcher neue Trainer würde den Aufstieg garantieren können? Und diese Garantie braucht der Hamburger SV. Eine Liste der verfügbaren “Retter“ liest sich schon wie das “who is who“, doch wer passt von denen an die Elbe und würde es überhaupt machen wollen? Joachim Löw, Hansi Flick, Stefan Kuntz, Ralph Hasenhüttl, Lucien Favre, Urs Fischer und Enrico Maaßen sind aktuell ohne Job. Oder doch lieber einer mit einer HSV-Vergangenheit? Da fallen einem Ruud van Nistelrooy, Andre Breitenreiter und Felix Magath auf Anhieb ein. Diese beiden Listen lassen sich endlos fortführen.

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„Heute reden wir über solche Dinge nicht“

Allerdings ist zu bemerken, dass die “HSV-DNA“ seit der Ära Walter eine ganz andere ist. Das System ist gut, nur eben nicht perfekt und offensichtlich nicht aufstiegsreif. Der Umgang mit Medien ließ gerade wieder nach der 6:8-Niederlage im DFB-Pokal bei Hertha BSC aufhorchen. Im TV-Interview danach wollte Hamburgs Chefcoach keinen Klartext reden: „Heute ist Pokalspiel und das ist kein Ligabetrieb, von daher reden wir über solche Dinge nicht.“ Die Frage war, warum man die Fehler nicht abstellt. Die Quittung kam gegen Paderborn.

Das Warten auf die große Analyse

Vor dem letzten Hinrundenspiel am kommenden Sonnabend beim 1. FC Nürnberg wird es keine Veränderungen im Volkspark auf der Trainerposition geben. Das sollte so sicher wie das Amen in der Kirche sein, doch was passiert danach? Es wird eine große Analyse geben, doch dieses Mal wird es für Walter nicht reichen, zu sagen „wir sind der HSV und wir werden nächstes Jahr Bundesliga spielen“. Der 48-Jährige muss eine neue Platte auflegen, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Zudem läuft sein Vertrag aus und viele Argumente für eine vorzeitige Verlängerung liefert er aktuell nicht. Tipps nimmt er ebenfalls nicht an, denn viele Fans und Experten helfen ihm bereits mit Kommentaren und Meinungen, was an seinem System verfeinert werden müsste. Da ist Walter gradlinig und weicht nicht von seiner Philosophie ab. Das könnte ihn am Ende seinen Job kosten.

„Wir stehen immer wieder auf“

Will der HSV sich mit dem Abstand besten Kader der 2. Liga am Ende auf einem direkten Aufstiegsplatz sehen, muss entweder Walter sich etwas anpassen oder Boldt seinen Schützling vor die Tür setzen. Die nächste Alarmglocke sollte ein Satz aus der vergangenen Pressekonferenz schellen lassen. Walter meinte: „Wir sind schon so oft am Boden gelegen und wir stehen immer wieder auf.“ Wenn das weiterhin sein Argument ist, dürfte er sich auf ganz dünnes Eis begeben. Die Frage müsste wohl eher lauten: “Warum fällt man so oft hin?“ Fortsetzung folgt…

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