Im Hotel der großen Überraschung

WM-Kolumne „Mein Ka-Tag“ von Wolfgang Stephan

„Das Hotel in dem die Spieler und deren Familien untergebracht sind, fühlt sich gelegentlich wie ein entzückendes, von Eltern geführtes Sommercamp an“, berichtete der arabische Sender Al Jazeera aus Doha. Das war zu einem Zeitpunkt, an dem sich noch niemand für das Wyndham Doha West Bay Hotel so wirklich interessierte. Es ist eines von 78 Top-Hotels im Fünf-Sterne-Ranking in Doha, nicht ganz oben angesiedelt.

Aber das Wyndham hat etwas, was keiner der Mitbewerber aufweisen kann. Es beherbergt die WM-Überraschung schlechthin. Die Marokkaner. „Du hättest vor zwei Wochen kommen sollen, da gab es noch keinen Zaun“, sagte mir ein katarischer Polizist inmitten von Fans, die darauf warten, dass ihre Idole in den hinterm Zaun stehenden Bus steigen. Gut 150 Fans im roten Trikot mit Schals und Stiften ausgestattet, warten sitzend oder stehend geduldig auf ihre Idole. „Einer kommt immer“, sagt Ahmed, der bereits 14 Autogramme auf seinem sehr gebraucht aussehenden Block gesammelt hat.

Auf der anderen Seite des Komplexes stehe ich am Dienstagmittag am Haupteingang des Wyndham. Geschäftiges Treiben, denn das Hotel mit seinen über 1.000 Betten auf 40 Etagen lebt nicht nur von den Marokkanern. Ohne Zimmerkarte kein Eintritt. Claro. Die Fifa-Akkreditierung überzeugt dann aber doch. Vielleicht läuft mir ja irgendwie Walid Regragui über den Weg, den würde ich erkennen, den Trainer, der es geschafft hat, in zehn Tagen vom Nobody zum gefeierten Medien-Helden zu werden. Der ganz viel Pathos auf der Zunge trägt: „Der Trainer hat in der Halbzeit nicht gesagt, haltet durch, sondern: Es sind nur noch 45 Minuten, um Geschichte zu schreiben“, verriet sein gefeierter Torhüter Bono nach dem Portugal-Sieg.

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Die Hotel-Lobby des Wyndham schien einst groß zu sein, jetzt wird sie geteilt durch eine vier Meter hohe Wand. Dahinter die Heimstätte der Marokkaner, die tatsächlich ihre Familien mit im Hotel haben. Der Königlich-Marokkanische Fußballverband hatte vor der WM entschieden, dass die Familien einen Anspruch auf die Reise nach Doha haben. All-Inclusive im Wyndham.

„Wo wollen sie hin“, fragt mich ein Mittfünfziger mit Leckereien auf dem Tablett vor einem der Fahrstühle. „Am liebsten zu Walid Regragui“, sagte ich scherzhaft. „Das geht nicht“, sagt er mit französischem Akzent, „der ist ganz oben.“ Er meinte zwar die gesperrten Etagen, aber der Satz lässt sich auch anders interpretieren.

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