Hamburg – 2:0 aus Sicht des FC St. Pauli und 0:2 aus Sicht des Hamburger SV. Das 103. Stadtderby hat historischen Wert. Zum ersten Mal gewannen die Kiezkicker beide Duelle in einer Saison. Zudem war es der erste Auswärtssieg der laufenden.
„Mit wem soll ich tauschen?“
Einer kam schon in der 34. Minute: Marvin Knoll auf Seiten der Braun-Weißen. Er sagte nach der Partie: „Geil! Ich hatte zwar gehofft von Anfang an zu spielen, weil jeder weiß, dass ich immer alles gebe. Mit meiner Einwechslung habe ich versucht, Mentalität und Präsenz zu zeigen. Ich hatte schwere Zeiten, kenne aber meinen Wert und meine Stärken. Typen wie ich, sind in solchen Spielen immer gefragt. Wenn wir das dritte Tor gemacht hätten, wäre das Spiel vorbei gewesen. Ausgerechnet das erste Spiel beim HSV auswärts zu gewinnen – so ist Fußball. Jeder kennt die Tabelle und der Sieg muss Kraft geben, da müssen wir die Euphorie jetzt mitnehmen. Der Sieg ist einfach wichtig für den Kopf.“ Auf die Frage, warum er nicht das Trikot nach dem Spiel tauschte, meinte er: „Mit wem soll ich bei denn tauschen? Unser Trikot steht mir viel besser.“
„Ich habe einfach geschossen“
Kollege Matt Penney traf zum Siegtor fünf Minuten vor Knolls Einwechslung. Mit einem Sonntagsschuss am Sonnabend. „Ich habe erst am Spieltag erfahren, dass ich starte. Es ist ein unglaublicher Tag. Bei meinem Tor habe ich den Ball nach einer Ecke bekommen und einfach geschossen.“
Kapitän findet es „geil“
Kapitän Waldemar Sobota: „Das ist geil! Wir hatten am Anfang Glück und das hat viel Kraft gekostet. Nach dem 1:0 haben wir aber nicht mehr viel zugelassen und die Zweikämpfe angenommen.“
„Das hat keiner erwartet“
Daniel Buballa sah das Spiel so: „Der HSV hat das in den ersten 20 Minuten sehr clever gemacht, doch wir haben die Phase überstanden. Wir wussten, wir kriegen unsere Chancen und hatten Effektivität. Im Vorfeld hat das keiner erwartet und viel geiler geht es nicht, als hier die Auswärtsmisere zu beenden.“
Leibold sieht „gebrauchten Tag“
Bei den Rothosen war Katzenjammer angesagt. Tim Leibold resümierte: „Wir hatten am Anfang drei, vier Gelegenheiten, wo wir das Tor machen müssen, eine grandiose erste halbe Stunde und dann kommt St. Pauli einmal vors Tor und es klingelt direkt. Wir haben über das gesamte Spiel drei Schüsse aufs Tor bekommen und zwei davon waren drin. Wir hätten noch drei, vier Stunden spielen können und hätten kein Tor gemacht. Deswegen verlieren wir das Derby. Auch nach dem 0:1 haben wir nochmal Schwung gehabt, hatten zwei, drei Chancen, die nicht so zwingend waren, doch der Knackpunkt war das 0:2 vor der Halbzeit. Da haben wir die Köpfe ein bisschen fallen lassen. Wir haben uns für die zweite Hälfte viel vorgenommen, aber St. Pauli hat tief gestanden und wir mussten viele lange Bälle spielen. Sie haben es gut verteidigt. Das haben wir uns anders vorgestellt. Ein gebrauchter Tag.“
Harnik: „Man kann uns die Leidenschaft nicht absprechen“
Martin Harnik: „Wir sind überragend ins Spiel gekommen, haben die ersten 20 Minuten alles im Griff, müssen mindestens 1:0 oder 2:0 führen und haben dann Pech mit Latte und Pfosten oder den Abschluss nicht gefunden. Mit dem ersten Ballverlust geraten wir in Rückstand, was wir viel besser verteidigen müssen. Dann wollen wir weiter machen und bekommen mit dem gefühlt zweiten Torschuss das 0:2. Dann haben wir 60 Minuten die Oberhand, schaffen es aber nicht, richtig gefährlich zu werden. Wir hätten noch 90 Minuten weiterspielen können und es wäre kein Tor bei rum gekommen. St. Pauli hat leidenschaftlich verteidigt und wir haben, wie beim Handball, um den 16er rum gespielt und keine Lösungen gefunden. Das Derby ist für die Fans das wichtigste Spiel und bei einem 0:2 wirft dich das einfach aus der Bahn. Es tut mir sehr leid für die Mannschaft, die wirklich gut angefangen hat und auch für die Fans. Wir wollten es wieder gut machen vom letzten Jahr. Man kann uns die Leidenschaft nicht absprechen. St. Pauli hat verteidigt und sich in jeden Ball geworfen, wir dagegen haben gemacht, getan und geschossen. Gefühlt hatten wir 80 Prozent Ballbesitz. Wir dürfen einfach nicht 0:2 hinten liegen, wir müssen 2:0 führen. Daran muss man arbeiten.“
Derbyexperte niedergeschlagen
Louis Schaub, der die meisten Stadtderbys in Wien bestritt, sagte: „Es ist extrem schwierig und wir müssen nun 24 Stunden trauern, statt 24 Stunden zu feiern. Wir müssen es nächste Woche wieder besser machen und unsere Spiele gewinnen. Da müssen wir nicht auf andere schauen.“
Und das sagten die Trainer:
„Mit Herz und Seele verteidigt“
Jos Luhukay (St. Pauli): „Es war ein sehr intensives Spiel für beide Mannschaften. Der HSV hat das Spiel in der Anfangsphase verloren. Sie sind so gut gestartet und hatten so klare Chancen, während wir absolute Effektivität gezeigt haben, die wir bisher selten in der Saison zeigten. Wir mussten nach dem 2:0 in der Pause erst einmal durchatmen. Wir sind dann sehr gut in die zweite Halbzeit gestartet und hatten durch Marvin Knoll eine riesengroße Chance, die der HSV-Torwart sensationell hielt. Der HSV hatte danach mehr Spielanteile, aber wir haben mit Herz und Seele verteidigt, um das 2:0 zu halten. Für uns war es ein wichtiger Sieg, wenn man die Tabelle im Kopf hat. Gegen Osnabrück hoffe ich auf eine ähnliche Leistung. Dieter Hecking wünsche ich für die nächsten Monate viel Glück und dass er mit seiner Mannschaft seine Ziele erreicht.“
„Die Niederlage geht auf meine Kappe“
Dieter Hecking (HSV): „Danke an Jos für die letzten Worte und Glückwunsch an den Nachbarn. Das fällt mir heute schwer, denn der Frust ist groß. Wenn man zweimal das Derby verliert, ist das nie gut. Zur Analyse muss ich nicht mehr viel sagen. Wir hatten sehr gute erste 20 Minuten, müssen in Führung gehen. Dann kommt die erste Situation von St. Pauli und es war wieder eine Fehlerkette bei uns beim Gegentor. Trotzdem hatte ich das Gefühl, so wie das Spiel bis dahin gelaufen ist, dass uns das nicht abhalten kann, den Spielfaden wieder aufzunehmen. Das haben wir auch geschafft, hatten zwei, drei gute Halbchancen. Dann fällt das 0:2 und ich habe gemerkt, dass das ein Knock zu viel ist. Danach muss ich mir den Schuh anziehen, dass die Mannschaft den Spielfaden nicht mehr aufgenommen hat. Die Niederlage geht auf meine Kappe. Wir haben von außen versucht, Einfluss zu nehmen, aber das hat alles nicht gepasst. Für mich als Trainer war das ein gebrauchter Tag. Meine Jungs haben alle gegeben und viel Leidenschaft gezeigt. Sie wollte unbedingt gewinnen. Jetzt müssen wir und drei, vier Tage schütteln und die Häme und den Spott nehmen wir hin. Und dann werden wir unser Ziel verfolgen und der heißt Aufstieg.“
Runter auf Platz drei
In der Tabelle ging es für den HSV runter auf den dritten Platz. Der VfB Stuttgart gewann mit 2:0 gegen Jahn Regensburg und hat nun drei Zähler Vorsprung. Spitzenreiter Arminia Bielefeld kann am Sonntag sogar auf sechs Punkte davonziehen. Die Ostwestfalen haben Hannover 96 zu Gast.
Rauf auf Platz zwölf
Für den FC St. Pauli ging es rauf auf Platz zwölf. Die Kiezkicker haben nun vier Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge.
Polizei meldet vier Festnahmen
Die Fantrennung bei der An- und Abreise rund um das Volksparkstadion war fast erfolgreich. Eine Dreiviertelstunde vor der Partie durchbrachen St. Pauli-Anhänger eine Sperre und wollten den HSV-Block stürmen. Darauf wiederum machten sich Fans der Hausherren über die Westtribüne auf den Weg Richtung Gästekurve und schossen dorthin Leuchtspurmunition ab. Vier Verdächtige wurden von der Polizei vorläufig festgenommen. Rund 1.500 Beamte waren im Einsatz. Am Vorabend schon gab es einen Überfall von St. Paulianern auf eine Kneipe am Großneumarkt. Dabei wurden 22 Personen verletzt und mussten teilweise in einem Krankenhaus behandelt werden. Hier kam es zu sieben vorläufigen Festnahmen.