Hamburg – Wie schon auf den Tag genau vor drei Jahren hat der Hamburger SV am Dienstagabend vor 57.000 Zuschauern im Volksparkstadion das Endspiel im DFB-Pokal verpasst. Der Zweitligist unterlag dem Champions League-Anwärter SC Freiburg 1:3 (0:3). Drei Video-Beweise waren dabei mitentscheidend für das Ausscheiden gegen den Bundesligisten.
Kittel und Reis wieder in der Startelf
HSV-Trainer Tim Walter änderte die Siegeself von vergangen Sonnabend in der 2. Liga gegen Karlsruhe und setzte auf Sonny Kittel und Ludovit Reis, statt auf Mikkel Kaufmann und Faride Alidou (beide auf der Bank). Bei den Breisgauern startete Jonathan Schmid statt Lukas Kübler (krank). Die Gästefans zündeten zu Beginn der Partie Pyro und verwandelten ihre gefüllte Kurve in ein rotes Feuermeer. Kurios waren die Anfeuerungsrufe für Schiedsrichter Deniz Aytekin, als er beim Warmmachen an der Nordtribüne vorbeilief.
Die 1. Halbzeit: Zweimal VAR und ein „Todesfehlpass“ ebneten den K.o.
Hamburg begann forsch und mutig, erspielte sich die erste Torchance in der 5. Minute nach einer Flanke von Bakery Jatta, der in der Mitte Robert Glatzel bediente. Der Kopfball des 17-fachen Zweitliga-Torschützen flog allerdings rechts am Gehäuse vorbei. Ein Konter über Josha Vagnoman schloss Kittel (6.) kurz danach aus 17 Metern ab, doch Freiburgs Schlussmann Mark Flekken hatte damit keine Probleme. Der HSV agierte mutig und mit frühem Pressing. Die Freiburger brauchten eine Weile, um sich darauf einzustellen und kamen etwas überraschend in der 11. Minute zur Führung. Eine Ecke von Vincenzo Grifo auf den kurzen Pfosten wurde nicht optimal geklärt, so dass Nicolas Höfler eine Flanke in den Fünfmeterraum schlug. Die erwischte HSV-Torhüter Daniel Heuer Fernandes nicht gut genug und Nils Petersen köpfte aus sechs Metern ins Netz. Der Video-Schiedsrichter überprüfte den Treffer, da Roland Sallai im Torraum stand und entweder die Sicht für den Torwart behinderte oder gar im Abseits gestanden haben soll. Beides war nach seiner Meinung nicht der Fall und das 1:0 für den SCF zählte. Ein Schock für die Rothosen, die schon sechs Minuten später das 0:2 kassierten. Maßgeblich beteiligt war Heuer Fernandes, der beim Spielaufbau aus dem eigenen Strafraum Vagnoman schlecht anspielte. Sallai schnappte sich die Kugel und flankte auf Nicolas Höfler (17.), dessen Schuss aus 18 Metern Sebastian Schonlau ins eigene Netz abfälschte – Heuer Fernandes blieb dabei keine Chance. Traumstart für den Favoriten und eine mittlere Katastrophe für die Hausherren bahnte sich an. Deren Plan über den Haufen geworfen wurde. Die Chance zum Ausgleich hatte danach erst Sonny Kittel (26.), dessen Schuss im Strafraum abgeblockt wurde und Anssi Suhonen scheiterte im Nachgang aus acht Metern an dem rechten Fuß von Flekken und auch Jatta kam noch einmal heran, brachte das Leder allerdings nicht unter Kontrolle. Der HSV setzte nach und Jattas Schuss (29.) aus spitzem Winkel flog einen Meter am langen Pfosten vorbei. Die Breisgauer hatten die Partie danach mehr und mehr unter Kontrolle. Diskussionswürdig wurde es in der 33. Minute, als Nico Schlotterbeck ging im gegnerischen Strafraum zu Boden. Hamburgs Moritz Heyer war daran beteiligt, doch das Spiel lief zunächst weiter. Ein rüdes Einsteigen gegen Suhonen im Mittelfeld sorgte für eine Spielunterbrechung, die den VAR auf den Plan rief. Schiri Aytekin schaute sich die Szene zwischen Schlotterbeck und Heyer noch einmal am Monitor an und entschied auf Strafstoß für den Erstligisten. Das Video zeigte, wie Schlotterbeck auf dem Boden sitzend den Ball mit dem Kopf spielen wollte, Heyer dagegen wollte den Ball mit dem Fuß wegschlagen und traf den Freiburger dabei unglücklich am Kopf. Der Kontakt war da und die Entscheidung vertretbar. Vincenzo Grifo (35.) verlud Heuer Fernandes vom Elfmeterpunkt zum 2:0. Bevor es in die Kabinen ging, erzielte Suhonen auf der anderen Seite nach einem Pass von Vagnoman freistehend vor Flekken den Anschlusstreffer, doch dieser wurde aufgrund einer Abseitsposition des Finnen wieder zurückgenommen. Erneut meldete sich Benjamin Brand als zuständiger Video-Referee für dieses Halbfinale. 0:3 nach 45 Minuten – Walter war bedient.
Nach der Pause: Hamburgs Anrennen nicht belohnt
Zu Beginn der zweiten Hälfte wurde von den HSV-Fans ihre Nordtribüne mit Bengalos erleuchtet, doch der Rauch verflog schnell. Die Mannschaft der Heimfans versuchte weiter Druck zu machen, hatte fünf Minuten nach Wiederanpfiff die Chance dazu. Ein Kittel-Freistoß köpfte Jatta direkt vor Flekkens Füße. Auf der anderen Seite traf Wooyeong Jeong (54.) das Außennetz. An Tormöglichkeiten mangelte es beim Zweitligisten nicht, nur an der Ausbeute. Kittel (68.) hatte den nächsten Riesen und scheiterte an Flekken. Walter reagierte und nahm den enttäuschenden Reis vom Feld. Für ihn kam mit Mikkel Kaufmann ein weiterer Stürmer. Freiburg ließ den Zweitligisten bis zum eigenen Strafraum schalten und walten, der wirklich bemüht war, die Begegnung noch irgendwie zu drehen. Ein Suhonen-Solo (76.) wurde beim Abschluss gerade noch zur Ecke abgewehrt. Den Gastgebern fehlte meist der letzte Meter zum Erfolg. Zwei Minuten vor dem regulären Ende klappte es dann doch noch. Der eingewechselte Miro Muheim flankte auf den Kopf von Robert Glatzel, der wenigstens noch zum verdienten Ehrentreffer einnickte. In der 90. Minute hämmerte SCF-Einwechselspieler Ermedin Demirovic noch einen Fernschuss an den Pfosten und dann ging es in die Nachspielzeit. Hier hatten es die Freiburger nicht eilig und spielten auf Zeit. Aytekin ließ das nicht mit sich machen und verteilte noch einmal gelb an Noah Weißhaupt und packte noch einmal zwei Minuten Nachschlag obendrauf. Genützt hat es dem HSV nichts, denn es passierte nichts mehr.
Freiburger buchen Berlin als Erster
Die Reise nach Berlin am 21. Mai tritt nach diesem 3:1-Erfolg im Volksparkstadion der Sport-Club an – zum ersten Mal übrigens in der Vereinsgeschichte. Der Finalgegner wird heute Abend (20.4.) zwischen RB Leipzig und Union Berlin ermittelt.
Das Fazit: Eine Menge Power aber auch zwei Torwart-Patzer
Die ersten zehn Minuten hatte man das Gefühl, dass der Underdog dem Favoriten einen ganz schwierigen Abend bereiten hätte können. Diese Idee zerplatzte spätestens mit dem 0:2 mit einer unglücklichen Faustabwehr von Daniel Heuer Fernandes beim ersten und einem dicken Bock von ihm zum zweiten Freiburger Tor. Der HSV-Keeper, der seine Farben überhaupt erst so weit im DFB-Pokal brachte wurde zum tragischen Helden. Dazu die unglückliche Szene zum 0:3 von Moritz Heyer waren einfach zu viel. Die Hamburger verkauften sich trotz dieser Hypothek im gesamten Spiel sehr gut als Mannschaft, der am Ende auch ein bisschen das Quäntchen Glück fehlte. Die Weisheit „never change a winning team“ hat sich allerdings auch bewahrheitet, denn mit Sonny Kittel, der nur wenige Lichtblicke hatte und ein untergetauchter Ludovit Reis, stellte Trainer Tim Walter seine Startelf im Gegensatz zum 3:0-Sieg gegen den KSC um. Sicherlich ist die Enttäuschung bei den Hamburger Fans groß, doch man muss klar sagen, dass der SC Freiburg eben auch eine Liga höher spielt und eine souveräne Leistung ablieferte. Mut und Herz kann man den Rothosen dennoch nicht streitig machen. Sie haben ihr Bestes gegeben, doch das reichte eben nicht aus.
Die Stimmen nach der Partie
Christian Streich (Freiburg): „Der HSV spielt extrem mutig, sie variieren gut im Spielaufbau mit vielen Positionswechseln. Wenn du da alles mitgehst, dann kommst du ins Chaos. Das haben die Jungs sehr gut gemacht in der ersten Halbzeit. Da hatten wir richtig gute Balleroberungen. So ist auch ein Tor gefallen. Zweite Halbzeit war es schwierig, weil der HSV es weitergespielt hat und es gnadenlos durchzieht. Da mussten wir die eine oder andere gefährliche Situation überstehen. Am Ende war es kein unverdienter Sieg, aber der HSV hat uns alles abverlangt. Ich wünsche dem HSV weiterhin viel Glück, bald wieder in der ersten Liga zu spielen.“
Tim Walter (Hamburg): „Man hat heute gesehen, dass die effizientere Mannschaft das Spiel gewonnen hat. Am Anfang hatten wir durch Anssi und Bobby richtig gute Torchancen. Da hätten wir uns belohnen müssen. Dann gehen wir mit der ersten Standardsituation in Rückstand. Eine Unachtsamkeit im Spielaufbau sorgt dafür, dass wir 0:2 hinten liegen. Und dann kommt noch ein meiner Meinung nach sehr fragwürdiger Elfmeter. Du gehst mit 0:3 in die Halbzeit und weißt gar nicht warum. Wir sind beharrlich und weiter mutig geblieben. Die zweite Halbzeit wollten wir für uns entscheiden, haben uns aber leider etwas zu spät belohnt. Wenn das Tor früher fällt, dann wäre es vielleicht noch einmal eng geworden. Wir haben nie aufgeben. Das zeichnet uns schon die ganze Saison aus. Wir wünschen dem SC – gerade auch für’s Finale – viel Erfolg.“
Statistiken
Hamburger SV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Vagnoman (82. Muheim) – Reis (69. Kaufmann), Meffert, Suhonen (85. Chakvetadze) – Jatta (82. Alidou), Glatzel, Kittel
SC Freiburg: Flekken – Schmid (92. Sildillia), Lienhart, Schlotterbeck, Günter – Eggestein, Höfler – Sallai (64. Höler), Jeong (79. Haberer), Grifo (79. Weißhaupt) – Petersen (64. Demirovic)
Tore: 0:1 Petersen (11.), 0:2 Höfler (17.), 0:3 Grifo (35.), 1:3 Glatzel (88.)
Zuschauer: 57.000 (ausverkauft)
Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)
Gelbe Karten: Meffert (37.), Reis (48.), Kaufmann (74.), Heyer (91.) / Günter (57.), Höfler (63.), Schlotterbeck (72.), Weißhaupt (93.)
DFB-Pokal-Halbfinale
Hamburger SV – SC Freiburg 1:3 (0:3)
RB Leipzig – 1. FC Union Berlin (Mi., 20.45 Uhr)