„Ich habe das Gefühl, dass darauf eingeredet wird, dass sich niemand über die WM freuen darf“ – ein Satz von Joshua Kimmich am Vorabend des ersten Spiels der Deutschen gegen Japan. Na ja, ganz so schlimm wird das wohl nicht sein. Dachte ich.
Freude auf die WM. Das war unterschwellig das Motto bei der Volkswagen Media-Night am Dienstagabend auf der Dachterrasse eines Nobel-Hotels in Doha. Es ist Tradition, dass der DFB-Hauptsponsor zu einem Medientreff zu Beginn eines Turniers einlädt. So ziemlich alle der 150 akkreditierten Medienleute sind der Einladung gefolgt. ZDF-Kommentator Bela Rethy verkündete im Laufe des Abends, dass das seine letzte WM sein werde und Schreiber-Legende Hartmut Scherzer freute sich über seine 15. WM als Berichterstatter. Der Kollege ist 84. Es war wieder ein Abend, an dem es vor allem um eines gehen sollte: Fußball und Spaß. Oje.
Ja, es war vergnüglich und das lag nicht daran, dass es in der Nacht noch angenehm warm war und auch Bier und Wein serviert wurden. Einfach mal mit den Kolleginnen und Kollegen reden, die eigenen Positionen überdenken, neue Perspektiven finden. Vor dem Hotel feierten die Saudis mit den Kataris zusammen ihren Erfolg gegen Argentinien. Wahnsinn. Noch vor Jahren waren beide Staaten verfeindet. Fußball verbindet. In der Bewertung der skandalös agierenden Fifa waren sich alle einig. Gerne hätten wir mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf gesprochen, doch der hatte abgesagt, was ich angesichts der vernichtenden Kritik am Einknicken des DFB aus seiner Sicht sogar verstehen kann.
Und wie das so ist, je später der Abend, desto ausgelassener die Stimmung. Vermutlich haben sich viele Beteiligte erst am Morgen danach dabei ertappt, dass sie in Katar Spaß hatten. Mein Schlüsselerlebnis hatte ich bereits am späten Abend nach zwei Telefongesprächen in die Heimat. Poste bloß keine Fotos auf Instagram auf denen du bei einer Party in Katar zu sehen bist, so der deutliche Hinweis aus berufenem Munde. Das komme in Deutschland ganz schlecht an. Joshua Kimmich hat Recht. Ist das nicht furchtbar?
Vergeigt. An dieser Niederlage ist der Trainer entscheidend beteiligt. Es war keine gute Idee von Hansi Flick den zuletzt auch im Verein wenig überzeugenden Nico Schlotterbeck in die
Innenverteidigung zu beordern und Niklas Süle auf Außen zu stellen. Gerade als die Japaner mächtig Druck machten, war der gute Antonio Rüdiger als Schutzengel von Schlotterbeck
überfordert.
Dazu kommt die völlig überflüssige Auswechslung von Ilkay Gündogan nach 67 Minuten. Als er ging, lief alles aus dem Ruder. Nach dem Ausgleich durfte Mario Götze für den guten Musiala spielen, auch das war nicht sonderlich klug, denn Musiala war mit seinen Aktionen kaum zu halten für die japanische Defensive. Das Ergebnis war eine völlig unsortierte Mannschaft, die zuvor über 70 Minuten fast alles im Griff hatte.
Als der Gegner die Offensive verstärkte, wäre Sicherheit das erste Gebot gewesen. Wie schon gegen England in der Nations League schaffte es die deutsche Mannschaft nicht, aus einer
überzeugenden Führung einen überzeugenden Sieg zu erringen. Pech?
Ja, das auch, aber vermutlich ist es eine Frage der Qualität. Vorne fehlt ein echter Torschütze und hinten auf den Außenbahnen hat Flick keine Spieler von internationalem Format. Gegen Spanien geht es am Sonntag um alles oder nichts. „Wir haben die Qualität“, sagte ein ernüchterter Bundestrainer bei der PK. Seine Mimik ließ wenig Gutes ahnen.