Hamburg – Die Trennung von Timo Schultz beim FC St. Pauli fand nicht überall Anklang. Ganz besonders bei den „besonderen“ Fans, die auf ihre Familie schwören und mit „Schulle“ einen aus ihrer Mitte verlieren. Darum starteten sie einen Tag nach der Entlassung eine Petition bei “change.org“, die schon am zweiten Tag alle Erwartungen überschritt. Bis zum Mittwochabend unterschrieben bereits über 4.000 „Freunde“ des geschassten St. Pauli-Coaches. Für sie ist er eine „Identitätsfigur“, die wieder ins Amt zurückgeholt werden soll. „Wir fordern das die Kündigung von Timo Schultz und seinem Team zurückgenommen wird!“ Ein Fan schrieb als Kommentar: „Die Entscheidung ist fachlich, menschlich, moralisch falsch und widerspricht unseren Werten… und die ist die endgültige Enttäuschung über dieses Präsidium.“
Bornemanns verfehlte Transferpolitik
Aussicht auf Erfolg hat das Vorhaben trotz des großen Zuspruches vermutlich nicht, denn Andreas Bornemann sucht bereits nach einem Nachfolger. Dabei stand der Sportchef ebenfalls in der Kritik, muss sich auf die Fahne schreiben lassen, eine missratene Einkaufspolitik betrieben zu haben. Leistungsträger wie Guido Burgstaller und Daniel-Kofi Kyereh verließen den Kiezclub im vergangenen Sommer. Adäquater Ersatz wurde dafür nicht verpflichtet. Die Talfahrt war also vorprogrammiert, da half auch ein Derbysieg gegen den Stadtrivalen HSV nicht drüber hinweg.
Göttlichs Mahnung fand kein Gehör
Ende September schien bereits das Tischtuch zwischen Oke Göttlich und zumindest dem Trainer zerschnitten. Der Präsident vom Millerntor äußerte sich in einem Interview zur Tendenz der Mannschaft. Bornemann antwortete öffentlich und nahm die Schuld auf sich, warf sich vor den Chefcoach. Im „kicker“ sagte er: „Die Kritik hinsichtlich der sportlichen Entwicklung beziehe ich selbstverständlich auch auf meine Arbeit als sportlich Verantwortlicher – und dieser Kritik stelle ich mich.“ Am Trainer wollte er da noch festhalten.
“Er oder ich“?
Nun die Kehrtwende beim braun-weißen Manager, vielleicht auch ein Selbstschutz, denn möglicherweise war Schultz schon da bei Göttlich in Ungnade gefallen. Vielleicht war es auch die Frage “er oder ich“ oder “beide“. Anscheinend schlug sich Bornemann auf die Seite des Präsidenten, um seinen eigenen Job zu retten. Das Bauernopfer war Schultz, der 17 Jahre für den Verein in verschiedenen Positionen tätig war.
Zeit verschenkt
Der Zeitpunkt der Entlassung ist mehr als ungünstig gewählt. Vor dreieinhalb Wochen absolvierte der FC St. Pauli sein vorerst letztes Zweitligaspiel. 4:4-Unentschieden ging es beim Karlsruher SC aus. Dabei machte das Schultz-Team drei Rückstände wett. Schon direkt danach hätte man die Reißleine ziehen müssen, dann wäre man jetzt schon viel weiter. So verlor man wertvolle Zeit, denn am kommenden Freitag startet die Mannschaft in die Wintervorbereitung – und zwar ohne Cheftrainer.
Derby-Fluch am Millerntor
Den letzten Dreier gab es Mitte Oktober gegen den Hamburger SV. Der „Derby-Fluch“ hat den Club danach ereilt, übrigens nicht zum ersten Mal – und damit auch Schultz. Tabellenplatz 15 ist für den Herbstmeister der vorangegangenen Saison nicht zufriedenstellend. Der Absturz in die 3. Liga droht sogar, denn die Kiezlicker sind punktgleich mit dem Vorletzten 1. FC Magdeburg. Bornemann steht nun unter extremen Druck. Er muss jetzt einen Nachfolger finden, der sich das beschädigte Konstrukt antut und den Karren aus dem Dreck zieht. 17 Spiele hat er dafür maximal Zeit. Vor elf Jahren spielte der FC St. Pauli das letzte Mal in der Bundesliga, in der 3. Liga (damals noch Regionalliga) zuletzt im Jahre 2007.