Stellungnahme: Quo Vadis, F.C. Hansa Rostock?

Zweitligist äußert sich zu Vorkommnissen der vergangenen Wochen

Polizei vor dem Hansa-Fanblock beim Auswärtsspiel auf St. Pauli. Archivfoto: Lobeca/Andreas Hannig

Rostock – Ausschreitungen zuhause gegen Darmstadt 98, völlige Verfehlungen beim Auswärtsspiel beim FC St. Pauli. Der F.C. Hansa Rostock meldete sich nun mit einer Stellungnahme, in der es wie folgt heißt:

Gewalt, Vandalismus, politische Provokationen… nicht nur aufgrund der jüngsten Ereignisse auf St. Pauli sind wir an einem Punkt, an dem wir uns grundsätzlich die Frage stellen müssen, ob wir noch auf dem richtigen Kurs sind.

Unabhängig vom finanziellen Schaden, der durch die enorme Anhäufung von Strafen in dieser Saison bereits entstanden ist, wurden in den vergangenen Wochen nicht nur einmal Grenzen klar überschritten. Die sinnlose Zerstörung von Toiletten und Kiosken, Steinwürfe auf Züge und vereinseigene Busse, die Gefährdung von anderen Menschen – rote Linien, die für den F.C. Hansa Rostock indiskutabel sind. 

Um es ganz klar und deutlich zu benennen: Körperliche Gewalt, Gegenstände werfen, Böller, Leuchtspurraketen oder Pyro, die die Hand verlässt und somit für andere ein Risiko darstellt – sind No-Gos. Punkt!

Allgemeiner Trend der Enthemmung

Allgemein lässt sich feststellen, dass nach der Corona-Pandemie mit der vollständigen Wiederöffnung der Stadien nicht nur in Deutschland, sondern europaweit eine zunehmende Eskalation auf den Fantribünen zu erleben ist. Es ist ein regelrechter Wettstreit entfacht, in dem es scheinbar vor allem darum geht „wer enthemmter ist“, „wer die ‚krassesten‘ Bilder für Instagram und Co. produziert“ und „wie man immer noch einen draufsetzen kann“. Ein Phänomen, dass sich nicht nur im Fußball zeigt – sondern sich als gesamtgesellschaftlicher Trend abzeichnet. Es gibt scheinbar kaum noch Grenzen und keinerlei Hemmschwellen, rote Linien zu überschreiten und Tabus zu brechen.

Grundsätze des Vereins

Der F.C. Hansa ist laut seiner Satzung streng unpolitisch. Diesen Grundsatz scheinen einige allerdings für sich selber anders zu interpretieren als für den Verein. Während man vom Verein fordert, dieser Leitlinie bedingungslos zu folgen, erlaubt man sich selber politisch agieren zu können. Dazu gehören beispielsweise wie zuletzt auf St. Pauli „Heil Hansa“- oder „Pommern bleibt deutsch“-Aufkleber.

Der F.C. Hansa Rostock ist und bleibt ein unpolitischer Verein und wird sich weder in die rechte noch in die linke Ecke rücken lassen, sondern sich von jeglichen Aktionen in diese Richtungen klar distanzieren und unmissverständlich abgrenzen.

Auch Tapeten wie „Schwule bekommen kein Nachwuchs“ und „Einer weniger“ sind Grenzüberschreitungen und verstoßen gegen unsere in der Satzung festgeschriebenen Grundsätze von Toleranz, Kameradschaft und Gemeinschaftsgefühl.

Rückblick Auswärtsspiel St. Pauli

Die Vorkommnisse bei unserem Auswärtsspiel beim FC St. Pauli haben deutschlandweit hohe Wellen geschlagen. In den vielen Mails, Anrufen und Gesprächen in den vergangenen Tagen stand immer wieder der Vorwurf im Raum, dass der F.C. Hansa Rostock untätig bleibt, nicht durchgreift und sich nicht umfangreich äußert.

Ein Credo unseres Vereins war immer, sich nicht zu voreiligen Statements und Einschätzungen hinreißen zu lassen, weil es die Öffentlichkeit von uns erwartet. Um die Geschehnisse in Hamburg vernünftig beurteilen, einordnen und vor allem entsprechende Schlüsse daraus ziehen zu können, bedarf es einer sachlichen und gründlichen Aufarbeitung, mit der der F.C. Hansa Rostock bereits am Sonntag unmittelbar nach dem Spiel begonnen hat und die auch jetzt noch nicht vollständig abgeschlossen ist.

Zu den bisherigen Erkenntnissen:

1.         Anreise der Hansa-Fans

Auch nach Auswertungsgesprächen mit der Polizei hat es eine weitgehend störungsfreie und problemlose Anreise mit dem durch die Fanszene kommunizierten Zug gegeben. Vereinzelt kam es bei der Ankunft im Bahnhof Hamburg zum Einsatz von Pyrotechnik.

2.         Einlasssituation am Stadion

Laut Bericht des DFB-Sicherheitsbeobachters und mehrerer Zeugenaussagen gab es in der Einlassphase im Bereich des Gäste-Eingangs einen Beschuss durch Pyrotechnik auf die wartenden Hansa-Fans. Unbekannte hatten auf dem Dach der am Stadion angrenzenden Rindermarkthalle Batterien mit Pyrotechnik platziert und auf den Gästeblock abgefeuert.

3.         Einlass

Der Gästebereich wurde um 11.45 Uhr geöffnet und damit 15 Minuten früher als geplant. Es erfolgte eine gründliche Durchsuchung und Kontrolle des mitgebrachten Materials für die Choreografie und der Zaunfahnen. Generell verlief der Einlass in dieser Phase sehr ruhig, geordnet und gründlich ab. Aufgrund der Vielzahl wartender Hansa-Fans gab es im eingezäunten Bereich vor dem Gäste-Eingang erste Drucksituationen. Daraufhin wurde der Einlass durch die Polizei geschlossen. Es gab keine Durchbruchsversuche o.Ä. durch die Hansa-Fans. Durch den gestoppten Einlass und die geschlossenen Tore stieg der Druck allerdings weiter an, wodurch auch Fans verletzt wurden und teilweise von Rettungskräften behandelt werden mussten. Als der Einlass wieder geöffnet wurde, zeichnete sich ab, dass bei gleichbleibender Einlassgeschwindigkeit nicht alle Gästefans pünktlich im Stadion sein werden. Auch in dieser Phase gab es keine Versuche, die Kontrollen zu durchbrechen. Aufgrund des steigenden Drucks stoppte die Polizei erneut den Einlass. Um die Situation nicht eskalieren zu lassen, wurden die Tore schließlich geöffnet und die wartenden Fans ohne Kontrolle von Karten oder Körperkontrollen ins Stadion gelassen.

4.         Vorkommnisse vor und während des Spiels

Vor Spielbeginn wurde im Gästeblock massiv Pyrotechnik gezündet. Zudem wurden pyrotechnische Erzeugnisse auf den Rasen und in den Strafraum geworfen. Aufgrund der starken Rauchentwicklung musste das Spiel etwa zwei Minuten später angepfiffen werden.

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Mit Beginn der zweiten Halbzeit wurde im Gästeblock erneut Pyrotechnik gezündet. Dabei kam es zu einem massiven Einsatz von Böllern und Raketen. Die Raketen und Böller wurden auch auf benachbarte Blöcke mit Heim- und Gäste-Fans geschossen. Dabei wurde mindestens ein Zuschauer an der Schulter und ein Rostocker Polizist im Gesicht verletzt.

Zudem wurden die sanitären Anlagen im Gästeblock nahezu vollständig zerstört (Waschbecken abgerissen, Decken eingeschlagen). Mit den abgeschlagenen Keramik-Stücken wurde aus dem Gästeblock heraus auf die Polizei und den Ordnungsdienst geworfen. Beim Wurf einer Klobrille wurde ein Ordner am Kopf getroffen und musste ins Krankenhaus gebracht werden.

Zu den ersten Schritten nach dem Spiel:

Der F.C. Hansa Rostock hat sich nach dem Spiel umgehend beim Heimverein für den verletzten Ordner und die Grenzüberschreitungen entschuldigt!

Der F.C. Hansa Rostock hat bereits am Montagvormittag die Polizeibehörden in Hamburg kontaktiert, mit dem Ziel der Täterermittlung – auf deren Grundlage der F.C. Hansa Rostock Stadionverbotsverfahren einleiten wird.

Der F.C. Hansa Rostock hat den Kontrollausschuss des DFB kontaktiert, mit dem es zeitnah einen intensiven Austausch geben wird.

Der F.C. Hansa Rostock hat in dieser Woche zahlreiche Gespräche mit den Vertretern von Fanclubs und der Fanszene geführt.

Der F.C. Hansa Rostock hat Kontakt zum Innenministerium des Landes aufgenommen und um ein zeitnahes Gespräch gebeten. Innenminister Christian Pegel ist am Donnerstag ins Ostseestadion gekommen und hat sich mit dem Vorstandsvorsitzenden Robert Marien über die bisherigen Erkenntnisse sowie bereits eingeleitete und noch geplante Maßnahmen ausgetauscht. Dabei ging es vor allem auch um das Thema „Täteridentifizierung“ und die Sanktionierung durch Stadionverbotsverfahren.

Der F.C. Hansa Rostock hat sich wiederholt öffentlich u.a. in den Medien von den Vorfällen klar und deutlich distanziert.

Erste Maßnahmen:

Der F.C. Hansa Rostock hat für den Rest dieser Saison ein Choreo-Verbot ausgesprochen und wird bis auf Weiteres keine Arbeitskarten mehr für die Bereiche Süd und 9A zur Verfügung stellen.

Für die beiden Auswärtsspiele in Magdeburg und Paderborn (Verkauf für Hannover ist bereits abgeschlossen) werden die Gruppen-Kontingente für alle Fanclubs, die Fanszene und andere organisierte Fangruppierungen komplett gestrichen. Karten werden nur noch an Vereinsmitglieder im Einzelverkauf ausgegeben.

Für die darauffolgenden Auswärtspartien erhalten einzelne Fan-Clubs auf Bewährung Gruppen-Kontingente – sofern es vorab nicht erneut zu groben Fehlverhalten gekommen ist.

Der F.C. Hansa Rostock wird ab sofort bei den Auswärtsspielen 8-10 Mitarbeiter aus dem

vereinseigenen Ordnungsdienst einsetzen, um in fremden Stadien Vandalismus insbesondere in den sanitären Bereichen zu verhindern.

Der F.C. Hansa Rostock prüft gemeinsam mit der Rostocker Polizei die Anbringung weiterer Kameras im Ostseestadion zur besseren Nachverfolgung von Straftaten und Ermittlung von Tätern. Eine entsprechende Besichtigung fand bereits in dieser Woche statt.

Der F.C. Hansa Rostock prüft seit Mitte vergangenen Jahres Möglichkeiten, den Gästefanblock im Ostseestadion zu verlegen. Dazu gab es bereits erste Begehungen und Begutachtungen mit einer externen Firma sowie die Kontaktaufnahme und Einbindung verschiedener Ämter.

Der F.C. Hansa Rostock wird den Bereich der Fanarbeit weiter stärken und personell erhöhen.

Der F.C. Hansa Rostock wird Veranstaltungen und Formate erarbeiten, in denen Mitglieder und Fans die Möglichkeit haben, ihre Meinung einzubringen und zu allen vereinsrelevanten Themen intensiv und aktiv in den gemeinsamen Austausch zu gehen.

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