Lübeck – Seit über einer Woche stand fest, dass der VfB Lübeck nach nur einem Jahr in der 3. Liga wieder in die Regionalliga absteigen muss. Gründe und Schuldige dafür werden nach wie vor gesucht. Der Vorstand hat sich nun in einem Offenen Brief geäußert. HL-SPORTS veröffentlicht diesen hier:
Liebe VfB-Fans und Sponsoren, liebe Lübeckerinnen und Lübecker,
hinter uns liegt ein ereignisreiches Jahr. Gemeinsam hatten wir die seit Jahren angestrebte 3. Liga erreicht. Die Umstände dieser Saison hatten allerdings mit einer Drittliga-Spielzeit, wie wir sie für uns gewünscht und erhofft hatten, nur wenig zu tun. Am Ende steht ein Abstieg, den man als Aufsteiger immer auch einkalkulieren muss – allein die mathematische Wahrscheinlichkeit beträgt 20 Prozent für jeden Drittligisten. Dennoch bleibt ein Gefühl, dass der Abstieg trotz aller Widrigkeiten vermeidbar gewesen sein könnte. Sicherlich haben schwierige Rahmenbedingungen durch die Corona-Zeit ein Stück weit dazu beigetragen. Einigen Kritikpunkten, die zuletzt auch öffentlich aufkamen, müssen wir uns aber auch stellen, denn wir haben im vergangenen Jahr beileibe nicht alles richtig gemacht. Andere Darstellungen sind – insbesondere durch Meinungsäußerungen in sozialen Medien – dagegen für uns eher verwunderlich. In beide Richtungen wollen wir heute gerne aus unserer Sicht etwas Aufklärung leisten.
Ins Visier der Kritiker gerät dabei als erstes natürlich die Leistung der Mannschaft auf dem Platz und mit ihr die Planung des Kaders. Dabei ist sicher nicht alles perfekt gelaufen, das wissen wir. Es gibt einige Spieler, mit deren Verpflichtung wir andere Erwartungen verbunden hatten. Nur teilweise spielten Verletzungen und Ausfallzeiten dabei eine Rolle. Dennoch haben wir eine konkurrenzfähige Mannschaft auf dem Feld gesehen. Wir wurden nie „abgeschossen“, 90 Prozent der Spiele waren bis in die Schlussphase hinein nicht entschieden. Alles kann somit nicht falsch gewesen sein. Zudem ist es nicht richtig, etwaige Fehleinschätzungen einzig auf die Person unseres Sportdirektors zu projizieren. Auch Rocco Leeser hat sicher nicht alles richtig gemacht, das ist ihm selbst bewusst. Doch Spielerverpflichtungen waren und sind bei uns immer Teamwork – maßgeblichen Einfluss hatten immer auch Timo Neumann als sportliche Stimme im Aufsichtsrat, das Trainerteam und auch der Vorstand. Für jeden Transfer gab es einheitliche, zumindest aber mehrheitliche Zustimmung. Insofern nehmen sich auch alle beteiligten Personen an dieser Stelle mit in die Verantwortung.
Gerade auch Rocco Leeser war es hingegen, der Trainer Rolf Landerl in schwierigen Situationen auch immer wieder den Rücken stärkte. Wir haben uns auch in schwierigen Zeiten in der vergangenen Saison bewusst gegen einen Trainerwechsel entschieden. Selbstverständlich haben wir uns intern in regelmäßigen kritischen Analysen auch mit der Trainerfrage befasst. Doch nie hatten wir den Eindruck, dass ein Wechsel eine entscheidende Verbesserung bewirkt hätte. Dass die gute Einstellung der Mannschaft in der Schlussphase der Saison nahezu durchweg zu sehen war, bestärkt uns in dieser Einschätzung.
Insofern verwundert uns, dass Rolf Landerls bereits vor Wochen unterbreitete Bereitschaft, dem Verein auch nach einem möglichen Abstieg erhalten zu bleiben, zuletzt einen solchen Widerhall gefunden hat. Teilweise forderten die gleichen Personen, die zuvor für eine Ablösung votiert hatten, nun seinen Verbleib. Dass wir Rolfs Identifikation mit dem VfB schätzen, dass wir ihn als Mensch mögen und in der Vergangenheit erfolgreiche Zeiten zusammen erlebten, kann letztlich aber nicht die wichtigste Grundlage unserer Entscheidung sein. Mit einem Neuaufbau, wie er uns bevorsteht, auch auf dem Trainerposten eine Veränderung vorzunehmen, geschieht mit der Überzeugung, dass frischer Wind und neue Ideen auch belebend wirken können.
Wir alle müssen allerdings daran arbeiten, künftig vor allem intern noch besser zu kommunizieren. Bereits vor der Saison hat es interne Differenzen gegeben, die mit Fehlern sowohl in der Vereinsführung als auch in der Mannschaft zu tun hatten. Es ist bei allen Versuchen nie gelungen, diese so aufzuarbeiten, dass beiderseits das vollständige Vertrauen wieder zurückgekehrt wäre. Ein Neuaufbau stellt für uns auch in dieser Hinsicht eine Chance dar.
Dieser Neuaufbau ist aber vor allem auch wirtschaftlichen Zwängen geschuldet. Corona hat uns in dieser Beziehung eine Menge abverlangt. Gegenüber den (defensiv kalkulierten) Planzahlen fehlen uns am Ende durch fehlende Zuschauereinnahmen und zusätzliche Hygienemaßnahmen rund 1,3 Millionen Euro in der Kasse. Während andere Vereine zumindest einen großen Teil dieser Verluste durch Bundeshilfen ausgleichen konnten, sind wir als Aufsteiger durch schwer nachvollziehbare politische Richtlinien leer ausgegangen und mussten uns mit Darlehen behelfen. Da zudem noch unerwartete Mehrkosten bei den geplanten infrastrukturellen Maßnahmen hinzugekommen sind, muss sich der Verein wirtschaftlich konsolidieren.
Wenn wir auf die Drittliga-Spielzeit zurückblicken, mutet es aus unserer Sicht verwunderlich an, dass Konkurrenten, die sich teilweise in Insolvenz befanden oder darauf zusteuerten, Spieler mit Grundgehältern und Prämien auf Zweitliga-Niveau ködern konnten. Von einem fairen Wettbewerb konnte man in diesem Zusammenhang nicht sprechen. Mit dem Vorwurf, das uns zur Verfügung stehende Geld nicht an allen Stellen optimal genutzt zu haben, müssen wir allerdings umgehen. Den an einigen Stellen geäußerten Vorwurf, nicht weiter ins Risiko gegangen zu sein (zusätzlich zu den unausweichlichen Corona-Folgekosten), weisen wir hingegen zurück. Weiterer finanzieller Spielraum stand uns nicht zur Verfügung. Zeiten wirtschaftlicher Unvernunft, in denen am Ende die Existenz unseres Vereins auf dem Spiel stand, hat der VfB Lübeck hinter sich gelassen.
Damit das so bleibt, wird das kommende Jahr in der Regionalliga eine Saison der Konsolidierung sein müssen. Zur Verfügung steht ein Etat, der in etwa die Hälfte der investierten Mittel in der Aufstiegssaison 2019/20 betragen wird. Nur wenn wir es gemeinsam mit unseren treuen Partnern und unseren treuen Fans schaffen, auch in diesen schwierigeren Zeiten zusammenzustehen, werden wir – wirtschaftlich wie auch sportlich – bereits in der zweiten Saison nach dem Abstieg wieder bessere Rahmenbedingungen ermöglichen können.
Infrastrukturell sind wir ohnehin nach der Sommerpause besser aufgestellt als je zuvor. Wir haben es geschafft, unsere (ohnehin in der Unterhaltung kostspielige) vereinseigene Anlage auf der Lohmühle komplett drittligatauglich herzurichten. Die entsprechenden Investitionen in Höhe von insgesamt rund 2,5 Millionen Euro waren alternativlos, um einerseits die Lizenzbedingungen zu erfüllen und andererseits auch die an Auflagen gebundenen Fördermittel gewährt zu bekommen. Trotz dieser Fördermittel hat der Verein rund eine Million Euro als Eigenanteil aufwenden müssen – Geld, das andere Vereine in Personal stecken konnten. Uns allerdings werden die Investitionen in Steine im Moment des Wiederaufstiegs erheblich helfen, denn wir werden in diesem Fall nicht nur mehr Finanzmittel, sondern auch noch mehr Energie in den sportlichen Fortschritt investieren können.
Insofern: Lasst uns gemeinsam etwas Geduld bewahren und daran arbeiten, dieses Ziel von der Rückkehr in den bundesweiten Profifußball im Jahr 2023 Wirklichkeit werden zu lassen. Wir müssen und werden aus den Fehlern lernen, aber auch die vorhandenen positiven Aspekte ausbauen. Dann kommen wir gestärkt zurück!
Vorstand und Aufsichtsrat des VfB Lübeck