Al-Khor – DFB-Team widerfuhr am Donnerstag ein erneutes Debakel. Trotz eines 4:2 (1:0)-Sieges gegen Costa Rica, muss die Mannschaft von Hansi Flick den Heimweg antreten. Aus eigener Hand ist das Weiterkommen nicht mehr möglich gewesen, brauchte man doch nur mindestens ein Unentschieden der Spanier gegen Japan. Die verloren allerdings mit 1:2. Was vor dem Spiel als selbstverständlich galt, wurde nicht erfüllt. Am Ende fehlten wenige Millimeter zum Achtelfinaleinzug.
Die Schmach von Russland, Deutschland und Katar
Eine der dunkelsten Stunden der deutschen Nationalmannschaft, die „Schmach von Cordoba“ im Jahre 1978 dürfte einigen Fans etwas sagen. Damals flogen Legenden wie Karl-Heinz Rummenigge oder Dieter Müller als Titelverteidiger gegen Österreich aus dem Wettbewerb. Nach dem Gruppen-Aus 2018 als Weltmeister und dem ebenfalls sehr schwachen Auftreten bei der Europameisterschaft 2021, hat es erneut nicht für unsere Nation gereicht, um ein gutes Turnier zu spielen und sich gegen zwei vermeintlich schwächere Länder durchzusetzen. Am Ende ist Japan Gruppensieger und schafft es zwei große Fußballnationen zu schlagen und hinter sich zu lassen.
Nichts gelernt aus dem Japan-Spiel?
Ähnlich wie gegen die „Samurai Blue“ zeigte das DFB-Team gegen Costa Rica einen guten Start. Es gab einige sehr gute Chancen. Die Mannschaftsketten waren hochgerückt und übten Druck auf das gegnerische Tor aus. Möglichkeiten für drei bis vier Tore in der ersten Halbzeit waren da, jedoch stand es „nur“ 1:0 als Stephanie Frappart zur Pause pfiff. Kurz vorher kamen die Zentralamerikaner zu einer riesigen Gelegenheit. Antonio Rüdiger und David Raum patzten beide bei einem lang gespielten Pass hinter die Kette. Manuel Neuer parierte den Ball von Keysher Fuller mit einem unfassbaren Reflex. Bereits da stand, wie schon so oft zu spüren, die Hintermannschaft nicht sicher. Das merkten die „Los Ticos“ und nahmen diese Erkenntnisse mit in die zweite Halbzeit.
Statt dem guten Torverhältnis der Spanier gefährlich zu werden, stand es nach 70 Minuten 2:1 für Costa Rica. Genügend Möglichkeiten, um dem 7:0 nahezukommen, gab es allemal. Zwischenzeitlich waren sogar beide großen Nationen aus dem Turnier raus. Den Japanern gelang es tatsächlich, das Spiel nach einem Rückstand zu einem 2:1 zu drehen. Das zweite Tor in dieser Begegnung entsprach einer Millimeter-Entscheidung, bei der nicht klar zu erkennen war, ob der Ball das Spielfeld im vollen Umfang verlassen hat. Bei dem Ergebnis gab es für Deutschland keine Chance mehr auf ein Achtelfinale, dennoch war das letzte Gruppenspiel enttäuschend schwach gegen einen schwachen Gegner.
Aufstellung nicht nachzuvollziehen
Zum wiederholten Male blieb Niclas Füllkrug von Beginn an auf der Bank sitzen, obwohl es bereits in den ersten beiden Spielen ein Fehler von Hansi Flick war. Joshua Kimmich begann als Rechtsverteidiger. Aus taktischen Gründen ebenfalls schwer zu verstehen. Am Vortag in der Pressekonferenz sagte Flick noch, er sei zu wichtig für das Mittelfeld. In den ersten zehn Minuten schob Kimmich konstant auf dem Flügel hoch und brachte einige Flanken, nur leider gab es ohne echten Stürmer nur selten Abnehmer für eben diese. Als dieses Prinzip nicht aufging, fing er immer mehr an sich in das Zentrum zu integrieren und seine angestammte Position zu spielen. Die Spielidee wäre möglicherweise aufgegangen, hätte Füllkrug vorne im Strafraum gestanden. Thomas Müller blieb abermals blass. Vorwürfe kann ihm niemand machen, viel mehr ist der Trainer verantwortlich für die taktische Grundordnung des Spiels.
Wie geht es weiter?
Thomas Müller verabschiedete sich in seinem TV-Interview von den deutschen Fans und bedankte sich für die jahrelange Unterstützung. Das klang nach Abschied. Oder doch nur Enttäuschung? Manuel Neuer hingegen bekundete keine Rücktrittsgedanken aus dem DFB-Team. Er kommt zurück, sobald der Anruf kommt. Auch Flick und Oliver Bierhoff möchten ihren laufenden Vertrag bis zum Ende erfüllen. Ist Flick noch der richtige Mann für die Trainerposition? Ähnlich wie bei Jogi Löw war eine Anpassung während des Turniers nicht zu erkennen. Die wichtigen Stellschrauben, die Abwehr und der Angriff, wurden nur bedingt verändert. Gerade im Angriff verwunderte es den Großteil der Nation, dass Füllkrug nicht zum Einsatz kam, obwohl jedem Fan sichtbar war, dass er jedes Spiel verändert hat, in dem er eingewechselt wurde. Ist ein Großteil der Nation einfach ahnungslos oder ist Flick zu stur um auf einen Newcomer zu setzen und sich den Fehler einzugestehen, Füllkrug zu spät zum DFB geholt und ihn falsch eingesetzt zu haben?
Alexander Roppelt, Kreisschiedsrichter-Obmann und Schiedsrichter in der Regionalliga-Nord, gab HL-SPORTS in einem Interview seine Meinung zum Gruppen-Aus.
„Der VAR soll klare Fehlentscheidungen korrigieren“
HL-SPORTS: Moin Alexander, Deutschland gewinnt gegen Costa Rica und scheidet trotzdem aus. Wie hast du das Spiel gesehen und woran hat es am Ende gelegen, dass Hansi Flick mit seinem Team nicht weitergekommen ist?
Alexander Roppelt: „Am Ende lag es an der Niederlage im ersten Spiel gegen Japan. Deutschland führte und durch fahrlässiges Verhalten in der Abwehr wurde das Spiel aus der Hand gegeben – da liegt der Ursprung. Die Spiele danach gegen Spanien und auch gegen Costa Rica waren engagierter und wurden mit einem starken Einsatz gespielt.„
HL-SPORTS: Heute hat zum ersten Mal eine Schiedsrichterin ein WM-Spiel gepfiffen. Worauf achtet man selbst als Schiedsrichter dabei?
Alexander Roppelt: „Selbstverständlich zählt auch bei ihr die Entscheidungsqualität – darauf achtet man. Zudem achtet man darauf, wie sie bei den Spielern ankommt – wie ist ihre Außenwirkung in der Spielleitung? Dies war interessant zu beobachten, so wie es auch bei anderen Schiedsrichtern von anderen Kontinenten der Fall ist. Jeder hat seine eigene Art der Spielleitung.„
HL-SPORTS: Was denkst du über den VAR im Allgemeinen? Es gab bereits einige „seltsame“ Entscheidungen? (Belgien gegen Kanada, die beiden Elfer für Ronaldo und Messi…)
Alexander Roppelt: „Der VAR soll klare Fehlentscheidungen korrigieren. Das hat er bei der WM bereits getan. Aber auch „seltsame“ oder sogar für mich falsche Entscheidungen waren darunter (Portugal-Uruguay, Strafstoß für Handspiel der Kategorie „Abstütz-Arm“). Zu diesen Entscheidungen kommt es oftmals durch das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren, jedoch wäre hier der Fokus auf klare Fehlentscheidungen besser.„
HL-SPORTS: Wirst du das Turnier trotz ausscheiden weiterverfolgen?
Alexander Roppelt: „Ja, am Wochenende beginnen die spannenden K.o.-Spiele. Diese haben einen besonderen Reiz.„
HL-SPORTS: Die meisten Ligen in Lübeck und Umgebung sind bereits in der Winterpause oder kurz davor. Wie bewertest du die Hinrunde als Schiri-Chef im KFV und was meinst du zu den vermehrten Gewaltvorfällen bei den Partien?
Alexander Roppelt: „Die Hinrunde der Saison 2022/2023 ist gespielt – das ist schonmal eine gute Nachricht nach den letzten zerfahrenen Fußballjahren. Die Konstanz tut gut und ließ uns in der Hinserie wieder in das „Alltagsgeschäft“ einsteigen. Nachdem der Fußball aus der Corona-Pause wieder startete, vermerkten wir schnell ein anderes Verhalten der Spieler, Trainer und Zuschauer auf und neben dem Platz. Es kam es zu extremen Vorfällen, die uns viel Arbeit einbrachten. Wir haben die Situationen mit unseren Schiedsrichtern aufgearbeitet und spezielle Lehrabende zur Gewaltprävention veranstaltet, um uns auf die neuen Herausforderungen einzustellen.„