Der Rest der Liga steigt am kommenden Wochenende wieder ins Geschehen ein. Darunter auch die Travemünder Raubmöwen, die am Samstag am heimischen Steenkamp den TV Oyten empfangen. Anpfiff in der Senator-Emil-Possehl-Halle ist wie gewohnt um 16.30 Uhr.
Es ist Zeit, den bisherigen Saisonverlauf des nahezu komplett neuformierten Rabmöwen-Teams Revue passieren zu lassen. Wie schon vor Saisonbeginn von Trainer Olaf Schimpf prognostiziert, war mit einer schwankenden Leistungskurve zu rechnen. Und diese Schwankungen traten bei der jüngsten Mannschaft der Liga unübersehbar ein. Nach dem souveränen DHB-Erstrundensieg in Verl hätte der Start in die Punktrunde mit dem furiosen 30:23-Erfolg beim TV Oyten nicht besser laufen können. Oyten gehörte (und gehört mittlerweile wieder) zu den Mitfavoriten auf einer der vorderen Plätze. Den Hauptgrund für das überraschend deutliche Ergebnis sahen nicht nur Olaf Schimpf und Team-Manager Christian Görs vor allem darin, dass die TV-Vertretung nicht wusste, welcher Gegner da im Anmarsch ist. Schimpf und Görs unisono: „Die Mannschaft aus Oyten ärgert das heute noch immer, denn laut eigener Aussage haben sie damals unsere Mannschaft total unterschätzt. Und als sie merkten, mit wem sie es wirklich zu tun haben, war es schon zu spät.“ Ähnlich drückte sich damals auch Oytens routinierte Kreisläuferin Jana Kokot aus, die aber kein Problem damit hatte, den Travemünderinnen fair zu gratulieren.
Mit ein wenig mehr Erfahrung hätte der TSV Travemünde nach zwei Spieltagen mit 4:0 Punkten dastehen können. Gegen den TSV Nord Harrislee führten die von Jana Gläfke angeführten Raubmöwen in der zweiten Halbzeit bereits mit fünf Toren, als einfache, aber umso wirksamere Harrisleer Umstellungen zum Bruch führten. So ging die Heimpremiere mit 23:26 verloren. Dafür wurden erste Sympathien des Travemünder Publikums, dass sich ebenso an das neue Raubmöwen-Gesicht gewöhnen musste wie umgekehrt natürlich auch. Zusammen durften Zuschauer und Mannschaft dann am 17. Oktober 2015 den ersten Sieg am Steenkamp feiern. In einer wahren Temposchlacht rang Travemünde den sehr gut geschulten Erstliga-Nachwuchs des Buxtehuder SV nieder.
Zwei Siege aus drei Spielen, dieser Umstand erweckte hier und da Hoffnungen auf ein grandioses Drittliga-Jahr. Hoffnungen, die Trainerstab und Umfeld sofort ausbremsten. Vollkommen zu Recht, wie sich schon eine Woche später herausstellen sollte. Die Raubmöwen waren zu Gast beim SV Henstedt-Ulzburg. Zwischen beiden Vereinen kam es zu Saisonbeginn zu einem regen Spielerinnen-Austausch. Kein Wunder also, dass vor allem diese Handballerinnen für sich beanspruchten, jetzt im jeweils besseren Team zu spielen. Vor diesem Duell wurde im Travemünder Lager versucht, den Druck angesichts des Prestige-Duells möglichst herauszunehmen. Ganz ohne Emotionen ging es dann aber doch nicht, wobei die Frogs-Ladies sehr viel cooler damit umgingen und den an diesem Tag völlig neben sich stehen Raubmöwen mit dem 29:14 eine empfindliche Niederlage beibrachten.
Die Antwort war das wichtige 24:16-Erfolg gegen Aufsteiger Rostock, so dass die Raubmöwen kurz durchatmen konnten und mit nunmehr 6:4 Zählern weiter gut dastanden. Zuvor kam es zu einem der Highlights der bisherigen Saison. In der zweiten Runde des DHB-Pokals empfing Travemünde den Erstligisten HSG Blomberg-Lippe mit der ehemaligen Raubmöwe Gisa Klaunig. Die Raubmöwen erlebten in der Lübecker Hansehalle trotz der deutlichen 16:44-Niederlage einen tollen Handballabend.
Der Ligaalltag, der folgte, war ein rabenschwarzer November; alle vier Spiele wurden verloren. Unter anderem auch das gegen den bis dahin punktlosen TuS Jahn Hollenstedt. Spätestens in diesen Wochen wurde deutlich, dass die Probleme weniger im Abwehr- als vielmehr im Offensivbereich lagen. Das 13:25 gegen Hannover-Badenstedt war die bereits vierte Begegnung, in der dem TSV Travemünde weniger als 20 Treffer gelangen. Eine unrühmliche Serie, die sich Anfang Dezember auch beim 17:27 in Oldenburg fortsetzte. Nicht erst zu diesem Zeitpunkt musste auch dem letzten Optimisten klar sein, dass es in diesem Jahr von vornherein nur um den Klassenerhalt gehen würde.
Zum letzten Punktspiel vor der Winterpause mussten noch einmal alle Kräfte und alles Können in die Waagschale geworfen werden, um das so wichtige Spiel gegen das Tabellenschlusslicht Hude/Falkenburg zu bewältigen. Der von Hude erbetenen Verlegung akuter Personalnot wegen kamen sowohl Travemünde als auch der Deutsche Handballbund aus mehreren Gründen nicht nach, was für einen vor allem durch den mittlerweile nicht mehr für die HSG tätigen Trainer Thorsten Stürenburg initiierten Shitstorm in den gängigen sozialen Netzwerken sorgte. Die erhoffte Resonanz aus dem Rest der Liga blieb aus. Das Spiel fand statt und wurde bis auf kaum erwähnenswerte „Scharmützel“ vor und nach Anpfiff mit einer gesunden Härte, dabei aber immer fair ausgetragen. Travemünde gewann mit 27:22, tat sich aber lange Zeit sehr schwer. Da hier aber von vornherein nur der Erfolg zählte, spielte die Leistung eine untergeordnete Rolle. Die Erleichterung am Steenkamp war greifbar.
Der Jahresabschluss zumindest in der Punktrunde war geglückt. Ein weiteres Negativerlebnis ersparten sich die Raubmöwen sich selbst und ihren Anhängern allerdings nicht. Erstmals seit mehreren Jahren nahm der TSV Travemünde wieder am HVSH-Landespokal teil. Als Drittligist, der kurzzeitig über einen Verzicht nachdachte, stiegen die Raubmöwen erst im Viertelfinale ein. Es hätte folglich nur eines einzigen Sieges bedurft, um ins Final Four einzuziehen. Der entscheidende Vorteil des mit 28:23 siegreichen Viertligisten TSV Wattenbek war ganz einfach, dass er die Finalrunde unbedingt erreichen wollte. Dieser Willen konnte den Travemünderinnen nicht bescheinigt werden. Dass sie an diesem Tag ohne Trainerteam angetreten sind, war als Entschuldigung nur sehr bedingt anzuführen. Es gab nur wenige Ausnahmen, der Großteil der Mannschaft ließ die notwendige Einstellung, die zu einem Erfolg erforderlich gewesen wäre, vermissen. So war Wattenbek der verdiente Sieg und die damit verbundene Finalrunden-Teilnahme zu gönnen. Nicht nur hier betont Olaf Schimpf immer wieder: „Wir dürfen alle nicht vergessen, dass auch diese Mädels einfach nur Menschen sind und keine Maschinen oder Roboter.“
Umwerfen wird die Pokalniederlage die Handballerinnen von der Ostsee nicht. Das Spiel in Wattenbek machte aber einmal mehr deutlich, dass die Mehrfachbelastung, mit der die Raubmöwen in die Saison gestartet ist, nicht spurlos am im Durchschnitt noch nicht mal 18 Jahre alten Travemünder Team vorüberging. Diese Mehrfachbelastung beinhaltet neben der 3. Liga Nord auch den Einsatz fast aller Raubmöwen für die A-Jugend des VfL Bad Schwartau. Und nicht nur in der Bundesliga-Runde, in der die ebenfalls von Olaf Schimpf und Thomas Hartstock trainierten VfL-Mädels um den Einzug ins Viertelfinale kämpfen. Nicht zu vergessen die Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein; hier marschiert Bad Schwartau mit dem Buxtehuder SV im Gleichschritt an der Tabellenspitze.
Die Oberliga einmal ausgeklammert sind die meisten Spielerinnen geradezu gezwungen, gleich zwei Prioritäten zu setzen. Ein gutes Abschneiden in der A-Jugend-Bundesliga war schon Ziel des VfL Bad Schwartau, als der Zusammenschluss mit den Raubmöwen noch gar kein Thema war. Doch um das angestrebte Fortbestehen dieser Partnerschaft langfristig gewährleisten und talentiertem Nachwuchs weiterhin überregionalen Handball bieten zu können, ist der Klassenerhalt der Raubmöwen unerlässlich. Daran, dass dieses Ziel geschafft wird, zweifelt im Raubmöwen-Lager niemand. „Die eine oder andere Spielerin muss noch den Hebel in Richtung 3. Liga umlegen, dann werden wir es schaffen“, gibt sich Schimpf zuversichtlich. „Für uns zählt tatsächlich nur, dass wir drei Mannschaften hinter uns lassen. Und wenn wir das geschafft haben, hoffen wir alle, dass die Kooperation Raubmöwen und VfL Bad Schwartau weiter Bestand hat und wir wieder die eine oder andere Nachwuchsspielerin auch in Richtung Drittliga-Handball heranführen können. Abhängig sind wir dabei natürlich auch von einem funktionierenden Umfeld.“
Und in diesem wird bereits tatkräftig an der Zukunft gebastelt. Erfreulich ist da zunächst einmal, dass unter Federführung Torsten Rauchs und Michael Schoenebergs mit dem, wenn auch knappen, Etat sehr gut gewirtschaftet wurde und die laufende Saison „gedeckelt“ ist. „Damit lässt sich wesentlich einfacher arbeiten“, kann Team-Manager Christian Görs mit der finanziellen Situation sehr gut leben. Das lässt für das Folgejahr natürlich hoffen. Doch auch Görs weiß, dass ein Abstieg entsprechende Probleme mit sich bringen würde: „Daran denke ich überhaupt nicht. Ich weiß, dass die Mädels stark genug sind, die Klasse zu halten.“
Um möglichst schnell ein tragfähiges Konzept auch im Hinblick auf das Mannschaftsgefüge auf die Beine zu stellen, ist Görs sehr daran gelegen, schnellstmöglich mit Trainern und Mannschaft zu sprechen: „Uns ist wichtig, dass wir allesamt Planungssicherheit haben. Deshalb werden wir sehr kurzfristig die Einzelgespräche in Angriff nehmen.“