Lübeck – Sie ist zuständig für die Tore vom Kreis oder führt zwischenzeitlich die Regie von der Mittelposition. Aus der Abwehr war sie sowieso nicht wegzudenken. Als Kapitänin war und ist Leonie Wulf der Kopf der Mannschaft, die in den vergangenen Monaten für viel Furore und Aufsehen in Travemünde und in der Hansestadt Lübeck überhaupt gesorgt hat: Mit ihren Travemünder Raubmöwen schaffte Wulf ein Jahr nach dem bitteren Abgang aus der 2. Bundesliga den direkten Wiederaufstieg. Für uns blickt Leo auf ein ereignisreiches und mehr als erfolgreiches Handballjahr zurück.
Als „Capitano“ wurde ihr durch das Trainergespann Thomas Kruse und Tanja Volkening eine Aufgabe zugetragen, die über die Monate vor allem mental an den Kräften zehrte: „Ich hatte dafür zu sorgen, meine Mitspielerinnen in schwierigen Situationen immer wieder zu motivieren und mitzureißen. Ich sollte die Emotionen hochhalten. Darin lag eine große Verantwortung, von der ich ganz klar sagen muss, dass ich sie alleine nicht hätte bewältigen können. Hier waren mir zwei Spielerinnen eine unverzichtbare Unterstützung: Laura Riehl und Franziska Haupt haben sofort die Initiative ergriffen, wenn meine Möglichkeiten begrenzt waren. Überhaupt haben diese beiden nicht nur meinen ganz persönlichen Dank verdient. Sowohl Laura als auch Franzi haben in den letzten, entscheidenden Wochen der Saison unter großen Schmerzen gespielt und sich bedingungslos für unser gemeinsames Ziel aufgeopfert. Das verdient einfach den allergrößten Respekt.“
Leonie Wulf könnte zu jeder ihrer Mannschaftskameradinnen vieles an Stärken und vor allem Fortschritten gegenüber der letzten Saison herausheben. An zwei weiteren Beispielen stellt sie den so festen Zusammenhalt der Travemünder Vorzeigehandballerinnen dar: „Sie konnte auf Grund ihrer langwierigen Knieverletzung (Patella-Spitzensyndrom) kein einziges Spiel mitmachen und hat uns von der Bank doch unheimlich geholfen und immer wieder motiviert: Jenny Stapelfeldt hat ihren ganz eigenen und großen Anteil zu unserem Traum vom Aufstieg beigetragen. Wir haben uns so sehr gefreut, als Jenny und unsere Physiotherapeutin Kerstin Meiners das geplante Comeback bekannt gegeben haben. Wir alle drücken ihr die Daumen!
Beeindruckend fand ich auch, in welcher Art und Weise unsere Torhüterin Charline Röhr ihr Herzblut für uns Raubmöwen gegeben hat. Charly war immer da. Sogar, wenn sie eigentlich gar nicht gedurft hätte. Ich denke da noch an den Anfang der Saison, als sie sich in Rostock gleich drei (!) Kopftreffer und später noch einige andere fing. Auch eine zwischenzeitliche Gehirnerschütterung konnte sie nicht aufhalten. Charlys Einstellung ist einfach bewundernswert.
Ich würde an dieser Stelle gerne jede Spielerin in den Vordergrund stellen. Sie alle wissen, was sie geleistet haben. Ob unser Abwehrass Karen Wessoly, unsere Dänin Frederikke Lærke als absolute Verstärkung im Rückraum oder Luisa Kieckbusch auf Linksaußen. Nicht weniger wichtig die Raubmöwen, die nicht immer zur ersten Sieben dazu gehörten. Wenn Nina Schmidt, Malin Stammer, unsere Junioren-Nationalspielerin Katharina Naleschinski, Alina Krey, Lina Pooch, in den ersten Monaten ebenso unsere Zwillinge Rosa und Hannah Gahl und Bastienne Eder gefordert waren, haben sie sich für das gesamte Team eingebracht.“
Nicht nur im Einzelnen, sondern auch als Mannschaft insgesamt konnte Leonie Wulf deutliche Fortschritte im Saisonverlauf beobachten: „Der große Unterschied zwischen Hin- und Rückrunde lag darin, dass wir uns in den ersten Monaten noch sehr auf unsere individuellen Stärken verlassen haben. Später waren wir immer mehr in der Lage, unsere einstudierten Züge bis zum Abschluss durchzuspielen und wenn nötig, enge Duelle auch über unseren unbändigen Willen und unsere kämpferische Stärke für uns zu entscheiden.“
Auch für die Kapitänin gab es die eine oder andere Schlüsselpartie: „Ganz wichtig war das Auswärtsspiel in Frankfurt/Oder am 22. Februar. Der FHC gehörte damals noch zu unseren ärgsten Verfolgern. Wir sind dort mit nur einer Torhüterin und sieben Feldspielerinnen angetreten. Spätestens seit diesem 31:30-Sieg wussten wir, dass wir unserem großen Ziel ein gutes Stück näher gekommen sind. Uns war auch klar, dass wir alles dafür tun würden, den Aufstieg als Meister zu schaffen. Alles andere hätte einen Beigeschmack behalten.
In der heißen Phase war es im Nachhinein schon sehr interessant, wie unterschiedlich wir mit großem Druck umgegangen sind. Als wir in unserem Heimspiel gegen Leipzig Anfang April den Sack so gut wie zu machen konnten, haben uns die Nerven komplett versagt. Die 28:32-Niederlage war der wohl bitterste Moment dieser Saison. Wenige Wochen später waren die Voraussetzungen gegen den TSV Owschlag ähnlich. Doch in dieser Begegnung klappte alles. Wir haben uns in einen Rausch gespielt und mit dem 43:21 den höchsten Sieg eingefahren. Das war die Meisterschaft, das war der Aufstieg.“
Nicht nur sportlich hatten die Raubmöwen im letzten Jahr große Fortschritte zu verzeichnen. Auch persönlich sind sie gereift. Die Außendarstellung und Imagepflege hat den Travemünderinnen ein vielfach positives Echo auch der gegnerischen Mannschaften beschert. Ein Thema, über dass sich Leo Wulf immer wieder Gedanken gemacht hat: „Wir wissen, dass uns viele Teams für einen Zweitligaabsteiger mit leicht arroganten Anwandlungen gehalten haben. Es tat uns gut, dass sehr viele Vereine diese Meinung nach und nach revidiert haben. Berührt haben uns dabei die Berichterstattungen des Berliner TSC und nicht weniger die des MTV Altlandsberg nach unserem dortigen Gastspiel. Wir haben die Spiele allesamt mehr oder weniger deutlich gewonnen. Aber genau so wie über jeden anderen Sieg haben wir uns einfach und ehrlich gefreut. Und das scheint dort gut angekommen zu sein.
Auch wenn wir uns den Titel bereits gegen Owschlag gesichert hatten, wollten wir zum Abschluss auch in Henstedt-Ulzburg gewinnen. Das hat leider nicht geklappt. Schade, dass unser dortiges Auftreten von wirklich wenigen Henstedt-Ulzburgern dann tatsächlich als arrogant bezeichnet wurde. Wir haben das Ding klar mit 20:31 verloren. Das tat niemandem mehr weh als uns. Wir hatten nie von Lustlosigkeit oder Gleichgültigkeit gesprochen. An diesem Tag war uns der SVHU überlegen und hat ein wirklich großes Spiel mit einem vollkommen verdienten Sieg geliefert.“
Die Einschätzungen Leonie Wulfs zur abgelaufenen Erfolgssaison decken sich nahezu mit denen von Thomas Kruse. Der Coach ergänzte aber noch einmal Punkte, die gerade aus Sicht des sportlich Verantwortlichen von Wichtigkeit sind: „Zum einen möchte ich mich bei meiner Co-Trainerin Tanja Volkening bedanken. Obwohl sie selbst jahrelang aktiv bei den Raubmöwen gespielt hat, kannte sie hier vor einem Jahr so gut wie keine Spielerin. Aber Tanja hat sehr schnell den richtigen Draht zur Mannschaft gefunden, was unheimlich wichtig und auch entscheidend ist. Dadurch konnte mich Tanja in vielen Bereichen sehr entlasten.
Dass unsere Physiotherapeutin Kerstin Meiners wieder bei uns eingestiegen ist, können wir gar nicht hoch genug einstufen. Da wiederhole ich mich gerne. Ebenso, dass wir ein tolles und funktionierenden Umfeld hatten, dass uns in wirklich jeder Hinsicht den Rücken frei gehalten hat. Ganz egal, ob im organisatorischen oder wirtschaftlichen Bereich. Über die fantastischen Zuschauer müssen wir eigentlich gar nicht erst sprechen. Diese haben uns wirklich in jeder Phase der Saison sowohl zu Hause am Steenkamp und auswärts wunderbar unterstützt
Zu Entwicklung der Mannschaft kann ich sagen, dass das letzte Zweitligajahr für die Erfahrung unheimlich wichtig und auf gar keinen Fall ein verlorenes war. Es wird ein Vorteil sein, dass sie fast ausnahmslos die 2. Bundesliga schon kennt. Und trotzdem wird die Umstellung sehr groß sein. In den Drittligaspielen hat sich der eine oder andere Gegner über unsere harte Gangart beschwert. Das mag okay sein, aber Fakt ist, dass diese Härte nur einen Bruchteil der aus der 2. Liga ausmacht. Da wird noch einiges auf uns zukommen, darauf werden wir uns intensiv vorbereiten.“
Damit geht ein traumhaftes Raubmöwen-Jahr zu Ende. Jetzt geht es in die wohlverdiente Pause. So entspannt sich Thomas Kruse beispielsweise auf einer Kreuzfahrt. Im Hinterkopf wird dabei aber bereits an der neuen Saison gefeilt, die ohne Frage eine sehr anspruchsvolle Aufgabe beinhalten wird.
Wie Team-Manager Frank Barthel gerade mitteilte, ist auch die Lizenz in trockenen Tüchern. Mittlerweile wurde die dazu unabdingbare Bürgschaft gestellt. Barthels Dank dazu geht in Richtung Sparkasse zu Lübeck als neuem Bankpartner des TSV Travemünde: „Ohne die Sparkasse zu Lübeck hätte es schwierig werden können, sie hat uns unbürokratisch aus dieser kurzfristigen Klemme geholfen!"