„Jeder einzelne ist gefragt“
HL-SPORTS: Es gibt derzeit wenige schwere Krankheitsverläufe und die Krankenhäuser sind nicht stark belastet. Warum ist das so?
Prof. Jan Rupp: Im März und April war es eine Lernkurve, wie man parallel mit einem massig steigenden Infektionsgeschehen umgeht. Auch in der nächsten Pandemie würde man vorweg hoffen, gewisse Schritte zu tun, weil man jetzt gelernt hat, auf welchen Punkt man schneller reagieren muss und wo man es unterbinden kann. Das eine sind die Behörden und Krankenhäuser, aber auf der anderen Seite ist es mir ganz wichtig, dass diese Pandemiekontrolle nicht von oben nach unten geht. Es wird niemals möglich sein mit irgendwelchen Gesetzen zu bestimmen, wie es läuft. Klar kann man den Lockdown machen, aber jeder einzelne ist hier gefragt und muss sein persönliches Risiko einzuschätzen. Wir haben aktuell wieder Fälle, wo Personen mit Risikokontakten in Berührung kamen, die ihre Kinder in die Schule schicken oder ihr Testergebnis nicht abwarten und wieder zur Arbeit gehen. Da kann man noch so viele gute Ideen haben. Darum ist es so wichtig, dass jeder selbst kurz darüber nachdenkt, um seine Freiheit in den nächsten Monaten und Jahren zu erhalten. Man muss daran appellieren. Man muss innerhalb von ein bis zweit Tagen die Positiven rausfischen, einfangen und in Quarantäne schicken, damit alle anderen unbeschwert weiterleben können. Wir sind weiter in einer Beobachtungsphase. Sport ist dabei ein Luxus, der nach den anderen Bereichen wie Arbeit und Schule aktuell etwas hintenanstehen muss. Mir persönlich fällt das auch schwer.
HL-SPORTS: Wie schnell gibt es Ergebnisse bei Testungen wie sind die aktuellen Fallzahlen einzuschätzen?
Prof. Jan Rupp: Bei regulären Testungen, die wir beispielweise bei uns im Krankenhaus durchführen, wissen wir innerhalb von 24 Stunden die Ergebnisse. Die Fallzahlen sind nicht hoch, auch wenn wir im Verhältnis zum Juni viele Neuinfektionen haben. Was spannend ist, dass wir kaum noch Kreise haben, die gar keine Fälle melden. Die kritische Grenze von 50 per 100.000 wird dabei nicht unbedingt erreicht. Darum sollten es die Landkreise gut unter Kontrolle haben und das Feuer wieder austreten können.
HL-SPORTS: Wird denn einfach mehr getestet? Es gibt in Lübeck beispielsweise die Elisa-Studie. Wie zufrieden sind sie damit?
Prof. Jan Rupp: Getestet wurde in der Vergangenheit auch schon im Juni und Juli viel. Was auffällig ist, dass wir in der Elisa-Studie über Wochen immer die gleichen 3.000 Personen testeten und kein einziges positives Ergebnis hatten, dafür aber einige, die die Infektion durchmachten. Jetzt kommt nach den Ferien die nächste Testreihe und wir sind sehr gespannt, was dabei herauskommt. Reiserückkehrer sind einfach ein höheres Risiko und darum findet man an den Flughäfen Fälle. Wir haben bei uns in Deutschland im Gegensatz zu Frankreich oder Spanien niedrigere Fallzahlen. Ob dort so viel getestet wird, wissen wir nicht.
„Woche für Woche Bemühungen“
HL-SPORTS: Mannschaftssport ist in Schleswig-Holstein wieder erlaubt. Wieso hat man solange gewartet und warum ging das in den Nachbarländern wie Mecklenburg-Vorpommern schneller?
Prof. Jan Rupp: Das war eine Landesentscheidung und es übersteigt etwas meine Rolle als Experte. Ich glaube Mecklenburg-Vorpommern hatte eine Sonderrolle mit extrem wenigen Fällen und sich von daher etwas mehr erlauben konnte, zugleich sehr strikt die Reisekontrollen durchsetzte. In Schleswig-Holstein hat man geschaut, welche Bereiche sehr wichtig sind. Da ging es darum, dass man die Schulen als eines der ersten Bundesländer wieder geöffnet hat. Auch der Tourismus ist unheimlich wichtig. Da kommen wieder zum dem eben angesprochenen Luxus. Ich kann aber auch sagen, dass es Woche für Woche große Bemühungen gibt, um weitere Lockerungen vorzunehmen. Man braucht einfach Geduld. Es darf niemals wieder so werden, dass wir alles wieder zumachen. Für uns Wissenschaftler ist das dabei nicht ganz einfach bei den Einschätzungen. In der Summe wäre es wahrscheinlich besser, wenn man sich zwischen den Bundesländern auf gewisse Kompromisse einigen könnte, selbst wenn die Evidenz nicht so genau klar ist. Das würde zur Beruhigung beitragen. Das ist dabei nicht nur meine Meinung, sondern von vielen Wissenschaftlern. Bei den ganzen Diskussionen um beispielsweise den Masken kamen immer die Fragen, „warum wissen die das nicht?“ – weil wir gerade genau das machen, was wir sonst nie machen: Wir forschen, während wir eigentlich schon Antworten haben müssten. Normal ist das genau andersherum. Wir forschen erst und geben danach die Antworten. Darum wäre eine bundesweite Regelung sicherlich besser. Es gibt eben Bundesländer, die eine ganz besondere Meinung haben und diese auch deutlich kommunizieren und so etwas setzt alle anderen wiederum unter Druck ihre eigenen Maßnahmen zu rechtfertigen. Psychologisch ist das manchmal etwas unglücklich und wo eine klare Entscheidung besser getragen werden würde. >>>weiterlesen auf der nächsten Seite >>>
Bildquellen
- Professor Dr. Jan Rupp: Foto: UKSH
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