Birkenau – „Vater Abraham hat sieben Söhne…“ So tönte das Sieggeschrei der Bad Schwartauer Handballgirls nach dem 25:23 (11:10)-Viertelfinalsieg beim TSV Birkenau und wird ohne Frage bis auf weiteres die Hymne beim VfL sein. Da bereits bereits das Hinspiel mit 29:28 gewonnen wurde, stehen die Mädels von Olaf Schimpf und Thomas Hartstock zum ersten Mal überhaupt im Final Four zur Deutschen Meisterschaft. Dieses findet am 28. und 29. Mai in Leverkusen statt. Gegner dort im Halbfinale ist der Buxtehuder SV. In der anderen Partie stehen sich Bayer 04 Leverkusen und Bensheim Auerbach gegenüber.
Für die Kooperation VfL Bad Schwartau / Travemünder Raubmöwen war es ein perfektes Wochenende. Am Freitag in der Drittligapartie die 27:21-Gala gegen den VfL Oldenburg II und heute nun der Erfolg, auf den seit Jahren hingearbeitet wurde. Die Doppelbelastung A-Jugendbundesliga / Frauenhandball 3. Liga Nord hatte sich schon in den letzten Wochen positiv bemerkbar gemacht und setzte sich in den letzten drei Tagen die Krone auf.
Es war kein Spiel für Ästheten, sondern glich vielmehr einer wahren Abwehrschlacht, in der sich die Spielerinnen beider Mannschaften für nichts zu schade waren und mehr als zur Genüge da hingingen, wo es wehtat. Dass Birkenau eine harte Gangart an den Tag legen würde, kam nicht überraschend. Doch genau darauf war Bad Schwartau auf den Punkt vorbereitet und nahm die Herausforderung an. Das Spiel war gerade angefangen, da erwischte es Lara Fischer. Beim zweiten Angriff bekam sie einen Schlag auf ihre linke Hand und musste herausgenommen werden. Für „Fisch“ war die Partie vorbei.
Bis in die Haarspitzen motiviert hatten beide Seiten zunächst sichtbar Probleme, ins Spiel zu finden. Vor allem im Angriff herrschte große Nervosität. Der TSV Birkenau scheiterte gleich zwei Mal vom Siebenmeterpunkt. Zunächst traf Leonie Scholl nur den Pfosten, kurz darauf parierte Celina Meißner den Versuch von Jana Weisbrod. Dem stand der VfL in nichts nach, so brachte Stefanie Schoeneberg vom Kreis den Ball ebenfalls zwei Mal nicht im Tor unter.
Es dauerte vier Minuten und zehn Sekunden, ehe Marthe Nicolai mit einem ihrer berühmten Heber den Bann brach. Noch einmal die gleiche Zeitspanne benötigten die Gäste, um durch Carlotta Jochims das zweite Tor für sich verbuchen durften. Für Birkenau musste kurz darauf ein Siebenmeter herhalten, den Danijela Rakic dann allerdings sicher verwandelte. Wie auch ihre noch folgenden sieben Stück.
Das erste Feldtor sollte dem Team von Michael Weber erst in der 13. Minute durch Aylin Hofmann gelingen. Gleich darauf brachte Katharina Mink den TSV mit dem 5:4 erstmals in Führung. Die ohnehin schon sensationelle Stimmung vor 625 (!) zahlenden Zuschauern fing an, heiß zu laufen. Eine wirkliche Gänsehaut-Atmosphäre, die der Birkenauer und nicht weniger der Bad Schwartauer Anhang herbeizauberten.
In der 22. Minute schaffte es Sophie Hartstock, die kompromisslos umgesetzte 3:3-Deckung Birkenaus auszuhebeln; der VfL eroberte sich mit dem 8:7 die Führung zurück. Diesen Vorsprung hielten die Schimpf/Hartstock-Schützlinge bis zur Pause.
Der Beginn der zweiten Halbzeit sprach ebenfalls für die Ostholsteinerinnen. Wieder war es Sophie Hartstock, die Annika Schlechter im Birkenauer Tor überwand.
Was dann in den verbleibenden auf dem Parkett passierte, war an Dramatik kaum noch zu überbieten. Mal schien der VfL Bad Schwartau das Spiel in seine Richtung kippen zu können. So zum Beispiel, als Pia Dalinger einen ihrer fünf allesamt sicher verwandelten Siebenmeter zum 16:13 im Tor unterbrachte. Ganz anders sah es in der 50. Minute aus; Ronja Schwab bescherte dem TSV Birkenau mit ihrem Doppelschlag das 21:19.
Die VfL-Handballgirls behielten die Nerven. Zuvor noch drei Mal vom Kreis gescheitert, setzte Steffi Schoeneberg nach 58:15 Minuten das wohl vorentscheidende Tor zum Bad Schwartauer 23:22. Der letzte Treffer dieses Spektakels, das durchaus auch ein anderes Ende hätte nehmen können, war ebenso schon wie das erste Marthe Nicolai vorbehalten. Da standen die VfL-Fans, lautstark unterstützt durch die weibliche B-Jugend, längst auf den Bänken und feierten ihre Mannschaft und sich selbst. Eben mit „Vater Abraham…“
Die Niederlage war bitter, TSV Trainer Michael Weber ließ es sich aber nicht nehmen, sich äußerst fair zum Spiel zu äußern: „Wir gratulieren dem VfL Bad Schwartau zum Einzug ins Final Four und wünschen ihm gegen den Buxtehuder SV alles Gute. Das Spiel heute war absolut ausgeglichen und stand über die gesamte Zeit auf des Messers Schneide Aber der VfL hat in den 60 Minuten insgesamt weniger Fehler produziert, so dass der Sieg dann doch verdient war. Und zieht man Hin- und Rückspiel zusammen, ist das so schon okay.“
Webers siegreicher Trainerkollege Olaf Schimpf: „Einfach nur bewundernswert, wie beide Mannschaften dieses Spiel unbedingt gewinnen wollten. Unsere Mädels haben sich ihre Lorbeeren heute mehr als verdient.“
Eine überglückliche Carlotta Jochims: „Wir haben gemerkt, dass sich all dieArbeit und Schmerzen im wörtlichen Sinn gelohnt haben. Als etwa anderthalb Minuten vor Schluss feststand, dass wir hier gewinnen werden, blickte mich Steffi Schoeneberg an. In diesem Moment kamen alle Emotionen hoch.“
TSV Birkenau: Schlechter, Dörr – Hofmann (2), Scholl (4), Rajic (8/8), Klacar, Goßmann, Schütz, Schwab (3), Weisbrod, Schall, Schmitt, Mink (2), Schulte (4)
VfL Bad Schwartau: Belgardt, Meißner – Schoeneberg (1), Fischer, Gläfke, Dalinger (7/5), Nicolai (6), Hartstock (5/1), Karau, Kieckbusch (4), Welchert (1), Jochims (1), Riesner, Popiol, Frauenschuh
SR: Kuschel/Senk (Karlsruhe/Ludwigshafen
Zeitstrafen: 4:6
Siebenmeter: 8/10:6/6
Zuschauer: 625
Spielfilm: 0:2 (9.), 2:4 (12.), 6:4 (15.), 7:8 (22.), 10:11 (29.) – 10:12 (32.), 11:14 (35.), 13:16 (39.), 17:17 (45.), 19:18 (49.), 21:19 (50.), 21:22 (58.), 23:25 (60.)