Lübeck – „Locker bleiben! Und immer die rechte Hand am Kinn!“. Diese zwei Grundregeln scheint Carlos Angeles (Foto, links) verinnerlicht zu haben. Locker wirkt er mit seinem fast steten Lächeln unter den anderen 15 Boxern. Zwischen dem Quietschen der Sportschuhe auf dem Hallenboden der kleinen Sporthalle und den dumpfen Schlägen der Boxhandschuhe lässt sich der gebürtige Dominikaner nur für ein kurzes, freundliches „Hallo“ ablenken. Zu konzentriert ist er bei aller Lockerheit auf die Partnerübung mit seinem Gegenüber: Ayhan Kiazim (Foto, rechts).
„Das Lächeln ist Teil seines Temperaments“, kommentiert Boxtrainer Tolga Tanriverdi. „Bei einigen Wettkampfrichtern kommt das gar nicht gut“, entgegnet Carlos, „einige denken, ich würde meinen Gegner auslachen.“ Dem ist aber nicht so und bei den meisten scheint er eher gut damit wegzukommen. Seit drei Jahren boxt er im Boxclub Lübeck. Dreimal hat er sich auch den Titel des Norddeutschen Jugendmeisters erkämpft. Keine schlechte Bilanz. „Für die Jugend, die nachzieht ist er ein Vorbild“, meint sein Coach.
Im September boxt er bei den Herren für die Landesmeisterschaft das Halbfinale. Wenn er es schafft, ist er eine Woche später im Finale. Gleichzeitig ist der Jungboxer nominiert für die U21 Internationale Deutsche Meisterschaft, die am 30. September in Moers, in der Nähe von Köln, beginnt. Trainer und Schüler sind zuversichtlich, hat Toledo doch schon so viel erreicht und selbst gegen Bundesliga-Boxer und Ex-Europameister gewonnen. Sein Talent wurde schon früh gefördert. Erst mit 15 Jahren ist er nach Deutschland gekommen. Bis dahin ist er in der Dominikanischen Republik aufgewachsen. Dort hat er sich mit seinen Kumpels häufig spaßeshalber geschlagen.
Im Boxclub fühlt sich der angehende Profi wohl: „Wir verstehen uns hier wie eine Familie“.
Er strahlt. Seine Mutter, die schon früher nach Deutschland gekommen ist, wollte ihn eigentlich zum Fußball schicken. Das hat dem jungen Carlos aber keinen Spaß gemacht. „Ich habe es dann mit Basketball und Baseball probiert. Nach dem Training haben meine Freunde und ich uns immer wieder gerne geprügelt. Also habe ich gedacht, vielleicht sollte ich einen Kampfsport erlernen, wenn mir das solch einen Spaß macht. Dann bin ich zum Boxen gegangen.“ Damit hat er gleich den ersten Volltreffer gelandet. „Boxen ist mein Ding“, sagt der 19-jährige. Zur Schulzeit habe er „von Montag bis Montag trainiert“.
Seine Mutter war anfangs nicht so begeistert. Sie hatte Angst, er würde verletzt nach Hause kommen oder dazu motiviert werden, sich auf der Straße mit anderen zu schlagen. „Es ist ein Kampfsport, der mit vielen Regeln verbunden ist“, wirft Tanriverdi ein. „Die Disziplin, die hier geschult wird, hält mich davon ab, mich auf der Straße zu schlagen“, ergänzt Carlos. Diese Disziplin hat ihm auch in anderen Bereichen geholfen. Er hat hier in Deutschland erfolgreich seine Schulzeit zu Ende gebracht und motiviert eine Ausbildung gestartet. Bald wird er gelernte Fachkraft für Möbel- Küchen-Aufbauservice sein. Mit allem, was er bis jetzt erreicht hat, ist seine Mutter auch stolz auf ihn und unterstützt ihn in dem, was er tut.
Neben dem Dominikaner, gibt es noch zwei weitere vielversprechende Box-Talente im Boxclub Lübeck. Khalil El-Omari und Kaan Yildiz. Beide gehen noch zur Schule, sind 16 Jahre alt und hochmotiviert. Khalil möchte später bei Olympia boxen, Kaan strebt erst einmal den Deutschen Meistertitel an. Beide sind über Schulprojekte in die Sporthalle des Lübecker Boxclubs gekommen. Die Halle soll bald energetisch saniert werden, dafür gibt die Possehl-Stiftung 500.000 Euro.
Khalil und Kaan sind geblieben und haben sich gemacht, denn beide sind Norddeutsche Vizemeister und haben schon zehn große Kämpfe hinter sich. Dabei boxen beide erst seit zwei Jahren. Was Carlos angeht, so möchte er „ein berühmter Profi-Boxer werden und alles gewinnen, was man gewinnen kann.“
Ein großes Ziel. Bis dahin gilt: „Locker bleiben und immer die rechte Hand am Kinn!"