Timmendorfer Strand – Der Volksmund sagt ja im Allgemeinen, dass Torhüter und Linksaußen verrückte und manchmal sehr schwierige Typen sind. Fußballtorwart Oliver Kahn und Handballlinksaußen Stefan Kretzschmar sind da die wohl bekanntesten Beispiele.
Das genaue Gegenteil ist Matthias „Matze“ Rieck.

Der 29jährige Goalie des EHC Timmendorfer Strand (im Bild rechts) gilt auf, sowie neben dem Eis als angenehmer und ruhiger Zeitgenosse. Dennoch war Rieck in den letzten Jahren ein echter Leistungsträger, welcher einen nicht zu verachtenden Anteil an den Erfolgen des EHCT in den letzten Jahren hatte. Dennoch stand er immer wieder in der Kritik.

HL-SPORTS sprach mit ihm über die Sommerpause, die vergangene Saison, die Kritik an seiner Person, seine Zukunft auf dem Eis und warum Marcus Krützfeldt nicht zu ersetzen ist.

Matze, die Saison ist seit zwei Monaten beendet und die Sommerpause ist in vollem Gange. Was macht man als Eishockeyspieler in dieser Zeit?

Ich konzentriere mich aktuell voll auf mein Studium, welches sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Nebenbei halte ich mich mit Jogging und Kraftraum fit, das Sommertraining hab ich absolviert. Und natürlich verfolgt man auch, was zum Beispiel in der NHL oder bei dem WM auf dem Eis passiert. Wobei ich vorrangig die NHL schaue, auch weil dort mein Lieblingsteam, die Montreal Canadiens, gerade im Halbfinale steht. Dafür bleibt man schon mal nachts auf oder schaut am nächsten Morgen die Highlights.
Die meiste Zeit nimmt aber nun mal das Studium in Anspruch.

Blicken wir auf die letzte Saison zurück. Was ist dein Fazit zur abgelaufenen Spielzeit?

Es war eine interessante und erfolgreiche, aber auch schwierige Saison.
Interessant deshalb, weil es mit den beiden Teams aus Hannover nun mehr Konkurrenten um die vordersten Plätze gibt. Die Jahre vorher waren eigentlich nur Rostock und wir konstant da oben, dann gab es in jedem Jahr eine Überraschungsmannschaft. In der letzten Saison hatten wir gleich vier Teams, die auf einem Level spielten, von daher war das eine größere Herausforderung.

Erfolgreich war die Saison, weil wir in dieser engen Liga Vizemeister wurden, ein Erfolg mit dem eigentlich keiner gerechnet hatte. Ich will das mal so sagen: hätte uns vor der Saison jemand gesagt, dass wir Zweiter werden, hätte ich das sofort unterschrieben.

Schwierig war die Saison, weil der Kapitän von Bord gegangen ist. „Mopser“ Krützfeldt war einfach eine Persönlichkeit auf und neben dem Eis, der die Mannschaft geführt hat und mit seiner Erfahrung anderen, wie Marcus Klupp, die Freiheiten für ihr Spiel gegeben hat.

Auch die Endrunde war schwierig, weil wir unseren eignen Ansprüchen nicht immer gerecht wurden und halt zu viele Spiele verloren. Woran das liegt, weiß ich nicht, vielleicht waren wir als Mannschaft zu grün hinter den Ohren.

Du erwähnst es, der Kapitän ging von Bord. Wie wichtig war er für euch?

Das ist in Worten kaum zu beschreiben. Klar, „Mopser“ war nicht mehr der Jüngste und damit auch nicht der schnellste Spieler auf dem Eis, aber er hat das mit viel Übersicht und Erfahrung wettgemacht. Und sowas kannst du nicht sofort lernen.

Hat es deinen Job im Tor schwieriger gemacht, dass du vor dir nicht mehr die erfahrenen „Mopser“ und „Slava“ Koubenski hattest, sondern nun junge Spieler wie Yannick Mund oder Tommy Raknic verteidigt haben?

Also, zunächst einmal haben die Jungs einen guten Job gemacht und sicherlich auch viel gelernt. Aber ja, es war schwieriger. Ich will das mal an einem Beispiel verdeutlichen.
Wenn der Gegner eine Zwei-gegen-Eins-Situation hatte, dann wusste ich immer, wie sich „Mopser“ verhalten wird, ob er auf den puckführenden Spieler oder auf den zweiten Mann ging.
Die Jungen reagieren immer anders auf diese eine spezielle Situation, mal gehen sie drauf, mal schirmen sie den zweiten Mann ab. Und sich darauf einzustellen, war extrem schwer für mich, aber so ist das nun mal, wenn die Abwehr neuformiert ist.

Kommen wir von deinen Mitspielern zu dir selbst. Wie beurteilst du deine eigene Saison?

Insgesamt glaube ich, dass ich eine gute Saison gespielt habe und auch den einen oder anderen Anteil am Erfolg hatte.  Klar, es waren auch Spiele und Gegentore dabei, die auf meine Kappe gehen, aber auch die eine oder andere sehr gute Parade.
Von daher war das sehr ordentlich.

Dennoch gab es immer wieder Kritik an dir und deinem Spiel, sei es in der Halle oder auch durch die Medien wie bei HL-Sports. Wie stehst du dazu und wie gehst du damit um?

Also grundsätzlich denke ich, dass ich mir Kritik gefallen lassen muss, sofern sie berechtigt und auch im Rahmen ist. Wir stehen nun mal als Leistungssportler im Fokus und werden auch kritisch beäugt. Das ist absolut in Ordnung.
Allerdings sollte die Kritik nicht unfair werden oder pauschal gegen einen Spieler.

In einem Spiel gegen Adendorf ging die öffentliche Meinung sehr extrem gegen dich. Du hattest sechs Tore kassiert, dann Probleme nach einem Befreiungsschlag der Heidschnucken und als du einen weiteren Befreiungsschlag dann gemeistert hattest, wurde von den Rängen höhnisch applaudiert. Wie geht man mit so einer Situation um?

Also zunächst einmal hab ich das während der Partie gar nicht so wahr genommen, sondern es wurde mir hinterher berichtet. Und ich finde, dass so etwas gar nicht geht!
Das hat nichts mit Kritik zu tun, die man ruhig äußern soll, sondern man fällt damit der Mannschaft in den Rücken.
Man soll seine Mannschaft während eines Spiels unterstützen und nicht noch niedermachen. Und das sage ich unabhängig von meiner Person.

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Aus deinem Umfeld wurde die Kritik laut, dass die Medien bzw. speziell HL-Sports die Stimmung gegen dich so aufgeheizt haben. Wie stehst du dazu?

Was die Stimmung in dem Spiel so gedreht hat, vermag ich nicht zu beurteilen. Man liest natürlich ab und an die Spielberichte, wundert sich natürlich über die Einschätzung des Schreibers, aber er hat ja einen anderen Blickwinkel als ich.
Und letztlich war es so, dass die Kritik da war, aber ich glaube, dass diejenigen, die wirklich Ahnung von Eishockey haben dies auch einzuordnen wissen.

Du hast jetzt sieben Saisons für den EHCT gespielt, bist einmal Meister und dreimal Vizemeister geworden, aber man bekommt das Gefühl, dass du nicht wirklich respektiert wirst. Stört oder nervt dich das?

Also ich kann nur sagen, dass ich mich innerhalb der Mannschaft respektiert fühle und die Jungs ja schon seit Jahren kenne, weil ich ja als Kind schon für Timmendorf gespielt habe. Und das ist das Wichtigste. Alles andere kann ich nicht beeinflussen.

Fakt ist aber: ich fühle mich wohl in Timmendorf und würde gerne bleiben!

Es wirkte in der letzten Saison so, als wenn du sehr viele Tore durch die Beine kassiert hättest. Daraufhin wurde gemutmaßt, dass deine Ausrüstung nicht 100%ig sei. Was ist an diesem Gerücht konkret dran?

Naja, meine Ausrüstung ist schon in Ordnung, nur meine Beinschienen sind nicht so, wie ich sie gerne hätte. Die Schienen, die ich vom Vereinsausrüster bekommen hatte, sind schmaler als diejenigen, mit denen ich bevorzugt spiele. Das sind zwar nur wenige Zentimeter, aber das reicht schon.
Es ist ein anderes Feeling und vielleicht auch etwas Kopfsache, aber ich kann damit nicht so spielen wie mit den breiteren Schienen. So passiert es, dass zwischen meinen Beinen etwas zu viel Platz und da dann der eine oder Schuss durchrutscht.

Es ist viel probiert worden, auch der Vorstand hat immer wieder neue Schienen bestellt und mir gegeben, aber es passte nicht wirklich. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Größe, die ich spiele, in Europa kaum zu bekommen ist.

In den letzten beiden Jahren wurden jeweils kurz vor Saisonende zwei neue Torhüter verpflichtet. Wie stehst du dazu?

In der Meistersaison war ich ja lange verletzt und konnte der Mannschaft nicht helfen. In der letzten Saison war das etwas anders, aber unser Trainer Sven Gösch hat mir klar gemacht, dass es nichts mit meinen Leistungen zu tun hatte, dass mit Henning Schroth noch ein neuer Goalie geholt wurde, sondern er einfach noch eine Alternative für die Endrunde haben wollte.
Das ist auch absolut in Ordnung und letztlich belebt Konkurrenz das Geschäft.

Blicken auf die Zukunft. Teilweise wurde schon vermeldet, dass du in Timmendorf unterschrieben hast, andererseits heißt es, dass du ein Angebot hast. Sehen wir dich also im kommenden Jahr auf Timmendorfer Eis?

Ich hab mit Hans Meyer, dem ersten Vorsitzenden, kurz nach Saisonende gesprochen, aber es ist noch nichts Konkretes. Aber wie ich schon sagte, ich würde gerne in Timmendorf bleiben.

Kannst du sagen, wie es mit anderen Spielern aussieht? Oder habt ihr im Sommer keinen Kontakt miteinander?

Wir sprechen oder schreiben schon miteinander, aber über konkrete Vertragsdinge sprechen wir nicht. Ich glaube aber, dass alle, die beruflich hier oben gebunden sind, auch im nächsten Jahr wieder dabei sind.

Die Oberliga hat wieder ihr Sommertheater. Keiner weiß, was in der nächsten Saison passiert und wer gegen wen spielt. Verfolgst du das oder interessiert euch das als Spieler eher weniger?

Ich verfolge das schon und würde mich freuen, wenn es wieder eine attraktive Liga gibt. Und wenn Vereine wie Halle oder Leipzig in die Liga kommen, dann kann das dem Niveau nur gut tun. Wichtig ist aber auch, dass Oberliga-Eishockey bezahlbar bleibt und sich die Vereine nicht übernehmen.

Klar, es will niemand sechsmal im Jahr gegen die Crocodiles spielen, weil es auch keine Zuschauer bringt, andererseits hat man in der Endrunde gesehen, dass auch Vereine, die nicht alltäglich in Timmendorf zu Gast sind, wie Frankfurt oder Leipzig, keine riesigen Zuschauermagneten sind.
Man muss also abwägen und eine vernünftige Balance zwischen einer möglichst großen Liga und den wirtschaftlichen Möglichkeiten finden.

Solltest du in der Oberliga bleiben, was wünscht du dir denn?

(überlegt) Auf jeden Fall zwei erfahrene Verteidiger. (lacht) Im Ernst, ich wünsche mir gute Spiele, eine spannende Saison und glaube, dass in Timmendorf wieder eine schlagkräftige Mannschaft auf dem Platz steht.

Die letzte Frage: wo macht es, abgesehen vom heimischen ETC, am Meisten Spaß zu spielen und wo am Wenigsten?

Es macht generell da Spaß zu spielen, wo viele Zuschauer sind, egal ob im ETC oder am Pferdeturm in Hannover. Wenn du da vor 2000 oder mehr Zuschauern spielst, dann gibt es nochmal einen Extra Schub Motivation. Aber auch Braunlage hat was, auch wenn es da auf der offenen Seite im Januar sehr kalt werden kann. Ich spiele dazu gerne in Rostock, weil die Derbystimmung auch immer wieder besonders ist.

Eher ungern spiele ich in Nordhorn. Vielleicht liegt es an der langen Fahrt, aber die Stimmung ist da selten gut und auch das Eis ist nicht so gut, von daher macht es dort in der Halle weniger Spaß. Aber wie gesagt: vielleicht liegt das wirklich an der langen Anfahrt.

Matze Rieck, wir danken dir recht herzlich für die offenen Worte, wünschen dir viel Erfolg in deinem Studium und hoffen auf eine erfolgreiche Saison 2014/15.

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