Lübeck – Es war der Aufreger des letzten Bundesliga-Wochenendes, die neunminütige Unterbrechung im Top-Spiel zwischen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund. Seitdem diskutiert Fußball-Deutschland, ob Schiedsrichter Felix Zwayer richtig gehandelt hat, ob Leverkusens Trainer Roger Schmidt und sein Sportdirektor Rudi Völler für ihr Verhalten und ihre verbalen Ausfälle belangt werden müssen und welche Konsequenzen dieser Vorfall für die Zukunft haben soll. Auch in Lübeck und Umgebung wird fleißig gesprochen und geschrieben, zu Wort kommen hier ein Trainer, ein Schiedsrichter und ein Sportredakteur.

Was war passiert?
Vor dem Dortmunder 1:0 durch Aubameyang war ein Freistoß für den BVB schnell ausgeführt worden, womit der entscheidende Konter eingeleitet wurde. 5,80 m wurden zwischen dem Ort des Foulspiels und dem Ort der Freistoßausführung gemessen – allerdings fast am Dortmnder Strafraum, so dass die Entfernung in den Ermessensspielraum des Schiedsrichters fällt. Darüber echauffierte sich Bayer-Trainer Roger Schmidt so sehr, dass er von Schiedsrichter Zwayer auf die Tribüne verbannt wurde. Allerdings weigerte sich Schmidt den Innenraum zu verlassen, trotz mehrfacher Aufforderung durch seinen Kapitän. Er wollte stattdessen Zwayer zum Gespräch zitieren. Dieser ließ sich darauf nicht ein und unterbrach die Partie auf Grund Schmidts Weigerung, drohte mit Spielabbruch. Erst nach neun Minuten wurde die Partie fortgesetzt – ohne den Leverkusener Trainer im Innenraum. Nach der Partie holte dann Bayer-Sportdirektor Völler zum verbalen Rundumschlag gegen Zwayer aus und unterstellte dem Referee unter anderem, dass er ein klares Handspiel von Sokratis bewusst nicht gepfiffen habe.

Meinungen aus der Lübecker Sportwelt
Wie gesagt: fleißig diskutiert Fußball-Deutschland über die Geschehnisse vom Sonntag. Davor macht natürlich die Region nicht halt. Zu Wort kommen Oliver Zapel, Trainer von SH-Ligist SV Eichede, Lübecks Schiedsrichterobmann Boris Hoffmann und HL-SPORTS-Redakteur Christian Schülling – mit durchaus überraschenden Meinungen.

Oliver Zapel (Cheftrainer SVE): „Eines schon mal gleich vorweg: Trainer und Schiedsrichter sind schon immer aneinander geraten. Davon können sich selbst die größten und erfolgreichsten Coachs, aber auch Schiedsrichter nicht freisprechen. Die Aktion von Roger Schmidt war sicherlich in ihrer Konsequenz im negativen Sinne bemerkenswert und wenig vorbildlich. Besonders unangenehm muss die Situation für den Kapitän sowie die Co-Trainer gewesen sein, die als Vermittler zwischen den Fronten standen. Zweifelsohne entwickelte sich das Verhalten aus der reinen Emotion heraus, für die man in nicht unerheblichem Umfang auch Verständnis aufbringen sollte. Der Druck, unter dem die Trainer stehen, ist unvorstellbar groß. Schmidt hat sich im Nachhinein dafür entschuldigt, obgleich er mit weiteren Sanktionen rechnen muss.
Generell denke ich, dass die Respektlosigkeiten gegenüber den Schiedsrichtern auf hohem Niveau in der letzten Zeit eher stagnieren. Die 4. Offiziellen federn eine Menge ab, so dass bei den Männern (und Frauen) auf dem Platz relativ wenig landet. Zu den Leistungen der Referees in unserer Spielklasse möchte ich gerne erwähnen, dass sich diese in den letzten Spielzeiten deutlich verbessert haben. Besonders die jungen und ehrgeizigen Nachwuchstalente nehmen sich selbst nicht so wichtig, obwohl auch sie ja Woche für Woche bewertet werden und unter Beobachtung stehen. Aber auch die älteren Vertreter haben ihr Verhalten angepasst. Man kann mit ihnen reden, was ich persönlich sehr wichtig finde. Da fällt auch schon mal der eine oder andere Spruch, begleitet mit einem Augenzwinkern. Ich denke, bei mir wissen die Schiedsrichter genau, woran sie sind. Ich bin nicht leise, keine Frage. Aber auch nicht unfair oder problematisch. Persönliche Ressentiments gegenüber einzelnen Schiedsrichtern pflege ich nicht. Sie erledigen ihren Job und bringen Verständnis für die Situation der Trainer auf. So soll es sein.“

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AOK

Boris Hoffmann (Vorsitzender des KSA Lübeck/Foto): „Ich verstehe noch immer den Sinn nicht, in die Kabine zu gehen und dann alles in Ruhe zu besprechen. Mach ich das hier im Kreis so, dann werde ich Diskussionen ohne Ende haben und darf dann noch meine letzten Entscheidungen rechtfertigen. In der Bundesliga macht das ja von der Außenwirkung vielleicht Sinn, hier wäre das Spiel sicherlich komplett beendet worden. Da bekommt der Mannschaftsführer eine letzte Botschaft, wenn die dann auch ignoriert wird, dann sind alle Mittel ausgeschöpft. Wir werden auf dem kommenden Lehrabend eine lebhafte Diskussion führen, denn viele Kollegen haben diesbezüglich auch eine andere Meinung.“

Christian Schülling (Redakteur HL-SPORTS): „Es war einfach ein Unding, was am Sonntag in Leverkusen abgelaufen ist. Die Entscheidung des Schiedsrichters war absolut nachvollziehbar und dass er in diesem emotional aufgeladenen Moment den Kapitän als ‚Boten‘ nutzt, ist gut und richtig. Dass sich Schmidt dann weigert zu gehen, ist an Respektlosigkeit gegenüber dem Spielleiter nicht zu übertreffen, von Völlers direktem Betrugsvorwurf ganz abgesehen. Es bleibt einfach zu hoffen, dass der DFB die richtigen Entscheidungen trifft – nicht nur wegen des Vergehens an sich, sondern auch mit Hinblick darauf, wie groß die Wertschätzung im Verband für die Unparteiischen ist. Wenn es der Kontrollausschuss ernst meint, dann gehören sowohl Trainer als auch Sportdirektor für mehrere Wochen aus dem Verkehr gezogen!

Generell sollten aber alle Beteiligten überlegen, einen entspannteren Umgang miteinander zu pflegen. Schiedsrichter haben wie Spieler oder Trainer auch mal einen schlechten Tag und können daneben liegen. Und wenn man es statistisch auswerten würde, würde man sicherlich auch bemerken, dass die Fehlerquote bei anderen Beteiligten eines Spiels (egal ob Fußball, Handball, Eishockey etcetera) deutlich höher ist. Dies gilt vor allem für die Medien, auch für uns von HL-SPORTS. Wir sollten der öffentlichen Schiedsrichterkritik, die aus der Emotion herauskommt, weniger Raum geben und selbst, vor allem wenn wir mit dem FanRadio unterwegs sind, weniger Schuld bei den Unparteiischen suchen.“

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