Die erste Woche der EM ist rum, am heutigen Abend beenden die Gruppen E und F noch ihren zweiten Spieltag. Und die Frage ist nun: schon rum oder erst rum? Denn so wirklich EM-Feeling will nicht aufkommen – und das obwohl ich im Land des Gastgebers noch zu Gast bin. Liegt es am Revival des Catenaccio?

Nein, so schlimm, dass ich mich die Felsen am Cap Fréhel (Foto) herunter stürzen möchte, ist es noch nicht, doch mich als Sportredakteur, als Fußballfan packt diese Europameisterschaft einfach nicht. Und das liegt nicht nur daran, dass das Turnier hier in der Bretagne immer noch nicht angekommen ist oder dass ich mir die Spiele im TV wahlweise bei den französischen oder englischen Kollegen anschauen muss.

Nein, im Grunde haben mir Russen, Engländer und Deutsche schon zu Beginn alles versaut. Für mich ist es wie für die meisten auch Tage danach unbegreiflich, warum man sich so benehmen muss, was daran toll sein soll, wildfremden, teils unbeteiligen Menschen eins auf die Mütze zu geben. Dass sich dann die UEFA auch noch aus der Verantwortung stiehlt und sagt, dass nur Dinge innerhalb des Stadions für die Bestrafung von Mannschaften und Verbänden von Belang sind, setzt dem Ganzen noch die Krone auf.

Aber gut, lassen wir Zuschauer Zuschauer, Hooligans Hooligans und die Polizei unvorbereitet sein wie sie will: Ausschreitungen gehören zu den großen Turnieren leider dazu, aber bisher hat man sich davon selten die Stimmung vermiesen lassen. Nein, es muss noch ein weiteres Problem geben. Und das liegt wie die Wahrheit definitiv auf dem Platz: Der Gähnfaktor bei fast allen Spielen ist so hoch, dass ich lieber ab 21 Uhr das Bett aufsuche anstatt mir das zweite oder dritte Spiel des Tages anzusehen. Für Taktikanbeter und angehende Trainer mag das Turnier Anschauungsunterricht par excellence bieten, für mich als Fußballfan ist es einfach nur ätzend. Kaum Torchancen, noch weniger Tore, dafür viel Krampf, Kampf und blindes Ballgeschiebe der Favoriten. Dazu das Mauern der Außenseiter. Catenaccio in Reinform: hinten reinstellen und vorne hilft der liebe Gott. Na super!

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Nein, da fehlt das Salz in der Suppe. Ob es am Modus liegt, daran, dass die „Kleinen“ sich gern hinten reinstellen oder ob der Papst das falsche Weihrauch verwendet hat, interessiert mich dabei nicht. Tore wecken Emotionen; fehlen die Tore, fehlen die Emotionen.

Gut sei es drum, ich mache mich auf den Weg in die Heimat. Vielleicht packt mich da noch das EM-Fieber. Schauen wir mal. In diesem Sinne: Au revoir France, Kenavo Breizh

Heute spielen noch Belgien und Irland in der Gruppe E gegeneinander (15 Uhr), ehe die Duelle Ungarn gegen Portugal (18 Uhr) sowie Island gegen Österreich (21 Uhr) in der Gruppe F den zweiten Spieltag beenden.

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