Ein Kommentar von Christian Schülling: Am Freitag teilte Holstein Kiel seinen Fußballerinnen mit, dass der Frauenfußball bei der KSV keinen Platz mehr hat. Kreativ teilten die Kickerinnen ihren Unmut auf dem Platz mit und meldeten sich am Montag noch einmal via Facebook zu Wort. Von einem „Schlag in die Magengrube“ ist die Rede, teilweise untragbare Trainingsbedingungen wurden beschrieben. Die Solidarität ist groß, doch ausgerechnet die Verbände schweigen – zumindest in der Öffentlichkeit. Ein absolutes Armutszeugnis findet der Autor dieses Kommentars.
Zugegeben, die Holstein Women habe ich als langjähriger Beobachter der Frauenfußball-Szene nur selten auf dem Zettel. Kein Team der Region spielt (oder spielte) mit dem ehemaligen Zweitligisten zusammen und für die Region Lübeck ist das ja jetzt nicht so interessant. Und dennoch schaue ich mit einer Mischung aus Schock, Unverständnis und Wut auf das Verhalten der Holstein-Verantwortlichen. Da bleibt einfach zu hoffen, dass die Männer nicht aufsteigen und im Jahr drauf sang- und klanglos untergehen, dazu alle Frauenmannschaften die restlichen Spiele nicht absolvieren und so noch einmal für ein paar Strafgelder sorgen. Ja, ich weiß sportlich nicht ganz fair, aber fair ist es auch nicht, wie man mit den Mädels umgesprungen ist.
Was mich aber noch wütender macht und ich gerade zu erbärmlich finde, ist die Reaktion seitens der Verbände – denn es gibt einfach keine. Natürlich, da hat beispielsweise SHFV-Präsident Hans-Ludwig Meyer recht, kann ein Verband nicht in die Vereinspolitik eingreifen. Aber er kann, bitte schön, einen Aufstand machen und öffentlich kritisieren, den Verein massiv an den Pranger stellen. Das ist – wie kaum anders zu erwarten beim Kieler Klüngel – nicht geschehen. Er habe einen Brief geschrieben, so Meyer gegenüber HL-SPORTS und seinen Unmut zum Ausdruck gebracht.
Da kann ich nur applaudieren. Wow, Herr Meyer, einen Brief, im 21. Jahrhundert, an einem Wochenende mit Brückentag – da brandet Applaus auf! So etwas muss thematisiert werden, öffentlich. Facebook, die eigene Homepage, eine Pressemitteilung oder was auch immer einem einfällt: da kann man als Verband, der ohnehin schon wenig für den Frauenfußball macht, ein paar Pluspunkte sammeln. Aber wenn man bei so wichtigen und brandaktuellen Themen Briefe schreibt, dann ist man auch gedankentechnisch wohl noch im 20. Jahrhundert verhaftet.
Aber auch beim NFV und beim DFB ist es still, womit praktisch eine Tendenz beschrieben wird, die sich seit der WM 2011 abzeichnet. Es ist eigentlich egal, was negatives in Sachen Frauenfußball passiert, es bleibt einfach still und man überlässt anderen das Wort. Die Emanzipation mag auf dem Fußballplatz stattgefunden haben, abseits davon ist sie nicht da! Und das ist traurig und wenig verständlich.
Natürlich, Frauenfußball ist kein Massenphänomen, wird wohl nur in den seltensten Fällen so viele Zuschauer anlocken wie ein Drittliga-Spiel der Herren oder auch Spitzenhandball. Er mag, gerade in den Klassen unterhalb der 2. Liga, deutlich weniger dynamisch sein als bei den Herren und auch für Sponsoren nicht so attraktiv. Aber der Frauenfußball hat nicht nur eine Daseinsberechtigung, sondern hat es mehr als verdient, dass man ihn genauso fördert und fordert wie die Männer! Und das ist die Aufgabe der Verbände, die jetzt schweigend dabei stehen und dies über sich ergehen lassen.
Vielleicht hab ich mit meiner Denkweise, dass es sich eigentlich um eine andere Sportart mit gleichen Regeln wie beim (Männer-) Fußball handelt, auch nicht ganz unrecht. Das ist absolut nicht negativ oder chauvinistisch gemeint, sondern für mich einfach eine Realität. Die Regeln sind wie gesagt die Gleichen, aber das drumherum ist anders – es geht freundschaftlicher, ja friedlicher zu, es ist – wie bereits gesagt – nicht so dynamisch, gerade in den unteren Klassen auch technisch nicht so stark, aber allein der Enthusiasmus, den Trainer und vor allem die Spielerinnen an den Tag legen, sucht oft seinesgleichen.
Und vielleicht ist genau dies der Ansatzpunkt, um sich komplett zu emanzipieren. Eigene Vereine gründen, einen eigenen Verband gründen. Das könnte der Weg sein, um endgültig aus dem Schatten des Männerfußballs zu treten und sich von ihm nicht drangsalieren zu lassen.
Übrigens: dass Frauenfußball nicht überall als unnötiges Zuschussgeschäft angesehen wird, beweisen andere Vereine. Vereine wie Werder Bremen, Borussia Mönchengladbach oder Bayer Leverkusen. Aber auch die Bayern, Wolfsburg oder Hoffenheim „gönnen“ sich zwei Frauenteams in den ersten drei Ligen. Selbst RB Leipzig, so verhasst aufgrund seines Kommerzes, hat ein Frauenteam in Liga drei.
Apropos verhasst: der Kommerz, dem der Frauenfußball bei Holstein zum Opfer fällt, ist bei den „Ultra-“ Fans ja verpönt. Da bin ich doch mal gespannt, ob es eine Art des Protests seitens der organisierten Anhänger geben wird. Dann könnten sie Flagge zeigen. Wenn sie es nicht tun, dann machen sie sich unglaubwürdig!
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