Grüße vom Bodensee: Das erste WM-Wochenende ist geschafft! Unser Chefredakteur rief gestern Nachmittag an: „Timo, als Exil-Lübecker hast du doch bestimmt Lust mal aus einer andere Perspektive für unseren WM-Blog zu schreiben, oder?“ „Na klar“ – sagte ich und schwang mich auf’s Rad. Ziel war die 5 Minuten entfernte Schweiz.
Vier unserer geographischen Nachbarn kämpfen in diesem Jahr mit um den goldenen Pokal, die Eidgenossen gehören dazu. Auch sie versammeln sich zum Rudelgucken – ich mittendrin. Ecuador heißt der erste Gegner und es geht schnell zur Sache. Gute 20 Minuten nach dem Anpfiff fällt bereits das erste Tor. Keiner jubelt: 1:0 für Ecuador. Nach dem Schreckmoment scheint der schweizer Fernsehkommentator sich als Erster wieder zu sammeln. Er spricht seinen Landsleuten Mut zu: „Schon in vier Spielen dieser WM führte zunächst eine Mannschaft 1:0 und ging am Ende doch nicht als Sieger vom Platz.“ Er sollte Recht behalten, aber bei allem Optimismus musste auch er zunächst gestehen: „Die ersten 45 Minuten waren zum Abhaken.“
Halbzeitpause unter wenig euphorischen Schweizern. Man kommt ins Gespräch und als ich vorschlage ein Foto in Jubelpose für diesen Artikel aufzunehmen, einigt man sich dann doch besser auf ‚Daumen hoch’. Hoffnung ist trotzdem noch vorhanden und wird mit einem schnellen Ausgleich zu Beginn der zweiten Hälfte belohnt. Das Team von Ex-Bayer Ottmar Hitzfeld schafft ein weiteres Tor kurz vor Schluss. Die Schweizer trauen sich zur Siegerpose und der Kommentator freut sich über seinen richtigen Riecher.
Viel Zeit zum Feiern bleibt für mich aber nicht, schon eine knappe Stunde später geht es für den nächsten Nachbarn auf den Platz.
Das Équipe Tricolore
Vor dem Turnier kündigt sich eine neue französische Mannschaft an. Nach Schlagzeilen und Pleiten in Südafrika 2010 soll dieses Jahr alles anders werden. Notgedrungen muss es das auch, denn Mittelfeldstar Franck Ribéry fällt aus. Doch statt einer gleichberechtigt aufspielenden Mannschaft ohne Leader, fällt vor allem Karim Benzema auf. Kein anderer Spieler dieser WM hatte bisher einen so starken Drang zum Tor. Acht mal bringt er den Ball auf den Weg ins Eckige, zwei mal trifft er. Am Ende steht es 3:0 für das Équipe Tricolore: ein weiterer Schuss von Benzema, offiziell verwandelt durch Pechvogel und Honduras-Keeper Valladares.
Nicht nur Benzema durfte in diesem Spiel zeigen, was in ihm steckt. Ein Neuzugang aus Deutschland kam erstmals auch zum Einsatz. Die Torlinientechnik enttarnte genau dieses Eigentor und bestand damit ihre erste Feuerprobe. Willkommen im Team!
Ein aus nachbarschaftlicher Sicht erfolgreicher Tag liegt also hinter mir. Was machen aber die anderen Teams mit denen wir uns eine Grenze teilen? Hier der Nachbarschafts-Check:
Unser liebster Gegner
Die fußballerische Rivalität zwischen Deutschland und den Niederlanden hat eine lange Tradition. Das schönste Aufeinandertreffen aus deutscher Sicht war dabei sicher das WM-Finale 1974 in München. Ohne jemals Weltmeister zu werden, schafften die Oranjes es danach noch zweimal ins Finale einer WM, zuletzt 2010. Am Freitag gab es dann die heiß ersehnte Revanche: Bei der Neuauflage des letzten WM-Finales putzten sie den amtierenden Weltmeister Spanien mit 5:1 vom Platz. Das dürfte vor allem einen gefreut haben: Trainer Louis van Gaal. Er ist zum zweiten Mal Bondscoach, obwohl er beim ersten Anlauf 2002 die WM-Teilnahme verpasste.
Der ‚Rote Teufel‘
Große Erwartungen steigern in diesem Jahr den Druck auf Belgien. Experten sprechen von einer neuen talentierten Generation in rot. Seit der fast perfekten WM-Qualifikation, die nur den Makel eines Unentschiedens gegen Kroatien trägt, ist die Welt gespannt. Historisch hält sich der Druck aber in Grenzen: Erst elf mal waren unsere Nachbarn bei einer Fußball-WM dabei, zuletzt 1998 und 2006. Bestes Ergebnis bisher war ein vierter Rang bei der WM 1986.
Bei diesen Nachbarn läuft der Fernseher
Die Nationalmannschaften von Dänemark, Österreich, Tschechien und Polen bleiben dieses Jahr zu Hause. Auf ein Spiel gegen die Österreicher mussten Jogis Jungs trotzdem nicht verzichten. Zweimal trafen sie in der Qualifikation aufeinander und gewannen. Die Reisepläne der Ösis platzten letztlich nach zwei engen Duellen mit Schweden endgültig. Auch die Polen schieden mit einem dritten Platz in Ihrer Qualifikationsgruppe aus. Beim Freundschaftsspiel gegen unsere Auswahl im Mai gelang ihnen dennoch ein 0:0.
Der Kleine
Der Vollständigkeit halber – oder sagen wir aus Mitleid – möchte ich hier noch den Luxemburgern ein paar Zeilen schenken. Die haben einfach keine Chance – und das obwohl sie in der Qualifikation für diese WM einen persönlichen Rekord aufstellen konnten. Am Ende standen 6 Zähler auf der Tabelle, nie gab es mehr für den Kleinstaat. Alle anderen Konkurrenten um die WM-Teilnahme hatten trotzdem mehr. Schade!