HL-SPORTS-Redakteur Sven Maly begab sich zum Deutschlandspiel am vergangenen Samstag gegen Ghana nach England – besser noch: in das Mekka des Fußballs, nach London. Hier sein Reisetagebuch:
Um es gleich vorweg zu nehmen: Es ist natürlich allein die Schuld der FIFA, dass unser geliebtes Schland gegen unsere Freunde aus Ghana nicht mehr zu Stande brachte als ein wohl kaum befriedigendes 2:2. Ein nicht nachzuvollziehender Fehler in der Terminplanung sah für diesen fast schon WM-Klassiker den 21. Juni 2014 vor. Dabei hätte doch bekannt sein müssen, dass wir gefühlt schon viel früher unser Konzert-Wochenende nach London ausgetüftelt hatten.
Ich hatte mir das alles so schön zurecht gelegt. Am Freitag anreisen und noch ein wenig Public Viewing Frankreich gegen die Schweiz genießen. Der Samstag sollte der Erholung vom Fußball dienen. Das Konzert von Vanessa Paradis (ja, genau, die Ex von Johnny Depp, die noch mehr als „Joe le Taxi“ im Koffer hat) war da vermeintlich genau die richtige Maßnahme. Selbstverständlich bin ich davon ausgegangen, dass es die FIFA auf die Reihe bekommt, unseren Ansprüchen gerecht zu werden und unser Spiel gegen die „Black Eagles“ oder wenigstens ein Spiel unseres Lieblingsgegners Engeland in Richtung Geisterstunde anzusetzen. Es hätte alles so einfach sein können. In der Theorie eine 1 mit Sternchen, praktisch mit ganz viel Luft nach oben.
Geklappt hat nämlich wenig bis gar nichts. Angefangen am Freitag, als es über sämtlich verfügbare Irrwege endlich ins Hotel ging. Merke: In London kennt sich jeder Einheimische aus. Nur eben auf seine Art und Weise. Das Nachtspiel rauschte dann noch irgendwie an mir vorbei. Ich weiß bis heute nicht, wer sich da gegenüberstand. Der Samstagmorgen brachte eines der Highlights dieser Reise. Drei Zusammenfassungen auf einmal. Hatte zwar auch da immer noch keine Ahnung, wer gegen wen. Aber diese englischsprachigen Kommentare, eine Wohltat im Vergleich zu dem, was uns unser (Sch)land zu bieten hat. Augen zu und berieseln lassen.
Dieser kleine Anflug von Hochgefühl konnte aber nicht verhindern, dass ich für den Abend eine Entscheidung treffen musste. Entweder ein Date mit Johnnys Verflossener oder doch Jogi und seine Jungs inbrünstig im Pub gleich neben dem London Forum unterstützen.
Sorry Herr Löw, aber Vanessa ist und bleibt nun einmal die sexiest Zahnlücke ever… Also aufgemacht, einmal vom Südosten Londons (wer hat denn bitte ein Hotel in West Ham gebucht?) in Richtung Kentish Town. Und ich dachte immer Bus- und Bahnfahren im SH-Tarif sei teuer…
Ich hatte tatsächlich so etwas wie einen Plan B in der Tasche: Ein wirklich gutes Konzert erleben, gleichzeitig aber auch immer mal ein Auge auf einen der ganz gewiss vorhandenen Großleinwände werfen. Das klappte natürlich nicht, aber wenigstens auf den Liveticker sollte Verlass sein. Das eigens dazu gebuchte (sehr günstige) Roamingvolumen entsprang einer ebenso einfachen wie perfekten Idee. Der Teufel lag wieder mal im Detail. Mein Handy hatte schlichtweg vergessen, dass es seinen Akku den Tag über nicht unnötig strapazieren sollte. Ich erhielt gerade die Nachricht über das Gegentor zum 1:2 (danke an Frau S. C. als Übermittlerin der schlechten Nachricht, viel schneller als das Netz), da gab das Handy auf, und das Display blieb schwarz.
Hilfe von meiner Begleitung oder gar den neu gewonnenen Freunden aus Frankreich war nicht zu erwarten. Einhellige Meinung: „Fußball? Nein, danke!“
Also war Geduld bis zur Rückkehr ins Hotel aufbringen. Wider allen Erwartungen verliefen die gut 50 Minuten in Bahn und Bus reibungslos. Ab ins Hotel, hinauf in die 2. Etage und Glotze an. Ah ja, gerade noch den Schluss von Nigeria gegen Bosnien-Herzigowina mitbekommen. Auch noch geduldig die Zusammenfassung vom argentinischen Last-minute-Sieg angesehen, ehe auch ich irgendwann mitbekam, dass unser Miro nicht nur für seinen 15. WM-Treffer gefeiert wurde.
Der abschließende Sonntag sollte dem Sightseeing vorbehalten sein. Was mich aber nicht daran hindern konnte, jegliche Art von WM-Eindrücken zu sammeln. Das Album diesbezüglich blieb so gut wie leer, in England scheint kaum jemand mitbekommen zu haben, dass da irgendetwas in Brasilien läuft. Und diejenigen, die doch noch etwas nach dem "Good bye England" zu sagen hatten, reagierten auf höchst unterschiedliche Weise. So bestätigte Scott, Mitarbeiter der Londoner Underground: „Yeah, ihr könnt Football besser als wir. Aber ick sehe better aus als du!“ That’s right, Scotty, beam me up. And greetings to Victoria Station. Aber Vorsicht, wenn ihr am selben Bahnhof vorhabt, Gepäck aufzubewahren und euch als Einwohner unseres Schlands zu erkennen gebt. Wir zahlen da zumindest bei Mister B. ein gutes Stück mehr als der Rest der Welt.
Ich muss kaum erwähnen, dass der Rückflug nahezu perfekt verlief. Nur 80 Minuten Verspätung und den Anschlusszug in die Heimat verpasst. Keine Ahnung mehr, wer gerade gespielt hat oder heute noch spielen wird.
Also! Wer hat Ergebnisse für mich???